Worüber Schäuble nicht sprechen will
Der spanische Premier Rajoy hat Deutschland aufgefordert, mehr für das Wachstum in der Eurozone zu tun. Madrid könne sich keine expansive Fiskalpolitik leisten, doch wer dies könne, solle es auch tun, sagte Rajoy in einem Interview mit der “FT”. Doch Finanzminister Schäuble will davon nichts wissen. Auch andere Vorschläge zur Linderung der Krise schlägt er aus – ein Überblick.
- Europäische Schuldenkonferenz: Das hat der griechische Linken-Führer Tsipras dem deutschen Finanzminister bei ihrem Treffen in Berlin vorgeschlagen. Vorbild könnte die Londoner Konferenz von 1952/53 sein, bei der Deutschland ein Gutteil der Kriegsschulden erlassen wurden. Schäuble sagte dazu kein Wort, jedenfalls nicht öffentlich. Auch in den etablierten Medien findet sich kein Wort, umso mehr dafür auf den “Nachdenkseiten”.
- Marshallplan für Europa: Das hat der DGB vorgeschlagen, ich habe bereits berichtet. Der Vorschlag findet sich hier – auch dazu kein Wort in der Presse. Kein Wunder, dass sich Schäuble nicht äußert – wenn niemand nachfragt!
- Eurobonds, Schuldentilgungsfonds und spezielle Antikrisen-Budgets für die Eurozone: Diese Vorschläge liegen seit Monaten auf dem Brüsseler Verhandlungstisch, doch der angeblich so europafreundliche Finanzminister hat sie in seine Dauerablage (sprich: den Papierkorb) gelegt. Immerhin will das Europaparlament seine Forderungen heute noch einmal bekräftigen.
- Zinslastenausgleichsfonds: Das hat das sozialistischer Umtriebe unverdächtige Kieler Institut für Weltwirtschaft vorgeschlagen. Dadurch geben Länder, die sich zu günstigen Bedingungen am Kapitalmarkt finanzieren können, einen Teil ihres Zinsvorteils an schwächere Staaten ab. Bedingung: Nehmerländer sind nicht überschuldet und halten ihre Fiskalregel ein. Anders als bei Eurobonds gibt es keine Haftungsübernahme. Kommentar aus Berlin: keiner.
- European Growth Fund: Dieser Vorschlag des Brüsseler Thinktanks Bruegel sieht vor, Struktur- und Wachstumsprogramme künftig nicht aus dem arg begrenzten EU-Budget, sondern über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Wer Hilfen beantragt, muss ähnlich wie beim Euro-Rettungsfonds ESM bestimmte Bedingungen erfüllen. Der Vorschlag zielt auf die laufenden Verhandlungen zum EU-Budget, fand in Berlin jedoch kaum Beachtung.
Dass Schäuble über all diese Alternativen zur Austerität nicht sprechen will, hat einen einfachen Grund: den Wahlkampf. Der deutsche Kassenwart möchte sich als sparsamer Haushalter präsentieren (was ihm ja auch ganz gut gelingt), und nicht als spendierfreudiger Samariter.
Allerdings übersieht er eins: auch Deutschland würde von einer Lockerung des Sparkurses und einer Stimulierung des Wachstums in Euroland profitieren. Denn wenn nicht alles täuscht, steckt die größte europäische Volkswirtschaft mitten in einer Rezession – und die könnte zum Risiko bei der Bundestagswahl werden…
Gion Saram
1. Februar 2013 @ 18:09
@Umdenker Naja, wenn ich beim Beispiel Griechenland an die Grösse der Armee im Verhältnis zur Bevölkerung, der Anzahl Staatsbeamter zur Bevölkerung, den Kosten für die idiotische Sommerolympiade in Athen oder die Höhe der Parlamentariertdiäten oder das langjährige Fehlen eines Grundbuchregisters und damit auch die Unmöglichkeit auf Boden Steuern zu erheben denke, dann ist es schwer da nicht doch so etwas wie Misswirtschaft zu erkennen. Wenn dann noch als Krönung die Tatsache dazu kommt das die griechischen reichen Reeder keine Gewinnsteuern bezahlen, frage ich mich schon weshalb denn überhaupt jemand sonst in Europa Geld für die Rettung Griechenlandes abliefern soll, wenn es die reichen Griechen selber schon nicht für nötig halten etwas für ihr Land zu tun.
