Welcome im Wirtschaftskrieg
Erst TTIP, nun Apple: Zwischen der EU und den USA geht derzeit fast nichts mehr. Statt gemeinsam die globalen Standards für das 21. Jahrhundert zu setzen, eskaliert der Streit um Steuern.
[dropcap]S[/dropcap]o richtig warm geworden sind die Europäer nie mit Barack Obama. Der scheidende US-Präsident hatte andere Prioritäten – Asien war ihm wichtiger als der alte Kontinent.
Doch wenigstens bei Wirtschaftsthemen, so schien es, zogen die EU und die USA an einem Strang. Doch damit ist es nun wohl auch vorbei.
Statt gemeinsam die globalen Standards für das 21. Jahrhundert zu setzen, wie es geplant war, haben sich Europäer und Amerikaner heillos über das Freihandelsabkommen TTIP zerstritten.
„De facto“ gescheitert seien die Verhandlungen, tönt Bundeswirtschaftsminister Gabriel – schuld seien die USA.
Kurz danach kam der zweite Paukenschlag, diesmal aus Brüssel. Die mächtige Wettbewerbskommissarin Vestager hat dem US-Konzern Apple die Rekordsumme von bis zu 13 Milliarden Euro plus Zinsen aufgebrummt – so viel hat der iphone-Hersteller nach Vestagers Berechnungen zu wenig an Steuern in Irland bezahlt.
Damit brennt es nun gleich an zwei Fronten. Doch während die USA bei TTIP noch auf die EU-Kommission und Kanzlerin Merkel hoffen können, steuert der Fall Apple auf eine Eskalation zu.
Bereits am vergangenen Donnerstag hatte Washington vor der nun gefallenen Entscheidung gewarnt und mit „Konsequenzen“ gedroht.
Nach Vestagers Entscheidung legte die Obama-Administration jetzt noch einmal nach: “Das Vorgehen der EU-Kommission könnte ausländische Investitionen und das Wirtschaftsklima in Europa untergraben”, sagte ein Sprecher des US-Finanzministeriums.
Auch das Grundverständnis der transatlantischen Partnerschaft sei in Gefahr, warnte er.
Das „Grundverständnis der Partnerschaft“? Das sind starke Worte. Wenn sie ernst gemeint sind, könnte am Steuerstreit um Apple ein transatlantischer Wirtschaftskrieg entbrennen.
Im US-Senat wurde bereits diskutiert, europäische Firmen in den USA doppelt so hoch zu besteuern, also eine 100-prozentige Strafe zu verhängen.
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Winston
3. September 2016 @ 21:52
Also den USA mit seinem Handelsdefizit von ca. 400 Mrd. Protektionismus zu unterstellen ist schon starker Tobak. Möchte dann nicht wissen was China ist und im geringerem Ausmass auch Japan und Sudkorea die ihre Märkte praktisch vom Ausland abschotten. China ist durch ihren Protektionismus zu dem geworden was es heute ist, eine Weltmacht. Soll mal jemand versuchen ein Japanische oder Chinesisches Unternehmen zu übernehmen, ist praktisch unmöglich.
Claus
2. September 2016 @ 21:23
„Welcome im Wirtschaftskrieg“? Da ist das Apple-Thema allenfalls eine Marginalie. Und bei TTIP ging es nie um „globale Standards für das 21. Jahrhundert“, sondern um die schnöde Absicherung hegemonialer Wirtschaftsinteressen unserer transatlantischen Freunde. Das Thema „Wirtschaftskrieg“ wäre auch nicht komplett abgehandelt ohne die Causa VW und dem offensichtlichen Versuch der Zerschlagung des größten europäischen Automobilherstellers durch irre Milliarden-Schadensersatzforderungen aus USA im sogenannten Abgasskandal. Das Timing, unter dem die Sache aus dem Hut gezaubert wurde, spricht für sich. Wie auch die infantilen politischen Reaktion in Hannover, Berlin und Brüssel hierauf.
Skjumper
2. September 2016 @ 21:22
Apple wird so oder so nicht zahlen müssen. Das ganze wird noch viele Jahre diverse Gerichte beschäftigen und Anwälte reich machen. Am Ende wird Apple vermutlich an diverse Staaten Steuern nachzahlen, den größten Teil wohl in Irland. ABER:
Apple wird Irland anschließend auf Schadenersatz verklagen, und gewinnen da die Spielregeln NACHTRÄGLICH verändert wurden. Und Irland wird dann die komplette Summe, also mehr als Irland vom Kuchen bekam, an Apple zurückzahlen müssen.
Irland weiß daher schon warum es sich mit Händen und Füssen sträubt.
Was TTIP anbelangt: Da wird nichts vernünftiges mehr bei rauskommen. Die Schiedsgerichte sind in Europa politisch kaum mehr durchsetzbar, die Zugänglichkeit staatlicher Aufträge ist in den USA politisch nicht durchsetzbar, und damit sind die Hauptgimmicks für die Konzerne diesseits wie jenseits des Atlantik futsch.
Natürlich wird man noch geraumer Zeit weiterverhandeln, aber am Ende wird das eine Totgeburt.
Und schlecht ist das nicht. Schließlich läuft der Handel zwischen den Parteien auch so sehr gut. Und die sogenannten Synergieeffekte die man sich davon entspricht sind eh nur Stellenabbaueffekte und von daher ein zweischneidges Schwert. Zwar steigt das BIP, aber auch die Soziallasten der Staaten. Am Ende führt das nur dazu, dass weniger Leute mehr verdienen aber auch mehr Abgaben (Steuern) leisten müssen um diejenigen die keinen Job mehr haben mit durchzufüttern. Meines Erachtens nach eine relativ sinnentleerte Angelegenheit.
