Völlig losgelöst

Der Buba-Chef verhagelt den Euro-Rettern die gute Laune

Die EU möchte die Eurokrise endlich abhaken. Beim Frühjahrsgipfel in Brüssel soll es dazu keine neuen Beschlüsse geben. Dabei kocht hinter den Kulissen gerade der Streit zwischen Bundesbank und EZB hoch, Spanien wankt, Portugal ächzt, und im Bankensektor droht wegen der EZB-Geldschwemme eine Blase. Auch wichtige außenpolitische Themen wie der Iran und die neue Ölkrise lassen die Chefs aus – das Raumschiff Brüssel ist mal wieder völlig losgelöst.

“Der Gipfel sollte mit weniger Drama einhergehen als die bisherigen Gipfel, etwas weniger Drama kann nicht schaden”, sagt EU-Kommissionschef Barroso. Klingt gut, ist aber ziemlich daneben. Denn zum einen ist die scheinbare Ruhe Folge eines innenpolitischen Krachs in Berlin – Kanzlerin Merkel wollte partout nicht über die Aufstockung des Euro-Rettungsschrms ESM sprechen, Ratspräsident Van Rompuy strich das Thema deshalb von der Tagesordnung.

Zum anderen spielt sich das Drama nun hinter den Kulissen ab. Während die Öffentlichkeit mit einer unverbindlichen Debatte über eine neue „Wachstumsstrategie“ beruhigt wird, stellen die Chefs die Weichen für noch mehr Sparen und Schrumpfen – am Freitag wollen sie endültig den Fiskalpakt unterschreiben. Und während die Eurokrise offiziell abgehakt wird, läuft in Wahrheit fast alles schief.

Derzeit wanken nicht nur alle drei Säulen der „Rettungs“-Strategie, wie ich bereits gestern in diesem Blog geschrieben habe. Es gibt auch massiven Streit zwischen der Bundesbank und der EZB über das so genannte Target II-System. Wie die FAZ berichtet, fordert Buba-Chef Weidmann – ein Merkel-Intimus – in einem Brief an EZB-Chef Draghi, zu den Sicherheitsregeln zurückzukehren, die vor der Schuldenkrise galten. In Frankfurt seien bereits Forderungen von rund 500 Mrd. Euro gegen die Euro-Krisenstaaten aufgelaufen, das könne so nicht weitergehen.

Doch weil es um die “unabhängige” EZB geht, ist dies beim EU-Gipfel ebensowenig Thema wie die riesige Geldblase, mit der Draghi die Banken im Eurosystem über Wasser hält (während die Staaten kurzgehalten werden). Und weil Merkel allen EU-Chefs gute Laune verordnet hat, wird man wohl auch nicht darüber sprechen, dass Spanien gerade abstürzt, dass Portugal wohl ein neues Hilfspaket braucht und dass die Umschuldung Griechenlands stockt. Wie „Le Monde“ meldet, planen Anleger dazu sogar ein Geheimtreffen.

Lange kann das nicht mehr so weitergehen. Schon seit Monaten verdrängt die EU die eigentlichen Probleme; schon seit Wochen zwingt Merkel der Eurogruppe Scheinlösungen wie den Fiskalpakt auf, um in Berlin unpopuläre Entscheidungen (größerer Rettungsschirm, Schuldentilgungsfonds, Eurobonds etc.) zu vermeiden. Irgendwann wird die Realität jedoch selbst den schönsten EU-Gipfel einholen.

Doch dann ist es möglicherweise schon zu spät… 

 

 

P.S. Übrigens wäre es gar nicht so schwer, den Gipfel wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen. Es würde völlig ausreichen, die Entscheidung über den ohnehin unnützen Fiskalpakt zu vertagen und so lange offen zu halten, bis alle anderen strittigen Fragen geklärt sind, z.B. die Größe des Rettungsschirms ESM. Doch das würde den Mut erfordern, sich Merkel zu widersetzen – und den hat offenbar nicht einmal “Mighty Monti”…

 

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