Andre
18. Januar 2013 @ 13:19
Wolfgang Schäubles Vorschlag eines Haushaltseingriffs durch den Finanzkommissar war einfach genial, denn er legt offen welche Kreise und Staaten gar nicht daran denken sich an Abmachungen zu halten. Schäuble ist der Mann, der eine ordoliberale Wende Europas einleiten kann. Den Druck darf man nicht voreilig vom Kessel nehmen.
ebo
18. Januar 2013 @ 14:10
Ordoliberal? Was ist denn daran ordoliberal, die Banken zu retten (allen voran die deutschen, der deutsche Bankenstützungsfonds ist fast so groß wie der europäische), und die Bürger leiden zu lassen? Wo ist denn der Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte, für die Banken? An die Kette werden nur die Staaten und ihre “frei” gewählten Parlamente gelegt, nicht die Investoren und Spekulanten. Das hat mit Ordoliberalismus nichts, mit Neoliberalismus aber sehr viel zu tun
Johannes
16. Januar 2013 @ 18:05
Warum werde ich jeden Monat wütender, ablehnender gegenüber der EU, die ich eigentlich für sinnvoll halte und werde in der Rethorik hier im Blog immer unverschämter? Weil keine Woche vergeht, in der die Raubritter aus Brüssel es nicht wieder versuchen, Geld aus uns deutschen Steuerzahlern zu pressen.
Euro-Bonds, Tilgungsfond – Alles soll gegen den Willen der Bürger ohne Volksabstimmung eingeführt werden. Der Euro müsste eigentlich abgeschafft werden, weil fast alle Verträge mit uns Bürgern von 1999 gebrochen wurden, von denen da in Berlin.
Euro-Bonds werden Europa zerstören, den Norden gegen den Süden ausspielen in einem noch gefährlicheren Level als jetzt schon. Der Länderfinanzausgleich in Deutschland sorgt regelmässig für Ärger und die Nehmerländer verbessern sich kaum bis gar nicht, er ist das Paradebeispiel, warum Euro-Bonds Europa und den Frieden zerstören werden.
Bisher hat der Euro nur Hass und Misstrauen geschaffen, Euro-Bonds werden dies verstärken.
Das Euro-Bonds ein Traum für die Wall-Street Bankster ist, ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Bonds gefährlich sind und wieder nur eine Methode sind, Banker und Zocker zu retten / Risiken abzunehmen und auf uns Steuerzahler abzuwelzen.
ebo
16. Januar 2013 @ 18:17
@Johannes Ach, Johannes! Hast Du nicht bemerkt, dass drei von fünf Vorschlägen gar nicht aus Brüssel kommen, sondern aus Athen, Berlin und Kiel? Ist dir entgangen, dass ein Schuldentilgungsfonds vom deutschen Sachverständigenrat empfohlen wird? Hast du schon mal gehört, dass Deutschland die größte Gruppe im Europaparlament stellt?
Johannes
16. Januar 2013 @ 20:07
Mein Fehler, nicht alles böse kommt aus Brüssel.
Am Ende geht es ja leider dennoch nur ums eins, die Deutschen abzuzocken und die Demkokratie zu schwächen 😉
Umdenker
18. Januar 2013 @ 16:04
@Johannes
Von Ihnen und anderen lese ich öfter hier “Geld aus uns deutschen Steuerzahlern zu pressen”. Erklären Sie doch bitte wer wen auspresst und wohin dieses Geld fliesst, also wer die Nutzniesser sind. Diese Begründung fehlt mir nämlich immer bei diesen Aussagen und wenn wir ja ausgepresst werden, dann muss es ja irgendwo hinfliessen.
Auch verstehe ich solche Sätze nicht “Bisher hat der Euro nur Hass und Misstrauen geschaffen, Euro-Bonds werden dies verstärken.” Was soll das bedeuten und wieso schafft eine Währung Hass und Misstrauen? Eine Währung ist erstmal ein Zahlungsmittel und völlig wertneutral. Hass und Misstrauen können durch Konsequenzen einer Währungspolitik geschaffen werden (z.B. wenn man meint einen Wohlstandverlust durch eine neue Währung zu erleiden, also an Kaufkraft verliert).
