Unsere Schulden-Kolonie
Neue Schikane für Athen: Das Reformprogramm muss nicht nur die Troika, sondern auch die Eurogruppe und dann noch den Bundestag passieren. Die Deutschen haben das letzte Wort – vor allem, wenn’s ums Geld geht.
Statt einer Story nur ein paar Fakten: Dass die Reformliste zwischen Athen und Brüssel hin- und herging, liegt daran, dass Griechen und EU-Kommission Angst vor einem Nein aus Berlin haben. Schreibt sogar SPON.
Bundesfinanzminister Schäuble kann die gesamte „Einigung“ im Schuldenstreit kippen, wenn ihm eine einzige Reform nicht passt. So etwas kannte man bisher nur aus Kolonien.
Danach kommt der Bundestag an die Reihe. Ein paar Hinterbänkler, aber auch prominente Abgeordnete haben schon angekündigt, dass sie die Griechen grillen wollen.
Lammert, Regling, Hoyer…überall Deutsche!
Außerdem lässt man sie schmoren: Bundestagspräsident Lammert will sich Zeit lassen. Nebenbei bestätigt er damit, wie willkürlich die Deadline 28.2. war (und das es ein Drei-Klassen-System der Parlamente gibt).
Wenn es dann – irgendwann – um die Auszahlungen der nächsten Kredittranche gehen sollte, kommt wieder ein Deutscher ins Spiel: ESM-Chef Regling darf den Scheck überweisen.
Regling kommt sogar nochmal zum Zuge: Geld, das bisher im griechischen Bankenhilfsfonds HFSF zur Verfügung steht, wird an den Rettungsfonds EFSF zurücküberwiesen. Regling soll es hüten wie seine Augäpfel.
Investitionen für Griechenland? NEIN!
Auch EIB-Chef Hoyer, ein FDP-Mann, darf mitmischen: Er bestimmt, ob neue Investitionen für Griechenland freigegeben werden. Die Antwort hat er schon gegeben – NEIN!
Bleibt das klitzekleine Problem, dass wir unsere Schulden-Kolonie irgendwie über Wasser halten müssen. Denn wenn sie pleite geht, sind, sind wir auch noch die größten Gläubiger!
P.S. Natürlich sind auch zwei Vertreter der Troika – pardon: der INSTITUTIONEN – Deutsche. Wen wundert es noch?
BenKlock
25. Februar 2015 @ 12:47
Wir geben denen doch unser Geld. Schikane ist etwas anderes. Die Griechen haben hundert mal bewiesen, dass sie nicht wirtschaftlich regieren können. Geld verprassen und drohen das können Sie. Wer etwas haben will, muss etwas geben. Das ist keine Schikane. Geld verschenken ist Utopie. Jeder Kreditnehmer muss Sicherheiten leisten.
System reset
25. Februar 2015 @ 01:30
Nun Fakt ist und bleibt das die Finanzierung durch eine massive Herausgabe von Staatsanleihen zusammen gekommen ist. Dies sind Schulden. Thema Schweiz ist das selbe. Die Schweiz hat in den letzten 20 Jahren die Staatsschulden verdoppelt. Alleine bei einer Großen Schweizer Bank wurden Bundesanleihen im Wert des 5x BIP der Schweiz ausgegeben. Das ist nur eine Bank! Es gibt keine Lösung solange hier kein Umdenken statt findet. Eine Regel beim lesen von Staatlichen Statistiken keine Regierung wird jemals offen zugeben das sie Mist gebaut hat.
winston
24. Februar 2015 @ 20:41
Die Ursache der Eurokrise sind nicht die Staatsschulden, das völliger Blödsinn, sondern die Auslandsschulden.
Irland und Spanien hatten vor der Eurokrise sehr tiefe Staatsschulden, viel tiefer als Deutschland.
Nemschak
25. Februar 2015 @ 07:09
….aber sehr hohe Privatschulden aus der Immobilienspekulation. Insgesamt war die Verschuldung sehr hoch und stark steigend. Mit Einführung des Euro sind die Zinsen in Spanien stark gesunken und viele Menschen, die es sich in Wahrheit nicht leisten konnten, haben sich Wohnungen und Häuser gekauft.
Stefan
24. Februar 2015 @ 20:06
“ Bleibt das klitzekleine Problem, dass wir unsere Schulden-Kolonie irgendwie über Wasser halten müssen. Denn wenn sie pleite geht, sind, sind wir auch noch die größten Gläubiger! “
Sehen Sie ebo, deshalb werden nie die Griechen die Gelackmeierten sein, sondern, solange es den Euro gibt, immer die Deutschen. Was nutzt es ihnen, wenn ihre Politiker in allen möglichen „Institutionen“ sitzen, aber schlussendlich jedes Mal den Schwanz einziehen (müssen), da sie ihrem Volk nicht eingestehen und vorrechnen wollen, dass die ganze Kohle weg ist? Richtig: nichts! Dann zahlen unsere Volksverräte lieber weiter und gaukeln dem deutschen Dumm-Michel vor, dass alles im grünen Bereich ist.
