Ukraine: Die Solidarität bröckelt, die Einheit auch
Nie sei man so einig gewesen wie angesichts des Ukraine-Kriegs, erklärte EU-Chefin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union. Doch hinter der Fassade bröckelt es gewaltig. Nicht nur Ungarn oder Polen stellen sich quer.
Bisher sah es so aus, als gebe es bei der Ukraine-Hilfe nur eine Richtung: immer mehr. Immer mehr Finanzspritzen aus Brüssel (heute wurden wieder 1,5 Mrd. Euro freigegeben), immer mehr Waffen, immer mehr Munition. Und natürlich immer mehr Solidarität.
Ausgerechnet Polen hat den Trend nun gebrochen. Der bisher engste und unverzichtbare Verbündete der Ukraine will oder kann nicht mehr (die Bestände an alten Sowjetwaffen sind erschöpft). Doch Polen ist nicht allein, bei weitem nicht.
Ungarn und Österreich schicken gar kein Kriegsgerät, die Slowakei steht auf der Kippe. Plötzlich ist Deutschland – das monatelang wegen angeblich zu geringer Waffenhilfe gemobbt wurde – der beste Freund der Ukraine.
Doch nachdem die USA klargemacht haben, dass sie vorerst keine ATACMS schicken wollen, dürfte auch der deutsche Taurus auf sich warten lassen. Zudem stellt sich Berlin neuerdings bei Finanzhilfen quer.
Für die Ukraine will Finanzminister Lindner zwar weiter Geld locker machen – nicht jedoch für die EU oder die Waffenbeschaffung durch Brüssel. Über den Nachschlag, den von der Leyen fordert, droht schwerer Streit.
Kniepig geben sich auch Österreich, die Niederlande und Schweden. Doch wie soll man den Bürgern verständlich machen, dass das Geld nach Kiew weiter fließt, während wichtige EU-Programme aus Geldmangel gekürzt werden müssen?
Massive Verteilungskämpfe
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Last but not least bröckelt auch die Zustimmung zu offenen Grenzen für die Ukraine. Polen wehrt sich nicht nur gegen die Agrarexporte, sondern auch gegen noch mehr Flüchtlinge aus Kiew. Auch hier ist Warschau nicht allein.
Mit jedem Tag, den die Flüchtlingskrise ungelöst bleibt, wird auch in Deutschland oder Frankreich die Solidarität bröckeln. Brüssel hat davor so große Angst, dass es mal eben den Schutzstatus für Ukrainer verlängert hat – bis 2025…
Letztlich steht auch der leichtfertig versprochene EU-Beitritt der Ukraine infrage. Denn der Krach wegen der Getreideexporte ist weit mehr als nur Wahlkampf-Geplänkel. Er ist ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt.
Die EU steht vor massiven Verteilungskämpfen, die weit über die Bauern hinaus gehen – und sich nicht mit ein paar Reförmchen à la QMV lösen lassen. Oder glaubt irgendjemand, dass Polen freiwillig seinen Status als größter Netto-Empfänger in der EU aufgibt?
P.S. In einem Interview mit dem “Guardian” hat EU-Chefdiplomat Borrell eingeräumt, dass die Migration eine “zersetzende Kraft für die EU” sein könne. Gleichzeitig behauptete er, Russland wolle die Flüchtlingskrise anheizen. Zu den ukrainischen Flüchtlingen, die die EU nun bis 2025 halten will, sagte er nichts…
european
23. September 2023 @ 13:07
Seymour Hersh meldet sich wieder zu Wort und da klingt das völlig anders
https://www.thegatewaypundit.com/2023/09/seymour-hersh-its-all-lies-war-is-russia/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=seymour-hersh-its-all-lies-war-is-russia
“The war is over. Russia has won. There is no Ukrainian offensive anymore, but the White House and the American media have to keep the lie going,“ a senior US intel official told Hersh. “The truth is if the Ukrainian army is ordered to continue the offensive, the army would mutiny. The soldiers aren’t willing to die any more, but this doesn’t fit the B.S. that is being authored by the Biden White House.”
