Was Altmaier verschweigt
Wirtschaftsminister Altmaier spielt sich gern zum EU-Handelsminister auf. Zu Beginn der Krise um US-Zölle flog er als erster nach Washington, noch vor EU-Kommissarin Malmström. Nun prescht er wieder vor – mit Halbwahrheiten.
Die EU solle den USA ein „konkretes Angebot“ im Handelsstreit vorlegen, sagte Altmaier. Man müsse weiter verhandeln, auch wenn Trump höhere Zölle verhängen sollte, forderte der CDU-Politiker.
Auf den ersten Blick kann sich Altmaier nun bestätigt fühlen – denn die Deadline wurde um einen Monat verlängert. Doch die EU muss jetzt unter Druck verhandeln, was ihre Position schwächt und die Unsicherheit vergrößert.
Das verschweigt Altmaier. Zudem geht er nonchalant darüber hinweg, dass sich die EU durch den chronischen deutschen Leistungsbilanzüberschuss (der auch gegen EU-Regeln verstößt) angreifbar gemacht hat.
Deutschland habe zwar einen Handelsbilanzüberschuss mit den USA, könne aber nicht versprechen, seine Exporte zu begrenzen, betonte Merkels wichtigster Vertrauter.
Das ist schon ziemlich dreist von Altmeier. Denn sein eigenes Haus, das BMWI, fördert Exporte in die USA mit den so genannten Hermesbürgschaften. Zitat von der BMWi-Website:
Die Bundesregierung sicherte 2016 deutsche Exporte in Höhe von 20,6 Milliarden Euro mit Exportkreditgarantien ab. Exporte in Schwellen- und Entwicklungsländer standen mit über 80 Prozent der in 2016 gewährten Hermesdeckungen im Zentrum der staatlichen Absicherung. Die größten Deckungsvolumina in 2016 entfielen auf Russland (3,8 Milliarden Euro), Ägypten (3,3 Milliarden Euro) und die Vereinigten Staaten (2 Milliarden Euro).
Die USA zählen also zu den drei Ländern, für die die größten Exportkreditgarantien abgegeben werden. Und diese Info kommt genau aus dem Ministerium, das Altmaier neuerdings leitet!
Warum kürzt er nicht einfach die Hermeskredite mit Ziel USA? Dann würden die deutschen Exporte automatisch sinken. Und der EU würde es leichter fallen, die Strafmaßnahmen der USA abzuwehren.
Doch das sagt Altmaier lieber nicht – denn es würde ja belegen, dass der deutsche „Überschusssünder“ seine Exporte sehr wohl begrenzen könnte. Stattdessen wird der Überschuss weiter gefördert…
Siehe auch „Deutschland ist größter Überschusssünder“ (von 2014!)
M Eibner
7. Mai 2018 @ 16:21
„Die größten Deckungsvolumina in 2016 entfielen auf Russland (3,8 Milliarden Euro), Ägypten (3,3 Milliarden Euro) und die Vereinigten Staaten (2 Milliarden Euro).“
Ein Stopp der Hermes Bürgschaften in Höhe von 2 Milliarden Euro soll also die Problematik der Handelsüberschüsse mit den USA lösen.
Geht es eigentlich noch schlichter?
Im Jahr 2017 wurden Waren im Umfang von über 100 Mrd. € in die USA exportiert und hier wird über Hermes Bürgschaften gesprochen?
ebo
7. Mai 2018 @ 16:40
@M.Eibner Es ging um die Behauptung von Minister Altmaier, er könne nicht garantieren, dass die Exporte sinken. Dabei täuscht er das Publikum darüber hinweg, dass sein eigenes Ministerium Exporte in die USA absichert und damit fördert. Entsprechend der Titel des Blogposts „Was Altmaier verschweigt“.
Peter Nemschak
1. Mai 2018 @ 11:01
Was haben Sie gegen den deutschen Exportüberschuss? Sollen doch die Defizitländer ihre Überschussnachfrage reduzieren. Letztlich muss auf Freihandel hingearbeitet werden. Europa darf durch Protektionismus keine Billiglohnzone werden, sondern muss durch Spitzenleistungen seinen Platz global sichern. Dazu bedarf es Mühe, Anstrengung und Bildung breiter Bevölkerungsschichten. Erstaunlich, wie sich in Europa Rechtsnationalisten und Linke die Hand geben, wenn es um Protektionismus geht. Wo ist die Internationale der Linken geblieben? TTIP wäre ein richtiger Ansatz. Gesellschaftspolitischer und wirtschaftspolitischer Liberalismus sind zwei Seiten derselben Medaille.
ebo
1. Mai 2018 @ 13:06
Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss verstößt gegen das Grundgesetz und gegen EU Regeln. Dennoch wird er von der Bundesregierung weiter gefördert. Altmaier sagt die Unwahrheit, wenn er behauptet, er könne nichts dagegen tun.
Peter Nemschak
1. Mai 2018 @ 16:41
Die Kürzung der Hermesdeckung würde dazu führen, dass private Kreditversicherer die Ausfallsbürgschaften verstärkt anbieten würden. Die USA könnten ihr Handelsdefizit dadurch reduzieren, dass ihre Bürger weniger konsumieren und mehr sparen – ein hoffnungsloses Unterfangen während der letzten Jahrzehnte, das Gegenstück zur Sparfreudigkeit der Deutschen.
Claus
2. Mai 2018 @ 09:11
@ebo, Grundgesetz: Es gibt das gesetzlich postulierte „Erfordernis des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“, allerdings sagt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in 2015 dazu: „Eine Verpflichtung des Gesetzgebers auf die Vornahme bestimmter finanzpolitischer Maßnahmen – etwa solche mit dem Ziel, die anhaltenden Leistungsbilanzüberschüsse abzuschmelzen – kann aus Art. 109 Abs. 2, 2. HS. GG (. . .) nicht abgeleitet werden.“
Man könnte in puncto Handelsbilanzüberschuss neben Hermes auch mal an den für Deutschland total unterbewerteten Euro, an das im Vergleich zu den Unternehmensgewinnen zu niedrige Lohnniveau und das TARGET II-Unwesen denken. Warum eigentlich finanziert Deutschland sein „Exportwunder“ mittels EZB und TARGET II selbst und bürgt auch noch dafür?
ebo
2. Mai 2018 @ 09:37
@Claus Völlig richtig. Wobei die Bundesregierung den Wechselkurs des Euro nicht beeinflussen kann, die Hermes-Bürgschaften aber sehr wohl. Außerdem könnte sie die staatlichen Investitionen ausweiten, um so die Binnennachfrage zu stärken und Importe zu begünstigen. Doch offenbar plant sie genau das Gegenteil – die Investitionen werden weiter gekürzt…
Claus
2. Mai 2018 @ 11:28
@ebo: „Wobei die Bundesregierung den Wechselkurs des Euro nicht beeinflussen kann.“
Völlig richtig, aber zeigt es doch auch, welche Steuerungselemente einer führenden Volkswirtschaft mit der Überstülpung des Euros abhanden gekommen sind.