In dieser Konstellation ist immer der Gläubiger der Dumme. Damit das nicht so auffällt, wird den Deutschen von Schäuble regelmäßig ein riesiges Affentheater vorgespielt. Aber immer mit dem gleichen Ergebnis: Deutschland zahlt (weiter)!
Nemschak
24. Februar 2015 @ 17:49
@ebo …und was ist mit der Schweiz und Schweden?
ebo
24. Februar 2015 @ 18:15
Sind das Euro-Länder?
Nemschak
25. Februar 2015 @ 07:04
Schon vor Einführung des Euro gab es ein starkes Wohlstandsgefälle zwischen Ländern wie Schweiz, Schweden, Österreich, Holland, um nur einige zu nennen und Griechenland, auch zwischen Italien, vor allem Norditalien und Griechenland. Am Euro kann es wohl nicht gelegen sein. Warum sollte sich das jetzt ändern?
System reset
24. Februar 2015 @ 16:42
Wir sollten nicht vergessen wie es zu diesem Desaster gekommen ist. Die Menschen müssen erkennen das langfristig kein Staat seine Schulden tilgen kann. Jeder Mensch auf dieser Welt ist verschuldet bewusst oder unbewusst. Die Konzentration des Kapitals ergibt eine einseitige Kontrolle die Ihren Gewinn maximieren möchte und irgendwie müssen die Zinseszins Forderungen finanziert werden. Somit ist eine Tilgung unmöglich. Jeder der einen Taschenrechner bedienen kann wird zu diesem Resultat kommen. Die Geschichte der letzten 100 Jahre hat für diese Entwicklung nur ein Szenario bereit gestellt Krieg. Es ist eigentlich traurig das wir im 21 Jahrhundert es noch nicht kapiert haben das diese Doktrin nie einen Ausweg aufzeigen wird. Anderseits ist es faszinierend wie die Menschen eine Gleichgültigkeit entwickelt haben das ihr Profit aus der Ausbeutung wirtschaftlichen und sozialen schwachen Gesellschaft Strukturen finanziert wird. Die frage bleibt offen ob wir es jemals aus dieser Doktrin eine Lehre ziehen werden.
Tim
24. Februar 2015 @ 17:03
@ System reset
Aber natürlich ist es problemlos möglich, die Staatsverschuldung zu reduzieren. Das perfekte Beispiel ist ja (ausgerechnet!) Belgien, das noch Anfang der 90er kolossal verschuldet war und dann über einen langen Zeitraum nach und nach die Belastung drückte.
Auch die Schweiz und Schweden haben das in den letzten 15 Jahren gut gemacht.
Was man dafür allerdings braucht: Wähler, die seriöse Politik honorieren. Das sind leider seltene Wesen.
ebo
24. Februar 2015 @ 17:22
Du hast wirklich keine Ahnung. Belgiens Schuldenquote liegt bei 100%, die EU-Kommission denkt über ein Defizitverfahren nach. Wenn du diesen Blog wirklich lesen würdest, wüsstest Du auch, wie schlecht es Belgien geht – trotz toller „Wettbewerbsfähigkeit“ wandert die Autoindustrie ab (Stahl ist schon weg.) Rate mal, wo sie hingeht? Auf den größten Markt mit den mächtigsten Gewerkschaften…
Tim
24. Februar 2015 @ 17:33
@ ebo
Warum mußt Du mir eigentlich immer alle möglichen Falschaussagen unterschieben? Und dann natürlich noch ein aggressives „Du hast wirklich keine Ahnung“ hinterherschieben. Warum?
Vergleiche meine obige Aussage mit der Realität. Anfang der 90er lag Belgiens Schuldenquote bei 130% und sank dann bis 2008 auf 85%:
http://www.tradingeconomics.com/belgium/government-debt-to-gdp
Das war eine wirklich große Leistung. Von der Krise ist Belgien dann ebenso hart getroffen worden wie praktisch alle anderen auch.
Dachtest Du, die Euro-Krise macht vor Belgien Halt?
ebo
24. Februar 2015 @ 18:16
…und jetzt sind sie wieder bei 100 Prozent. Übrigens liegt auch Deutschland über der 60 Prozent-Schwelle, die Maastricht erlaubt.
