Von der Leyen weicht Fragen nach deutscher Extrawurst aus
Hatte die Bundesregierung das Recht, sich Extra-Dosen des Impfstoffs von Biontech zu sichern? Kommissionschefin von der Leyen weicht dieser Frage aus. Die Impfstoff-Strategie der EU sei richtig und alternativlos.
“Ich bin der tiefen Überzeugung, dass dieser europäische Weg richtig ist und ich glaube, in der Rückschau wird sich das auch beweisen”, erklärte von der Leyen bei einer kurzfristig einberufenenen Pressekonferenz, bei der sie eine Nachbestellung bei Biontech/Pfizer ankündigte.
Zu den bisher bestellten 300 Millionen Impfdosen sollen noch einmal so viele hinzukommen. Damit wird die deutsche Firma Biontech zum absoluten Krisengewinner. Ein neues Werk in Koblenz ist durch die EU-Bestellung wohl schon mehr als ausgelastet.
Doch viele EU-Korrespondenten wollen sich damit nicht zufrieden geben. Sie fragen nach der Extrabestellung, die die Bundesregierung bei Biontech abgegeben hat. 30 Millionen Extra-Dosen hat sich Gesundheitsminister Spahn gesichert – über eine nationale Order.
Auch von Moderna soll Berlin mehr bekommen, als es ihm eigentlich zusteht.
Von der Leyen tat so, als wisse sie davon nichts. Alles laufe über gemeinsame EU-Bestellungen, sagte die Parteifreundin von Spahn. Dies sei auch rechtlich so abgesichert. „As 27 we do this together, no member state is allowed to do that in parallel or to have a contract in parallel“.
Handelt Spahn also in einer rechtlichen Grauzone? Wir wissen es immer noch nicht – denn die EU-Kommission weigert sich weiter, alle Details offen zu legen…
Siehe auch Bestellt Brüssel zu wenig Impfstoff für Deutschland? Ganz im Gegenteil!
P.S. Nun beginnt auch der “Spiegel” umzudenken. Nachdem er zunächst behauptet hatte, Deutschland sei von der EU übervorteilt worden, berichtet er in seiner neuen Ausgabe von den Sonderlieferungen, die sich Berlin gesichert hat. Offenbar gab es dabei massive Proteste anderer EU-Staaten – doch auch dazu schweigt von der Leyen…
Kleopatra
9. Januar 2021 @ 09:27
Klar ist meiner Meinung nach, dass jeder EU-Mitgliedstaat das Recht hat, Arzneien oder Impfstoffe zu kaufen. Die Zuständigkeiten der EU auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik sind mehr als beschränkt. Selbst dass es eine Zulassungsbehörde für die gesamte EU gibt, hat eigentlich nur den Zweck, den innergemeinschaftlichen Handel mit Arzneimitteln zu ermöglichen. Ich halte es für ausgeschlossen, dass innerhalb weniger Monate und noch dazu ohne dass dies öffentlich bemerkt worden wäre, eine Regelung auf der Ebene des Unionsrechts getroffen werden könnte, die für den Spezialfall dieser konkreten Krankheit die Beschaffung von Impfstoffen der Kommission vorbehält. UvdL ist bekanntlich keine Juristin, sondern im Zivilberuf Ärztin, und deshalb hat sie wahrscheinlich Schwierigkeiten, zwischen unverbindlichen Absprachen und verbindlichen, ggf. einklagbaren Verträgen zu unterscheiden (falls sie zur Zulässigkeit nur die oben zitierte Bemerkung gemacht hat, ist ohnehin nicht klar, welchen rechtlichen Status das haben soll und ob sie nicht letztlich sich nur auf eine lediglich moralisch bindende Abmachung beruft). Aber selbst wenn es eine einklagbare Festlegung geben sollte, könnte spätestens seit eine gewissen Artikel in der Bild kein deutscher Politiker es sich mehr leisten, Impfstoffe nicht auch in großem Stil an der Kommission vorbei zu ordern. Wer aus Rücksicht auf die EU darauf verzichten wollte, würde nicht nur in Deutschland hinweggefegt, sondern er würde den größten Teil der Sympathie zerstören, die die EU in Deutschland noch genießt.
ebo
9. Januar 2021 @ 12:19
Das she ich auch so. Die entscheidende Frage ist hier aber, wie und wann die Entscheidung zustande kam, die Bestellungen gemeinsam vorzunehmen. Wenn es stimmt, was von der Leyen sagt, dass es eine rechtliche Verpflichtung gab, über die EU zu bestellen, dann war Spahns Vorgehen illegal. Leider weigern sich die Beteiligten, alle Details offenzulegen…
European
9. Januar 2021 @ 14:10
Ich möchte gern auf einen anderen Tatbestand hinweisen, der sich eher unter dem Radar abspielt. Die Nachricht ist vom 31. Dezember, aber offensichtlich hat kaum jemand etwas davon mitbekommen. Man sollte mal genau hinsehen, wer eigentlich die Versuchskaninchen für den Impfstoff waren und was daraus folgt.
https://www.cbsnews.com/news/covid-19-vaccine-distribution-poor-countries/?fbclid=IwAR3gMnVgVAqEjz40AcT8iHoFH1ZwRu3XCP0gO4bLMd-zo3Tfd-FK5Qmgu0I
“Thousands of volunteers from low-income nations in Africa helped to develop several vaccines during trials. Despite that, new research suggests wealthy countries have snapped up more than half of the doses from the leading vaccines while only representing 14% of the world’s population.”
und hier:
“What we are headed for right now is a scenario where the frontline health care workers in Ethiopia will still be waiting to be vaccinated, even after all the 20-year-olds in the U.S. have been vaccinated. And that is an unacceptable scenario,” said Andrea Taylor, Duke University’s lead researcher into global vaccine distribution.”
Bei aller Aufregung um Bestellung, Verteilung und Organisation dürfen wir diese Länder nicht hintenan stellen. Ich höre aber nichts von unseren Politikern, dass wir auf eine weltweite und gerechte Verteilung hinarbeiten. Macron hat das mal erwähnt, aber ansonsten hört man davon nichts, was ich persönlich beschämend finde. Gerade der afrikanische Kontinent hat sehr negative Erfahrungen mit nördlichen Ärzten gemacht. Wenn also dort schon Menschen sich als Versuchskaninchen hergeben, dann ist es unsere Aufgabe, dass ihre Länder entsprechend unterstützt werden und nicht erst am Ende drankommen.
My2cents dazu.