Leider habe ich keine subscription bei Hersh on substack und kann auf keinen Originallink verweisen, aber vielleicht kann jemand anderes das überprüfen.
Thomas Damrau
23. September 2023 @ 11:30
Nebenbei: Unter dem Schutz des Kriegsgelärms plant die EU-Kommission von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet die Zulassung von Glyphosat um gleich 10 Jahre zu verlängern ( https://www.spektrum.de/news/wie-fachleute-eine-erneute-zulassung-von-glyphosat-beurteilen/2183442 ). Unabhängig davon, was man über Glyphosat denkt: In normalen Zeiten wäre das nicht so geräuschlos möglich.
Neben dem “Fog of war” gibt es auch eine “Distraction by war” – siehe auch Naomi Kleins “Schock-Strategie” ( https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Schock-Strategie )
ebo
23. September 2023 @ 11:39
Wir haben es im Newsletter kurz gemeldet – aber es stimmt: Es geht im Kriegslärm unter. Die Ankündigung wurde sogar vorgezogen, sie sollte eigentlich erst am Freitag kommen…
Robby
23. September 2023 @ 03:13
Die EU ist nicht die erste die an ihrer eigenen Hybris an Russland zerschellt.
Den süßen Heldentod für Uschi oder Joschi sterben?
No Way!
lilly
22. September 2023 @ 18:46
Berichtigung: dem chinesischen Vertreter (der im übrigen mehr China im Blick hat, die Bezeichnung “Kollege” im Zusammenhang mit Russland ist bei diesem Zweckbündnis wohl übertrieben)
lilly
22. September 2023 @ 18:38
Nun, es finden zahlreiche Wahlen statt – im Hinblick auf die neue Welle von Geflüchteten erlaubte sich CDU-Vorstandsmitglied Spahn, jetzt das berühmte Merkelwort abzuändern: “Wir schaffen das nicht mehr” (tagesschau.de) Faeser wirft dem vorgeschlagenen “Deutschlandpakt” der Union Populismus vor, nichtsdestotrotz reiste Steinmeier nach Italien und hört auch dort, was Spahn hier sagt. Flüchtlingsrouten (vormals Balkan) haben sich aufgrund der Schleueser-Organisationen geändert, eben über Polen dann auch weiter nach Berlin-Brandenburg, wo inzwischen stärker Grenzkontrollen vorgenommen werden.
Selenskyi aber ist nach wie vor auf Dauerwerbetour, man könnte meinen, er sei bereits Präsident der EUKO mit Sitz in Kiev, das Kriegsgeschehen hat er aber wohl weitgehend delegiert. Um ein paar osteuropäische Länder wegen der Getreide-Exporte vor die WTO zu zerren? Kein Wunder also, daß es vorgestern diese Aufregung von wegen der polnischen Waffenlieferungen gegeben hat.
Der deutsche Regierungssprecher Hebestreit zeigte sich übrigens erleichtert, daß der polnische Präsident das Mißverständnis aufgeklärt habe, auch auf tagesschau.de von heute.
Ginge es nach Selenskyi, so müßte Russland nicht nur den UN-Sicherheitsrat verlassen, sondern auch den Menschenrechtsrat, so jedenfalls der Vertreter vor Ort in Genf. Der russische Vertreter äußerte sich nicht zum heute vorgestellten Menschenrechtsbericht für Russland, sondern überließ das dem chinesischen Kollegen….. Dem Bericht zufolge hat sich die Menschenrechtssituation in Russland während des Kriegszustandes noch mal massiv verschlechtert, die Berichterstatterin spricht von einem “crack-down” der russischen Zivilgesellschaft, da Kritiker des Ukrainekrieges wie auch Menschenrechtler mit drakonischen Haftstrafen verurteilt werden. Etwa 20.000 Menschen wären wegen Kriegsprotesten bereits festgenommen worden. Eine solche Entwicklung war zu erwarten, nachdem Putin am Chef der Söldnertruppe W. ein drastisches Exempel für seinen Aufstand statuiert wurde. Die deutsche Botschafterin in Genf ist auch dafür, Russland aus dem Menschenrechtsrat zu werfen. Ob das eine kluge Idee ist? Wo sonst sollte denn Russland für seine Menschenrechtsverletzungen abgemahnt werden?