Nemschak
24. Februar 2015 @ 15:36
@ebo auf 4 Monate Verlängerung wäre es nicht angekommen. Griechenland wollte ohne besondere Kontrolle und Einschränkung frei verfügen können. Das ist eine Illusion in seiner gegenwärtigen finanziellen Lage. Das gibt es nirgendwo auf der Welt.
ebo
24. Februar 2015 @ 16:21
Stimmt nicht, Athen wollte eine Überbrückung für 6 Monate, um danach ein neues, besseres Programm auszuhandeln. Einen Freibrief hat nicht mal die Linke gefordert 🙂
Nemschak
24. Februar 2015 @ 16:38
In der Zwischenzeit hätte das alte Programm weiterlaufen können. Auf 6 Monate wäre es nicht angekommen, da die geplanten Maßnahmen Zeit benötigen um zu greifen. Ein effektives Steuereinhebungssystem lässt sich nicht auf Knopfdruck aus dem Boden stampfen. Das inzwischen ausgehandelte Überbrückungsprogramm macht kurzfristig keinen Unterschied, hat aber den Griechen viel Good-Will bei den Partnern gekostet.
Tim
24. Februar 2015 @ 16:50
@ ebo
„besseres“ = laxeres 🙂
Im Grunde wollte Griechenland ja die Rezepte der spending frenzy von 2002-2008 wiederholen: mit Geld von draußen die Konjunktur drinnen künstlich anheizen.
Das wollten noch vor ein paar Monaten ja auch einige andere Mitglieder der Eurogruppe. Ich denke, einer der positiven Aspekte des Tsipras-Wahlsieges ist, daß dieses Rezept nun endlich als Scheinlösung diskreditiert ist.
popper
24. Februar 2015 @ 10:12
Also, wenn man die veröffentlichten Texte liest (z.B. im NewsBlog von Norbert Häring), dann klingt das alles doch ziemlich anders als Sie Eric es in der taz oder in ihrem Blog darstellen. Es ist wohl eher so, dass Schäuble gescheitert ist, bzw. nicht durchsetzen konnte und nicht Griechenlands Minister Varoufakis. Die Formulierungen wurden sehr zugunsten Griechenlands verändert.
Hier der Link dazu: http://www.norberthaering.de/index.php/de
Peter Nemschak
24. Februar 2015 @ 09:16
Wo ist die Schikane? Weltfremd.
Tim
24. Februar 2015 @ 09:58
@ Peter Nemschak
Ich werde meinen Geschäftspartnern künftig auch unsolidarische Schikane vorwerfen, wenn sie in Vertragsverhandlungen Forderungen stellen, die ich nicht gut finde.
ebo
24. Februar 2015 @ 11:11
Kein einziges Programmland wurde gezwungen, drei Wochen ach dem Regierungswechsel eine detaillierte Reformliste vorzulegen. Tsipras‘ Amtsvorgänger Samaras hat es in drei Jahren nicht geschafft. Behandelt man sogar befreundete „Partner“?
Tim
24. Februar 2015 @ 11:48
@ ebo
Der „befreundete Partner“, der vorher die eine oder andere Breitseite abfeuerte und mit gewissen Leuten aus dem Osten flirtete? Deine selektive Wahrnehmung möchte ich haben …
Nein, Griechenland muß sich jetzt entscheiden, was es künftig sein möchte: eine korrupte Agrargesellschaft oder ein Land mit Zukunft. Das Land hatte 15, eigentlich sogar 30 Jahre Zeit für eine Meinungsbildung. Meinst Du im Ernst, 4 weitere Monate würden den Unterschied machen?
Es geht ja auch nur vordergründig um ein konkretes Reformprogramm. In Wirklichkeit haben doch alle den Glauben daran verloren, daß Griechenland ernsthaft reformieren möchte. Darum will man jetzt eine Entscheidung erzwingen. Wer hat denn noch Lust auf dasselbe Theater Mitte 2015?
ebo
24. Februar 2015 @ 11:59
@Tim
Da stimme ich Dir ausdrücklich zu. Doch Schäuble und Co wollen und können Griechenland nicht in die Freiheit entlassen, das wäre zu teuer und könnte unangenehme Nebenwirkungen haben. Deshalb wird Athen nun die erste Schulden-Kolonie der Eurozone unter deutscher Führung…
Peter Nemschak
24. Februar 2015 @ 11:58
Das bisherige Programm hätte ohne Aufregung 4 Monate verlängert werden können bis ein neues ausgehandelt gewesen wäre: schon wieder eimal Schuldumkehr !
ebo
24. Februar 2015 @ 12:04
Sie vergessen, dass Athen und Brüssel etwas anderes wollten: einen anderen Kurs, ein Brücken-Programm mit neuen Schwerpunkten. Berlin hat dies erfolgreich verhindert, leider.
DerDicke
24. Februar 2015 @ 09:13
Kapiere wirklich nicht, warum die Griechen / die griechische Regierung sich das antun. Das Ausscheiden Griechenlands aus der Zone tut uns wesentlich mehr weh als denen…