Bedenklich dagegen ist, dass der Protektionismus den @Peter Nemschak bereits ansprach in den nächsten paar Jahren wahrscheinlich auf dem Vormarsch sein wird.
Peter Nemschak
3. September 2016 @ 08:55
Genau deshalb muss Irland die EU klagen, um nicht schadenersatzpflichtig zu werden. Verliert Irland, was zu hoffen ist, kann sich Irland als Mitglied der EU darauf berufen, dass es sich an EU-Recht halten muss. Der Trumpsche oder Clintonsche Protektionismus würde im amerikanischen Kongress nicht unwidersprochen bleiben und von den Lobbies der multinationalen Konzerne heftig bekämpft werden. Wie immer wird die Suppe nicht so heiß gegessen werden wie sie vor den Augen der Wähler gekocht wurde
Peter Nemschak
2. September 2016 @ 20:49
Apple soll zahlen und TTIP nach den US-Wahlen weiter verhandelt werden.
mister-ede
2. September 2016 @ 19:30
Heißt das, Apple sollen die Steuern geschenkt werden und TTIP soll unterzeichnet werden? Glaube nicht, dass das gut wäre.
Ein Europäer
2. September 2016 @ 15:26
Ich habe das Gefühl der Herr Gabriel macht hier Wahlkampf.
Peter Nemschak
2. September 2016 @ 10:48
Die USA sollen den Mund nicht zu voll nehmen. Dazu ist der europäische Markt auch nach dem BREXIT einfach zu groß und interessant für sie. Besser, die Steuern der Konzerne fallen in Europa als in den USA an. Lange Zeit wollten die Europäer nicht wahrhaben, dass sich die geopolitische Lage seit Ende des Kalten Kriegs geändert hat. Der zweite Golfkrieg der USA 2003 wurde noch zu mehr als zwei Dritteln von den dummen Europäern finanziert. Die USA hätten sich ohnedies nicht aufhalten lassen und Europa hätte zig-Milliarden Euro in die gemeinsame Zukunft stecken können. Rein demografisch nähert sich das weiße, kulturell von Europa geprägte Amerika seinem Ende zu. Kein Wunder, dass die weißen Unterschichten zunehmend Identitäts- und Existenzängste bekommen, die von Glücksrittern wie Trump manipuliert werden. Der Protektionismus ist derzeit auf beiden Seiten des Atlantiks en vogue und erschwert die Verhandlungen über das TTIP. Beide US-Präsidentschaftskandidaten wollen vom Freihandel nichts wissen, von einer notwendigen Bildungsoffensive für benachteiligte Schichten auch nichts. Bildung verkauft sich auch in Europa schwerer als geschlossene Grenzen. So gesehen liegt der Grund für das Stocken der Verhandlungen gleichermaßen auf beiden Seiten des Atlantiks.
Winston
2. September 2016 @ 21:22
Glaube eher das hier Europa den Mund nicht zu voll nehmen sollte.
Es ist nicht Apples Schuld wenn die Irische Regierung und indirekt die EU-Kommission solche Steuerpraktiken geduldet hat und weiter duldet.
Die EU hat 2015 ein Handelsüberschuss ggü den USA von 122 Mrd. erzielt, 51 Mrd. alleine von Deutschland,dies entspricht 1/5 des gesamten deutschen Exportüberschuss. Nicht die USA ist von Europa abhängig sondern Europa ist von den USA abhängig, hauptsächlich Deutschland, also Ball flach halten.
Was die EU hier abzieht ist nur noch lächerlich. Gegen Apple vorgehen wegen Steuerdümpings und gleichzeitig das Steuerparadies schlechthin, Luxemburg, tolerieren, was für Hampelmänner.
Peter Nemschak
3. September 2016 @ 08:45
Ungefähr 15% des Außenhandels der EU sind mit den USA. Das ist nicht die Welt. Irland muss natürlich klagen, um nicht in den Geruch des mala fide gegenüber Apple zu kommen. Sollte die EU recht bekommen, wird das Thema zum Konflikt EU/USA. Sollte Trump Präsident werden, wäre das ein starker Anreiz für die EU, politische und militärische Selbstständigkeit zu entwickeln. Es ist höchst an der Zeit für die EU erwachsen zu werden und bei aller Sympathie für die USA mehr Äquidistanz zu den Weltmächten China, USA und Russland entwickeln.
Winston
3. September 2016 @ 21:22
@ Peter
Es doch genau so wie nach der Brexit Abstimmung, als Juncker, Schultz und einige Deutsche Politiker meinten UK zu drohen. :-)) Daraus wird nix werden.
Die USA sichert durch ihr Handelsdefizit von 122 Mrd. ggü der EU hundert tausende von Arbeitsplätze in der EU, hauptsächlich in Deutschland.
Apple hat doch nix regelwidriges getan, Apple hat nur das Irische Steuerrecht in Anspruch genommen. Der Ball liegt bei der Irischen Regierung und bei der EU die nix unternommen haben. Kommt es hart auf hart wird sich Apple auf das Irische Steuerrecht beziehen und dann fein raus sein. Setzt sich die EU in Irland durch, verliert Irland seine Ausländischen Investoren, die für Irland von systemischer Bedeutung sind und dann wird sich in der EU ein neuer Krisenherd eröffnen. Als ob es nicht schon genug Krisenherde in der EU geben würde.
Zudem würde sich die EU unglaubwürdig machen wenn sie gegen Irland vor geht und gegen Luxemburg nix unternehmen würde.