Ihre Sicht zu Nehmerländern und Euro-Bonds erklären sie leider auch nicht weiter. Stört es sie, dass bestimmte Länder hohe Schulden haben und sie glauben, dass z.B. Deutschland durch sowas wie Euro Bonds dafür haften muss? Nunja, das wäre der Fall. Aber haben sie sich auch gefragt wie es zu diesen Schulden gekommen ist? War es wirklich reines Misswirtschaften der Südländer? Lesen Sie doch dazu bitte mal einige Blogs wie die NDS, da wird faktisch gut erklärt wie Schulden/Vermögen sich bilden und was die Ursachen sind. Bis auf GR (und auch da nur teilweise) ist die hohe Verschuldung durch politische Ursachen wie deregulierten Finanzwesen, Bankenrettung, kapitalfreundliche Steuergesetzgebeung (und somit Einnahmeausfälle) entstanden und nicht durch übertriebene Ausgaben.
Profitiert haben davon auch Vermögende in Deutschland, die sich nun aber nicht solidarisch aber diesen Entwicklungen beteiligen möchten. Kleines Beispiel: Sie sind ein typischer AN und verdienen genug um ein kleines Häuschen auf 30 Jahre abzubezahlen. Durch schlechte Beratung beim Kredit erhöhen sich wegen der Finanzkrise plötzlich die Zinsen. Zusätzlich kündigt sie ihr Unternehmen, weil es in Indien noch viel billiger produzieren kann. Sie haben auf einmal riesige Schulden, aber ist der AN wirklich schuld daran? Soll man ihm vorwerfen, dass er eine gewisse Lebensplanung samt Häuschen hat und davon ausging sein Arbeitsplatz würde sicher sein? Soll man ihm vorwerfen kein Finanzexperte zu sein und somit seiner Bank zu vertrauen, die ihm den Kredit gerne gewährt hat, weil der Berater dafür ne dicke Provision erhält (also falsche Anreize)?. Ich würde ein wenig mehr Differenziertheit mancher Kommentatoren hier erwünschen. Denn Schulden beinhalten leider das Wort Schuld, aber haben meist wenig mit eigens verantworteter Schuld zu tun und das gilt auch oft für ganze Volkswirtschaften.
Beim Länderfinanzausgleich das gleiche Spiel. Wenn Investoren nunmal den Osten brach liegen lassen, sollen dann alle dort auswandern in die “besseren” Bundesländer? Sollen wir ganze Gebiete einfach nicht bewohnen, weil es zufällig Vermögende in bestimmte Städte oder Bundesgebiete zieht? Alle folgen dem Kapital und machen was es will, das soll also der vernunftbegabte Mensch des 21.Jh sein? Intelektuell äusserst erbärmlich in meinen Augen.
Johannes
18. Januar 2013 @ 19:46
“Geld aus uns deutschen Steuerzahlern zu pressen”. Erklären Sie doch bitte wer wen auspresst und wohin dieses Geld fliesst, also wer die Nutzniesser sind” – Wir übernehmen Garantien und die Banken freuen sich :).
“Bisher hat der Euro nur Hass und Misstrauen geschaffen, Euro-Bonds werden dies verstärken.” Was soll das bedeuten und wieso schafft eine Währung Hass und Misstrauen?” Schauen sie in den Süden, überall Frieden, oder wie? Genau!
“Ihre Sicht zu Nehmerländern und Euro-Bonds erklären sie leider auch nicht weiter.” Ich weiß nicht wie oft ich hier im Blog auf Euro-Bonds und die Probleme damit eingehe. Nur kurz angeschnitten: Gesetze sind heute nichts mehr wert, siehe Eurorettung der letzten Jahre. Warum sollen bei den Bonds plötzlich alle Gesetze wieder respektiert werden? Jeder weiß, bei Euro-Bonds werden wieder Gesetze gebrochen werden. Wie sehen die Verträge zwischen Bürgern und Politik von 1999 aus? Genau. Von der dt. Verfassung, Steuerhoheit als elementares Stück der Demokratie ganz zu schweigen (Selbstbestimmung).
“Profitiert haben davon auch Vermögende in Deutschland” Aber die Politiker sagen doch, jeder hat vom Euro profitiert, ist das etwa eine Lüge?
“Beim Länderfinanzausgleich das gleiche Spiel” Den Finanzausgleich kann man auch noch ertragen, aber auf europäische Ebene nicht. Ich wähle nicht in Spanien noch sonst wo.
ebo
16. Januar 2013 @ 16:32
#otto Lesen Sie doch mal meinen Artikel “Vorsicht, mehr Europa”. Und den Europaparlamentsbericht zu Eurobonds. Link findet sich unter News & Updates. Danke.
