Wie Juncker sich selbst dementiert
“Europa hält, was es verspricht”. Unter diesem Motto gab Kommissionschef Juncker eine seiner seltenen Pressekonferenzen in Brüssel. Dummerweise nahm er dabei einige seiner eigenen Versprechen zurück.
Mehr Demokratie, weniger Doppelarbeit – das hatte der Luxemburger bei seiner “State of the Union”-Rede im September 2017 angekündigt. Doch nun ist davon plötzlich keine Rede mehr.
Juncker ist zwar für europaweite Wahllisten, die die Demokratie voranbringen könnten – doch nach dem “Nein” des Europaparlaments will er sich dafür auch nicht mehr wirklich ins Zeug legen.
Juncker ist zwar für Spitzenkandidaten, mit denen die Bürger über den nächsten Kommissionschef mitbestimmen können. Doch einen “Automatismus” werde es nicht geben, relativiert er sein Versprechen.
Auch seine Idee, die Spitzen von EU-Kommission und Rat zusammenzulegen (“doppelte Präsidentschaft”), nimmt Juncker zurück. “Ich bin kein Träumer”, sagt er – bis zur Europawahl 2019 werde daraus wohl nichts mehr.
Offenbar nimmt der Kommissionschef wieder einmal Rücksicht auf Kanzlerin Merkel und andere Bremser im Rat, die allen demokratischen Reformen skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.
Dabei hätte er derlei Rücksichten nicht mehr nötig – schließlich will er nicht für eine zweite Amtszeit antreten. Doch statt für mehr Demokratie zu streiten, demontiert dementiert sich Juncker selbst.
Diesen Eindruck bestätigt auch Junckers Schweigen zur umstrittenen EU-Budgetreform. Statt selbst in den Ring zu steigen, schickt er Haushaltskommissar Oettinger vor, der neue Einschnitte verkünden durfte.
Merkels Mann in Brüssel agiert schon wie Junckers Vize…
Siehe auch “Das Problem mit den Spitzenkandidaten”
Dixie Chique
16. Februar 2018 @ 11:57
Governance beruht genau wie Nudging auf Manipulation.
Leute manipulieren zu wollen, ist schlicht und einfach unanständig.
Es zu tun, ist das Übertreten der berühmten roten Linie, in unserem Fall das Verlassen des Bodens der demokratischen Verfassung. Solche Akteure disqualifizieren sich dank des Internets irreversibel, egal, wer die offizielle Geschichtsschreibung beherrscht. Das ist tatsächlich modern.
Das einzig moderne an “Governance” sind hingegen die LED-Video-Walls, die selbst dem hinterletzten Lutschi eine 20 Meter hohe, leuchtend autoritäre Präsenz verleihen. Alles andere ist schon bei Machiavelli nachzulesen, also das faulige Gegenteil von modern.
Peter Nemschak
14. Februar 2018 @ 16:53
Die doppelte Präsidentschaft ist keine Lösung für den Mangel an Supranationalität: Die EU bräuchte einen eigenen Präsidenten, der, wenn er einmal gewählt ist, weitgehend von den Unwägbarkeiten nationaler Politik unabhängig ist. Sonst lässt sich der Konflikt zwischen intergouvernmentaler und supranationaler Governance nicht entschärfen. Diese Trennung wäre umso wichtiger für den Fall, dass in einem wichtigen Mitgliedsland EU-feindliche Kräfte das Sagen bekommen. Derzeit ist die EU zu stark dem Einfluss nationaler Politik ausgesetzt.
Dixie Chique
15. Februar 2018 @ 14:29
„Governance“.. noch so eine grob verfassungsfeindliche Vokabel aus dem Mont Pelerin Slang, die eigentlich die Unwort-des-Jahres-Jury beschäftigen müsste, wäre diese seit 2011 nicht selbst so unterwandert, Verzeihung, embedded.
Peter Nemschak
15. Februar 2018 @ 15:04
Was passt Ihnen nicht an diesem Begriff? Im modernen Staat erfolgt die Steuerung der Gesellschaft nicht ausschließlich durch Organe der Regierung sondern ist vielschichtig (NGOs, Vereine, Privatwirtschaft etc.).