Der Trump-Schock, die Corona-Rezession – und Le Pens späte Einsicht

Die Watchlist EUropa vom 08. Januar 2020 –

Josep Borrell traute seinen Augen nicht. „Dies ist nicht Amerika“, twitterte der EU-Außenbeauftragte in der Chaos-Nacht von Washington. Auch Ratspräsident Charles Michel war fassungslos. “Die Szenen von heute Nacht zu beobachten, ist ein Schock”, schrieb der Belgier.

Der „Tempel der Demokratie“ (der US-Kongress) dürfe nicht angetastet werden, so Michel. Dass es doch geschah, sogar mit Rückendeckung von Noch-Präsident Donald Trump, ist für viele EU-Politiker ein traumatisches Erlebnis. Der Sturm auf das Kapitol hat ihr Amerika-Bild angekratzt.

Eine Störung der Demokratie kommt darin – jedenfalls bisher – nicht vor. So betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch in der Krawallnacht, sie glaube “an die Stärke der US-Institutionen und der Demokratie“. Ähnlich äußerten sich viele andere EU-Politiker.

Auch dass Trump den Aufstand vom Weißen Haus aus steuerte, ist ein Schock. Bisher kamen Fake News und Desinformation nach Angaben der EU-Kommission nur aus dem Kreml in Moskau. Nun müssen die EU-Strategen umdenken – auch der US-Präsident kann Lügen verbreiten und Unruhe stiften.

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Die größten Sorgen macht man sich in Brüssel aber um Trumps Amtsnachfolger Joe Biden. Die EU hat Biden bereits zu einem virtuellen Gipfeltreffen eingeladen und eine umfangreiche Agenda aufgesetzt. Von der Leyen und Borrell hoffen auf eine neue Ära transatlantischer Freundschaft.

Doch nun ist fraglich geworden, ob Biden überhaupt Zeit finden wird, sich mit Europa zu beschäftigen. Wenn sich die Krise in den USA nicht beruhigt, könnte der nächste US-Präsident gezwungen sein, sich auf die Innenpolitik zu konzentrieren und die Wunden der Trump-Ära zu heilen.

Die EU würde dann nur noch die zweite Geige spielen, wenn überhaupt. Schon jetzt gehen Diplomaten in Brüssel davon aus, dass sich auch der Neue im Weißen Haus vor allem auf China konzentrieren wird – genau wie Trump. Die Europäer werden um den erhofften Neustart kämpfen müssen.

Zunächst muß die EU aber in den eigenen Reihen aufräumen. Polen, Ungarn, Tschechien und Slowenien hatten Trump bis zuletzt die Stange gehalten. Nun müssen auch sie von ihrem amerikanischen Idol Abschied nehmen. Die Chaosnacht von Washington sollte das Umdenken erleichtern, oder?

Siehe auch “Trump lügt – doch Brüssel zeigt mit dem Finger auf Putin”

Watchlist

Wagt das Europaparlament den Aufstand gegen die EU-Kommission? Diese Frage stellt sich, nachdem Gesundheitskommissarin Kyriakides am Donnerstag in einer Parlaments-Anhörung erneut die Offenlegung der Verträge mit Impfherstellern verweigert hat. Dies stieß quer durch alle Fraktionen auf scharfe Kritik. Empörend ist allerdings auch, dass die Brüsseler Behörde stur an ihrem gescheiterten Kurs im Kampf gegen die Pandemie festhält – trotz neuer Warnungen der WHO vor einem Kontrollverlust in EUropa.

Was fehlt

Die neue Rezession in der Eurozone. Nach Angaben der Europäischen Zentralbank ist die Wirtschaftsleistung im Schlussquartal des vergangenen Jahres geschrumpft. Die jüngsten Daten und eigene Wirtschaftsprognosen deuteten darauf hin, dass die kurzfristigen ökonomischen Folgen der Pandemie stärker ausfallen werden als bisher angenommen. Die EZB hat bereits mit einem neuen Anleihekaufprogramm gegengesteuert. Die EU tut noch nichts – ihr “historischer” Corona-Aufbauplan läuft erst in einigen Monaten an…

Das Letzte

Es hat lange gedauert. Doch nun hat auch die Führerin des französischen Rassemblement National, Marine Le Pen, den Sieg von Joe Biden bei der US-Wahl anerkannt. „Wir haben das Recht, das Ergebnis einer Wahl vor den Gerichten anzufechten”, erklärte Le Pen. “Aber von dem Moment an, wenn die Rechtsmittel erschöpft sind, müssen wir den demokratischen Prozess respektieren, [Trumps] Niederlage und den Sieg von Joe Biden anerkennen.“ Zugöleich verurteilte sie die Gewalt der Trump-Anhänger am Capitol Hill…