Otto
16. Januar 2013 @ 14:14
Würde mir zwar einen etwas klareren Kurs von Merkel/Schäuble wünschen, aber alles in allem eine relativ solide Performance innerhalb der aktuellen unappetitlichen Gemengelage in Europa.
In diesen Abgrund geführt hat uns Kohl, nur was nützt die Erkenntnis jetzt noch? Müssen uns halt durchwurschteln mit der Euro-Mißgeburt und versuchen den Schaden fürs Land klein zu halten.
Im Rot/Grünen Lager scheinen mir die Stimmen, die nach Eurobonds blöken, auch auf verschämte Flüsterlautstärke geschrumpft zu sein… man will der Union den Weg zur absoluten Mehrheit im Herbst wohl nicht komplett ebnen.
ebo
16. Januar 2013 @ 14:19
@otto Verschämte Flüsterlautstärke, das ist genau das Problem. Wir brauchen in Deutschland eine echte, laut vernehmbare Debatte über Alternativen zum Kurs von Merkel/Schäuble. Denn die Mehrheit der Deutschen ist mit der Euro”rettung” überaus unzufrieden. Leider bietet die Opposition keine Alternativen, obwohl es daran gewiss nicht mangelt, wie dieser Post zeigen sollte…
Otto
16. Januar 2013 @ 16:19
Sie können ja mal bei der “überaus unzufriedenen Mehrheit” in Deutschland anklopfen und fragen, was die so von Eurobonds & Co. hält.
Jemand wie Sie fehlt noch in Steinbrücks kompetentem Beraterteam – der Fall unter die 20% muss kein Wunschtraum bleiben.
Im Übrigen, “keine Alternativen” ist das Credo der deutschen Europapolitik seit Jahrzehnten, eigentlich schon seit Kriegsende. Bis 1989 konnte man in der Ostpolitik noch halbwegs unterschiedliche Akzente setzen, aber seitdem der Sowjetrusse weg ist, fehlt selbst dieses Entertainment.
“Mehr Europa” wird im Parlament immer mit 90%+ durchgewunken. Denn “mehr Europa” ist immer gut. Und für den (cave! nicht-existenten) Fall, dass “mehr Europa” nicht in unserem Interesse ist, dann gilt: “Mehr Europa” ist unsere moralische Pflicht, denn da war ja mal was mit ‘nem Krieg…
Eigentlich also ein ziemlich simples Politikfeld.
Nur dass wir mittlerweile, nach ewigem “mehr Europa”, den Punkt erreicht haben, an dem unsere demokratische Grundordnung mit jedem weiteren Schritt Richtung “mehr Europa” fundamental erschüttert wird. Das Grundgesetz ist zwar dehnbar, aber allerspätestens bei echten Steuer- & Etatrechten o.ä. für die Straßburger Quasselbude wird es zur Makulatur.
Interessant wird sein, wie lange die deutsche Mentalität – kein Europaskeptizismus im Parlament (ausgenommen ein paar Kommunisten) – noch hält.
Weder Maastricht vor 20 Jahren noch die Ost-Erweiterung vor 10 Jahren sind von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen worden. War ja aber egal, repräsentative Demokratie und so.
Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht.
Schon bald, würd’ ich meinen. Schon bald.
Ben-Wa
16. Januar 2013 @ 12:11
Alles, was Sie, Herr Bronce vorschlagen, führt zur planwirtschaftlichen EUSSR.
Es ist vielmehr so, daß die verantwortlichen Politiker für den Euro vor Gericht gestellt gehören. Wegen Hochverrat!
Ich schlage Ihnen außerdem mal vor, Ihr Wunschdenken etwas zu zügeln und sich anzuschauen, was eigentlich eine Währung ist, und was aktuell passiert. Die österreichische Schule der Nationalökonomie erklärt es umfassend!
Europa steht vor dem Ende. Diese EU ebenfalls. Ich weine dem keine Träne nach. Ein Europa der friedlichen Nationalstaaten – das ist es, was Adenauer und de Gaulle wollten!
ebo
16. Januar 2013 @ 12:15
@Ben-Wa Dies nicht meine Vorschläge, sondern fundierte Ideen, die in Brüssel ganz offen diskutiert werden. Ihre heftige Reaktion zeigt, dass eine Debatte auch in Deutschland dringend nötig ist. Leider wird diese Debatte von der Bundesregierung nicht gefördert, um es milde auszudrücken…