“EUrope first”: Der neue Impf-Protektionismus

Brüssel will verhindern, dass Impfstoff aus EU-Produktion in Drittländer exportiert wird, solange bestehende Verträge nicht honoriert werden (wie bei AstraZeneca). Doch diese Art von Protektionismus hilft nicht aus der Misere.

Wie kann man AstraZeneca zwingen, seinen Vertrag mit der EU zu honorieren? In ihrer Not ist die Brüsseler EU-Kommission auf einen Trick verfallen: Export-Kontrollen und -Genehmigungen.

Dieser Kniff wurde schon einmal eingesetzt – zu Beginn der Coronakrise 2020. Damals ging es um medizinische Hilfsgüter und Schutzausrüstung. Nun geht es um Impfstoffe.

Brüssel will verhindern, dass das AstraZeneca-Vakzin aus den Werken in Belgien und Luxemburg nach Großbritannien exportiert wird. Da die britisch-schwedische Firma ihren Vertrag nicht honoriert, kann man das nachvollziehen.

Allerdings findet ein Großteil der Produktion bisher wohl in den beiden britischen Werken statt. Eine Exportkontrolle bringt deshalb wenig. Zudem behauptet die EU-Kommission, sie wolle nur in Ausnahmefällen Ausfuhren verbieten.

Es könne Fälle geben, “wo die Genehmigung des Exports nicht angeraten ist”, heißt es in Brüssel. Dies sei dann der Fall, wenn es “Ungereimtheiten” mit Blick auf die Impfstoff-Rahmenverträge gebe.

Doch was soll das heißen? Soll die “Exportbremse” schon ziehen, wenn in der EU Impfstoff-Knappheit herrscht? Oder erst dann, wenn die Probleme im belgischen Werk behoben sind?

Ein Euphemismus

Der neue “Transparenz-Mechanismus” erweist sich als stumpfes Schwert. Er ist zudem ein Euphemismus – denn die EU ist ja selbst nicht transparent. Sie legt nicht einmal die Verträge offen.

Dahinter steckt ein grundsätzliches Problem: Die internen Liefer- und Produktionsketten großer Konzerne lassen sich kaum überprüfen – und sie halten sich nicht an nationale Grenzen.

Brüssel wird daher größte Mühe haben, den Export bei AstraZeneca zu kontrollieren – oder die Produktion aus zwei britischen Werken nach Europa zu holen. Der Konzern ist für sie eine Blackbox.

Dies ist eine Folge der neoliberalen Globalisierung, die die EU selbst vehement vorangetrieben hat. Sie wird auch durch den Brexit nicht außer Kraft gesetzt. Das Prinzip “Haltet den Dieb” zieht nicht (mehr).

Der europäische Impf-Protektionismus (“Europe first”) scheitert aber noch an anderen Problemen. So fehlt für ein Exportverbot die Rechtsgrundlage. Im Vertrag mit AstraZeneca war davon – nach allem, was man weiß – nicht die Rede.

Und selbst wenn sich ein solches Verbot durchsetzen ließe: Es hätte verheerende Folgen für die EU und ihre Industrie.

Künftig würden innovative Firmen einen großen Bogen um Europa machen – aus Angst, bei nächster Gelegenheit zwangsverpflichtet zu werden und nicht mehr exportieren zu dürfen…

Siehe auch “Hilflos gegen Big Pharma”

P.S. Die Weltgesundheitsorganisation hat Ausfuhrbeschränkungen für Corona-Impfstoffe kritisiert. “Das ist ein Besorgnis erregender Trend”, sagte Mariangela Simao, zuständig für Medikamente und Impfstoffe. “Das ist weder der öffentlichen Gesundheit noch irgendeinem Land zuträglich.” Vielfach kämen Bestandteile von Impfstoffen aus mehreren Ländern. Solche Beschränkungen könnten am Ende für alle Länder Nachteile bringen.