10 Gründe, warum wir keine deutsche Führung brauchen
Braucht Europa eine starke deutsche Hand? Diese Frage stellte mir die Redaktion von Funkhaus Europa (WDR) nach dem EU-Trip von Kanzlerin Merkel. Meine Antwort lautet Nein – hier zehn Gründe.
- Die deutsche Geschichte: Der 1. und 2. Weltkrieg und die Balkankriege haben gezeigt, wohin deutsche “Führung” führen kann. Die meisten Deutschen wollen daher davon auch nichts wissen.
- Die europäische Idee: Sie ist aus der Kriegserfahrung geboren – und zielte anfangs darauf ab, Deutschland klein zu halten. Wir wären doch verrückt, heute das genaue Gegenteil daraus zu machen!
- Die europäischen Regeln: Sie sehen gleiche Rechte für alle (noch) 28 EU-Staaten vor, keine deutsche Extrawurst. Die Geschäfte führt die EU-Kommission in Brüssel, nicht Berlin…
- Niemand hat uns beauftragt, Merkel hat kein Mandat: Es gibt keinen EU-Beschluss, Deutschland die Führung anzuvertrauen. Merkel ist dafür auch nicht gewählt worden.
- Die Deutschen wollen nicht führen – und zahlen. Eine echte deutsche Führung bringt Verantwortung und Kosten mit sich. Beides lehnen viele Deutsche ab; sie wollen lieber von der EU profitieren…
- Merkel hat keine Vision, oder die falsche. Bei ihrem EU-Trip hat es sich wieder gezeigt: Merkel lässt jede Perspektive für das Brexit-EUropa vermissen, sie möchte nur den Status Quo erhalten.
- Deutschland ist nicht unfehlbar. Ihre Fans tun immer so, als mache Merkel alles richtig. Dabei macht sie vieles falsch, in der Flüchtlingspolitik hat sie zuletzt selbst Fehler eingeräumt…
- Frankreich, Italien und Polen sind auch noch da. Deutschland ist nicht stark genug, um zu “führen”. Frankreich und Italien bringen zusammen mehr Gewicht auf die Waage, Polen will auch mitreden.
- Die Briten haben es nicht gewollt: Der Brexit ist auch eine Antwort auf deutsche Alleingänge. Ex-Premier Cameron hat das “No” unter anderem auf Merkels Flüchtlingspolitik zurückgeführt…
- Europa ist nicht Amerika. “Leadership”-Ideen kommen oft aus Washington. Deutschland soll den Juniorpartner bei der Führung Europas geben. Doch das wollen nicht mal die Deutschen – siehe 1!
Siehe zu diesem Thema auch meine Beiträge zum Stichwort “deutsches Europa”
Ute Plass
5. September 2016 @ 09:28
“Eines gilt nach wie vor wie vor 360 Jahren: “Es ist ein mühsames Geschäft Menschen zu führen, vollends Narren oder Dummköpfe. Doppelten Verstand braucht man bei denen, die keinen haben” (Balthasar Gracian, um 1650).”
Ziemlich überheblich, was da ein Jesuit von sich gibt. Was mensch permanent braucht ist Aufklärung über Ver-führungsgelüste, die herrschen wollen.
Da halte ich es mit dem Denker u. Dichter Goethe: “Welche Regierung die beste sei? Diejenige, die uns lehrt, uns selbst zu regieren.” 🙂
Peter Nemschak
5. September 2016 @ 09:44
Der Lernfortschritt unserer Gesellschaft lässt nicht nur seit Goethe zu wünschen übrig. Jedenfalls ist er nicht linear in eine Richtung sondern gepflastert mit kräftigen Rückschlägen. Die zivilisatorische Patina ist dünn. Es würde mich interessieren, worauf Sie ihren Optimismus bezüglich des Fortschritts der menschlichen Gesellschaft gründen. Historisch gesehen ist Ihr Optimismus kontrafaktisch. Das bedeutet natürlich nicht, dass es zu jeder Zeit keine großartigen Menschen gegeben hätte.
Ute Plass
5. September 2016 @ 12:24
Denke, dass die Frauenbewegung doch so etwas wie “Lernfortschritte” für unsere Gesellschaft gebracht haben.
Dass die ‘zivilisatorische Patina dünn ist’, sehe ich auch so. Umso notwendiger, dass Aufklärung und Emanzipation ein immer währendes Projekt sind und bleiben.
Optimismus, im Sinne des Prinzip Hoffnung, findet sich in vielen gesellschaftlichen
Initiativen und Gruppierungen z.B. hier: http://www.futurzwei.org
oder hier: https://www.mehr-demokratie.de/demo_ttip_ceta.html
Peter Nemschak
4. September 2016 @ 09:56
Was ist an einer Führung Europas durch Frankreich und Italien besonders reizvoll? Frankreichs etatistische und zentralistische Mentalität haben das Land wirtschaftlich nicht an die Spitze geführt. Die soziale Integration der Migration verdient auch keine Lorbeeren. Italien ist seit dem Zweiten Weltkrieg unfähig sich politisch selbst zu führen und braucht dringend politische Reformen, im übrigen auch, was die Mentalität seiner Bürger im Verhältnis zu ihrem Staat betrifft. Was haben Sie grundsätzlich gegen Leadership? Leadership hat viele Facetten. Eines gilt nach wie vor wie vor 360 Jahren: “Es ist ein mühsames Geschäft Menschen zu führen, vollends Narren oder Dummköpfe. Doppelten Verstand braucht man bei denen, die keinen haben” (Balthasar Gracian, um 1650).