Derweil gab sich Deutschlands Chefdiplomatin, bei Maischberger angesprochen auf ihren fault pas in Richtung Chinas Präsident Xi Jinpin auf ihrer US-Reise, genervt-bockig: sie habe dazu bereits alles gesagt (Cicero). Deutschland und Europa haben Besseres verdient als “Diplomatie mit dem Vorschlaghammer”.
KK
22. September 2023 @ 16:24
„Plötzlich ist Deutschland – das monatelang wegen angeblich zu geringer Waffenhilfe gemobbt wurde – der beste Freund der Ukraine. “
Da werden 80 Jahre alte Verbindungen wieder wach, wie es scheint…
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„Doch nachdem die USA klargemacht haben, dass sie vorerst keine ATACMS schicken wollen, dürfte auch der deutsche Taurus auf sich warten lassen.“
Hoffentlich – bei den eskalationsgeilen Regierungspolitikern der GRÜNEN, FDP und auch massgeblichen Teilen der SPD (wie dem Vorsitzenden Klingbeil oder dem Aussenobergefreiten Roth), die Scholz vor sich hertreiben, kann man ja nie sicher sein…
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„Letztlich steht auch der leichtfertig versprochene EU-Beitritt der Ukraine infrage.“
Wenn die Versprecher von der Leyen und Borrell erst dort sind, wo sie hingehören (im Ruhestand und fern jeder Entscheidungskompetenz nämlich), kann man die Versprechen als Irrtum Verblendeter ins Vergessen schicken. Denn selbst wesentliche Vereinbarungen des Lissabon-Vertrags wie zB Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind ja bereits dem Vergessen anheim gefallen.
Katla
22. September 2023 @ 19:40
@KK: gerade kommt die Nachricht, dass nun doch ATACMS geliefert werden, was sicher den schönen Nebeneffekt haben wird, dass nun auch die TAURUS geliefert werden müssen. Dank der stets konsistenten und verlässlichen Politik unserer besten Freunde in Übersee dürfte die Ausweitung des Krieges mehr denn je nur von Zwerg Nase abhängen. Unfassbare Vorstellung, dass das Schicksal von Hunderten von Millionen Menschen in Europa nur von den angeblichen Versprechen eines angeblichen Politikers abhängt.
Helmut Höft
23. September 2023 @ 08:32
Di tagesmärchen berichten:
Washington will Kiew übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge bald ATACMS-Raketen zur Verfügung stellen. Die US-Regierung werde das von Kiew gewünschte Waffensystem zur Verteidigung im russischen Angriffskrieg in Kürze liefern, berichteten die „Washington Post“ und der US-Sender NBC News unter Berufung auf mehrere mit der Sache vertraute Quellen. Wat nu? Liefern? Nachdenken (eher nicht!!)? Nicht liefern?
Meine Suchmaschine (metager.de, Uni Hannover) sacht nur: „Könnte dazu kommen – falls das Geraune stimmt“
KK
23. September 2023 @ 12:46
@ Helmut Höft:
„Wat nu? Liefern? Nachdenken (eher nicht!!)? Nicht liefern?“
Biden zupft zwecks Entscheidungsfindung wohl einzelne Blütenblätter von einem Gänseblümchen – die aber offenbar schneller wieder nachwachsen als Biden zupfen kann…