Macrons nächster Coup: EU-Mann Barnier soll es richten
Frankreichs Staatschef Macron hat den früheren EU-Kommissar Barnier zum Premier ernannt. Dennoch steht er weiter unter Druck.
Barnier war zuletzt in Brüssel für den Brexit – also den britischen EU-Austritt – zuständig. Den hat er gut gemanaged. Nun soll er die nächste Trennung heilen – die zwischen den Franzosen und ihrem selbstherrlichen Staatschef.
Dass das gelingt, ist zweifelhaft. Die Mehrheit der Bürger will von Macron nichts mehr wissen. Der liberale Politiker ist “toxisch” geworden – bei den vorgezogenen Neuwahlen im Sommer haben ihn sogar seine Parteifreunde gemieden.
Aus den Wahlen ging die vereinte Linke als Sieger hervor – Barnier gehört jedoch den rechten Republikanern an, die zu den Verlierern gehören. Über eine eigene Mehrheit verfügt er nicht, die Sozialisten sprechen von “Verweigerung der Demokratie”.
Immerhin bringen ihm viele Franzosen einen gewissen Respekt entgegen. Doch ob das reicht, um die Wunden der letzten Wochen zu heilen, bleibt abzuwarten. Seine Nominierung könnte auch neue Wunden aufreißen…
… und den Nationalisten in die Hände spielen. Nationalistenführerin Le Pen hat bereits angedeutet, dass sie Barnier dulden könnte – wenn der einen harten Rechtskurs fährt, etwa in der Asyl- und Migrationspolitik.
Wenn er dies nicht tut, droht ihm ein Misstrauensvotum – von rechts und links. Macron hat sich mit seinem Coup vielleicht ein wenig Luft verschafft, doch der ungeliebte Sonnenkönig steht weiter unter Druck!
Siehe auch “Aufstand gegen Macron” und “Migration: Barnier redet (fast) ein Brexiter”. Mehr zu Barnier hier
P.S. Ausgerechnet die Chefin des Europaparlaments, Metsola, hat Barnier als eine der ersten zur Nominierung gratuliert. Dabei wurden in Paris alle parlamentarischen Gepflogenheiten verletzt; Barnier hat sich nicht ‘mal einer Wahl gestellt. Aber das kennt man ja in Brüssel…
Stef
6. September 2024 @ 11:40
Dass Macron Barnier inthronisiert und dabei auf den LePen und ihre Partei zählt, zeigt mir vor allem eines: Im Zweifel sind dem Großkapital und seinen neoliberalen Handlangern die kapitalfreundlichen Faschisten noch immer näher als die nach Umverteilung strebenden Linken. Es hat sich wenig geändert. Macron will vor allem seine umstrittene Rentenreform, die er ohne Mehrheit und ohne dmokratisches Mandat dekretiert hat, über die Zeit retten.
Wie lange man solche Politik noch ohne zu erröten „demokratisch“ nennen will?
Arthur Dent
5. September 2024 @ 23:51
Nun, nach den Wahlen im Osten hat man eine neue Kategorie erfunden: Wahlsieger der demokratischen Mitte (die AfD hat wohl nur außer Konkurrenz teilgenommen). Die CDU hat sich „eingebrandmauert“ – wird schwierig, weil die mit kaum jemanden koalieren will, die anderen stehen nicht zur Verfügung. Sie überlegt jetzt, wie man gegen den Wählerwillen eine Regierung schmiedet. Aber alles muss demokratisch aussehen.
Helmut Höft
6. September 2024 @ 10:17
“eingebrandmauert” *lol* Geht in meine Sammlung ein, Thx!
Das wird noch spannend im Osten (und der Oberst a.D. Kieserich Rodewetter hat endlich seinen Krieg in Russland).
“Demokratische” Politniki @ work!
Michael
5. September 2024 @ 17:54
Ein Coup von Macron? Woher soll Barnier denn im Parlament eine Mehrheit bekommen, gegen die gewählte Mehrheit?
exKK
5. September 2024 @ 20:31
Mehrheiten sind obsolet geworden – es wird alles nur noch in Hinterzimmern ausgekungelt. Warum soll es in Paris anders laufen als in Brüssel (oder Berlin, wo inzwischen jedes, aber auch jedes Wahlversprechen in Nachtsitzungen oder in kleinen bis kleinsten Runden einiger weniger Ampelpolitiker gebrochen wurde).