Post-Brexit: Das Ende des Freihandels?
Auch die vierte Verhandlungsrunde zwischen der EU und UK hat kaum Fortschritte gebracht. Nun steuere man auf einen chaotischen “No Deal” zu, fürchten viele. Doch es gibt noch eine Alternative: das Ende des Freihandels.
Bisher reden EU-Chefunterhändler Barnier und sein britischer Counterpart Frost über ein Freihandelsabkommen. Keine Zölle, keine Quoten, so das Ziel. Aber das muß nicht das letzte Wort sein. Premier Johnson könnte Zölle auf einige britische Waren akzeptieren, um die Blockade in den Verhandlungen über ein Handelsabkommen zu überwinden, berichtete die “Daily Mail”.
Demnach würde die Regierung in London eng begrenzte Zölle hinnehmen, falls die EU ihre Forderung aufgebe, dass Großbritannien sich auch nach dem Brexit an Regeln der Gemeinschaft halte.
Barnier sei davon nicht begeistert, schreibt das Blatt. Denn die EU möchte erreichen, dass ihre Regeln für den Handel, aber auch für Umwelt und Soziales, weiter gelten – unbefristet, mit EuGH-Kontrolle.
“Level playing field” heißt das im Brüsseler Jargon. Für Johnson und Frost war diese Vorgabe von Anfang an eine Zumutung. Nun könnte sie fallen – genau wie der schrankenlose Freihandel mit UK.
In Berlin scheint man sich langsam an diesen Gedanken zu gewöhnen. “Es wird trotz Coronakrise kein „Null Zölle, Null Quoten“ Handelsabkommen und keine Verlängerung geben”, meint M. Berger, Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Auch die grüne Bundestagsabgeordnete F. Brantner denkt schon weiter: “Barnier muss jetzt aufzeigen, was ein Brexit dann bedeutet: Zölle, Quoten, Tarife und der Schutz europäischer Standards”, schrieb sie auf Twitter.
Doch dazu war er bisher nicht bereit. Denn es würde ja bedeuten, dass die EU-Strategie gescheitert ist. Bisher beruht sie auf dem neoliberalen Dogma des Freihandels – nicht nur in UK, sondern auch mit den Mercosur-Staaten und vielen anderen…
Siehe auch “Johnson fordert von der Leyen heraus”
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Watchlist
Kommt es zu einer Waffenruhe in Libyen? Ägyptens Präsident Al-Sisi kündigte eine solche Initiative nach Gesprächen mit General Haftar an. Bei den Gesprächen war aber kein Vertreter der international anerkannten Regierung von Ministerpräsident Al-Sarradsch anwesend. Deshalb ist unklar, ob es tatsächlich zu einer Waffenruhe kommt. Zuletzt hatte Haftar an Boden verloren; Al-Sarradsch und seine türkischen Verbündeten verspüren Aufwind. Eigentlich war eine Waffenruhe schon im Januar in Berlin vereinbart worden, doch niemand hält sich an die Absprachen mit Kanzlerin Merkel…
Was fehlt
Die neuen Bootsflüchtlinge in Malta. Nach mehr als 40 Tagen an Bord gecharterter Boote hat Maltas Regierung eine Kehrtwende vollzogen und mehr als 400 Migranten in der Nacht zum Sonntag an Land gehen lassen. Malta sei nicht bereit, “das Leben der Migranten oder der Besatzung wegen mangelnder Solidarität der EU-Mitgliedstaaten zu gefährden”, teilte die Regierung mit. Die EU hat immer noch keinen festen Verteilerschlüssel für Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer; auch die eigentliche im April geplante Reform des Asyrechts lässt auf sich warten.
Das Letzte
Nicht Deutschland ist auf Südeuropa zugegangen, sondern Italien und Spanien haben sich von Kanzlerin Merkel über den Tisch ziehen lassen: Das meint der frühere griechische Finanzminister Varoufakis. “Merkel hat die Eurobonds begraben und den Sargdeckel geschlossen”, sagte er dem ZDF. “Nun werden Länder wie Italien, Spanien oder Griechenland gezwungen sein, entweder auf den Märkten oder beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Schulden aufzunehmen.” – Mehr hier
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Peter Nemschak
9. Juni 2020 @ 18:05
@Georg Soltau Warum sollen Staaten nicht ihre Interessen verfolgen ? Alles andere wäre widersinnig.
ebo
9. Juni 2020 @ 18:27
Dieses Argument bringen Sie immer wieder. Es ist nicht verkehrt, doch die zentale Frage ist, wie diese nationalen Interessen artikuliert werden: Gegen andere Staaten (also nationalistisch), mit anderen Staaten im Rahmen der EU (à la Visegrad oder Hanseatische Liga), auf EU-Ebene (z.b. im Rat) oder sogar auf internationalem Parkett, etwa unter Uno-Vermittlung oder im Rahmen von WTO, WHO etc. Das macht einen Riesen-Unterschied!
