Vergiftete Beziehungen

Was bleibt von der EU-Politik der letzten Woche? Vor allem der deutsch-russische Scherbenhaufen nach dem Giftanschlag auf Nawalny. Aber da war auch noch der politische Anschlag der USA auf den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag – und der neue Tiefpunkt in den Beziehungen zu UK.

Alle reden von Nawalny bzw. Putin. Im Europaparlament fordert eine bunte, von deutschen Grünen geführte Allianz, den russischen Zaren dort zu strafen, wo es angeblich am meisten weh tut: bei der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream II.

Doch ein Ende des Projekts würde zuallererst Kanzlerin Merkel und Deutschland treffen. Merkel hat Nord Stream zur Chefsache gemacht, seit die USA sich in die deutsche Energiepolitik einmischen und mit Sanktionen drohen.

Deshalb versucht die Kanzlerin gemeinsam mit ihrem Außenminister Maas, den Ball an die EU weiterzuspielen. In Brüssel hat man es aber nicht eilig. Erst Ende September dürfte sich zeigen, ob es neue Sanktionen geben wird.

Vergiftet sind die Beziehungen auch zu den USA. Die wollen den Strafgerichtshof in Den Haag mit Sanktionen belegen. Damit greifen sie die internationale Rechtsordnung an – ein mindestens ebenso schwerer “Anschlag” auf “den Westen” wie der Fall Nawalny.

Doch da fällt die Reaktion aus Berlin und Brüssel ziemlich kleinlaut aus. Die Maßnahmen seien inakzeptabel und müssten überdacht werden, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Das war’s. Vom deutschen EUVorsitz in Berlin haben wir gar nichts gehört.

Merkel schweigt auch zum türkischen Säbelrasseln im Mittelmeer. Eine hetzerische Rede von Sultan Erdogan, in der er vom “Kampf” mit Griechenland und türkischen “Märtyrern” schwadronierte, quittierte sie mit einem Telefonat mit ihrem schwierigen “Partner”.

Und dann waren da noch die Post-Brexit-Verhandlungen. Sie sind auf dem Tiefpunkt angelangt – Brüssel und London machen sich mittlerweile wechselseitig Vorwürfe, beide Seiten stellen sich auf einen harten Bruch ein – mit allen Folgen für die Wirtschaft.

Auch hier vermissen wir ein klärendes Wort des deutschen Vorsitzes…

Siehe auch Trump, Putin, Erdogan: Alle erhöhen den Druck und “Transatlantisches Debakel unter deutscher Führung”

P.S. Maas macht mobil: “Wenn es in den nächsten Tagen auf der russischen Seite keine Beiträge zur Aufklärung des Angriffs auf Herrn #Nawalny gibt, werden wir mit unseren Partnern über eine Antwort beraten müssen. Der Anschlag ist ein schwerer Verstoß gegen internationales Recht.” Wann geht er ebenso energisch gegen die Türkei oder Saudi-Arabien vor?