Georg Soltau
10. Juni 2020 @ 14:44
Hallo Herr Nemschak, das klingt ja schon etwas anders ! natürlich sollen Staaten ihre Interessen verfolgen, warum bringen Sie es denn nicht auch entsprechend zum Ausdruck ?
Claus Hiller
8. Juni 2020 @ 16:26
Ich lese: “Barnier sei davon nicht begeistert, schreibt das Blatt. Denn die EU möchte erreichen, dass ihre Regeln für den Handel, aber auch für Umwelt und Soziales, weiter gelten – unbefristet, mit EuGH-Kontrolle.”
Da fehlt dann wohl nur noch der Fortbestand der EU-Niederlassungsfreiheit in UK, den Herr Barnier vergaß zu fordern. Warum sollten die Briten dann durch das Brexit-Theater gegangen sein, und welcher britische Brexit-Verhandlungsführer sollte ein „Verhandlungsergebnis” nach dem Geschmack von Herrn Barnier den Briten verkaufen? No Way!
Gehen die EU-Verhandler mit ihren Forderungen den Briten weiter auf die Nerven, könnte Johnson sein UK als Steuerparadies weiterentwickeln, was er möglicherweise ohnehin vorhat.
European
8. Juni 2020 @ 18:38
Ich bin eigentlich ganz froh, dass Johnson und seine Agenda in der EU auf Granit beißen. We can have the cake AND eat it? Die selbstgefällige Arroganz der Imperialisten ist hier kaum noch auszuhalten.
Es hat nie eine Brexit-Agenda gegeben, von daher wird m.E. ein No-Deal-Szenario bewusst angestrebt.
Summerhill
8. Juni 2020 @ 10:32
Die angeblichen Segnungen des Freihandels sind ja leider nur ein zwar hübsches, aber am Ende eben doch grausames Märchen…
https://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/ttip/
https://www.welt-sichten.org/artikel/1046/freihandel-hilft-den-armen-wenig
https://www.neues-deutschland.de/artikel/46099.freihandel-kein-allheilmittel-gegen-armut.html
XP Schlesinger
7. Juni 2020 @ 19:48
…
Der Binnenmarkt der EU basiert auf den drei Freiheiten, freier Verkehr von Kapital, Arbeitskräfte, Waren und Dienstleistungen. Dieser Binnenmarkt der EU wird von vielen immer noch gelobt. Mit dem freien Verkehr sei der Handel für alle einfacher geworden. Mit der Mitgliedschaft im Binnenmarkt der EU akzeptiert man aber auch den wirtschaftsliberalen Freihandel im extrem ungleichen Wettbewerb und gibt Kritik am Lohndumping auf. [3]
…
Die EU weitet den Freihandel mit unterlegenen Volkswirtschaften aus. Das heißt dass afrikanische und südamerikanische Niedriglohn-Länder und Hochlohn-Ländern aus der EU konkurrieren müssen. Als Folge drohen die unterlegenen Wirtschaftszweige und Einkommensschichten ihren Marktanteil gegenüber Importen zu verlieren und eine unausgeglichene Außenhandelsbilanz. Die Exportüberschüsse verdrängen in den Ländern mit Exportdefizit zusätzlich Arbeitsplätze. Da die hiesige Wirtschaft durch Importe ersetzt wird. Ein Handel mit EU Mitgliedsstaaten wäre auch nach einem Austritt noch möglich dann jedoch mit der Möglichkeit die eigene Wirtschaft zu schützen. [4] [5] [6]
…
https://einfache-standards.blogspot.com/2019/10/auenpolitik-linke-widerspruche-beim.html
Peter Nemschak
8. Juni 2020 @ 09:32
Wenn Europa machtpolitisch an der Spitze mit den USA und China mithalten will, muss es den Freihandel zu seinen Bedingungen gestalten. Dazu gehört neben bestimmten Schutzmechanismen gegen chinesischen Technologieeinfluss auch der Einbezug des rasch wachsenden afrikanischen Kontinents in den europäischen Wirtschaftsraum. Die anfängliche Begeisterung afrikanischer Staaten für die Chinesen hat mittlerweile einer gewissen Ernüchterung Platz gemacht. Um den Einbezug der asiatischen Staaten außerhalb Chinas sollten sich die USA wirtschaftlich aber auch politisch und militärisch verstärkt kümmern.
Georg Soltau
9. Juni 2020 @ 16:28
Was ist denn frei an einem Freihandel den Europa „zu seinen Bedingungen gestaltet“ ?….und wo das nicht klappt „sollten sich die USA ….. auch….militärisch verstärkt kümmern ? Ich finde diese Auffassung krank!
ebo
8. Juni 2020 @ 09:43
Es sind vier Freiheiten 🙂
Peter Nemschak
7. Juni 2020 @ 17:00
Die Einschränkung des Freihandels bedeutet Wohlstandsverluste vor allem für Entwicklungsländer, die bisher davon profitiert haben.