Erweiterung statt Demokratisierung: Die EU-Reform wird zweckentfremdet
Nach der mißglückten Europawahl 2019 sollte die EU demokratischer, bürgernäher und transparenter werden. Nun haben Berlin und Paris neue Reform–Vorschläge vorgelegt – doch sie haben das Thema verfehlt.
Statt wie versprochen um Demokratisierung und Bürgernähe geht es plötzlich vor allem um die (erst 2022 wiederbelebte) EU-Erweiterung und um die Ukraine.
Das Zieldatum der Reformen ist denn auch nicht mehr die Europawahl im Juni 2024, sondern das Jahr 2030 – bis dahin soll die Union auf 27 plus X wachsen!
Der ursprünglich versprochenen Demokratisierung sind in dem 60-Seiten-Bericht, der von unabhängigen Experten ausgearbeitet wurde, gerade einmal fünf Seiten gewidmet.
Darin wird empfohlen, den 2019 gescheiterten Spitzenkandidaten-Prozeß fallen zu lassen bzw. nicht weiter zu “institutionalisieren”.
Eine überzeugende Alternative liefern die Experten allerdings auch nicht. Sie wünschen sich ein Gentlemen’s Agreement zwischen Parlament, Kommission und Rat.
Bei den Plänen für die Erweiterung geht es – wie üblich – um eine Abschaffung des Vetorechts und die Generalisierung des Votums mit qualifizierter Mehrheit (QMV).
So soll verhindert werden, dass eine EU-XXL in der Dauer-Blockade versinkt, weil immer einer Nein sagt. Allerdings gibt es auch hier einen Haken.
Angst vor deutsch-französischer Dominanz
Mehrere kleinere EU-Staaten fürchten, ohne Vetorecht regelmäßig überstimmt zu werden. Die Angst vor “deutsch-französischer Dominanz” sei groß, hieß es von den Experten.
Ihr Bericht, den sich Frankreich ausdrücklich nicht zu eigen macht, dürfte denn auch auf großen Widerstand stoßen, die Chancen auf Umsetzung sind gering.
Ärgerlich ist das Ganze trotzdem. Denn das Thema EU-Reform wird zweckentfremdet – zugunsten der Erweiterung und der Ukraine, und zu Lasten der Demokratie.
Die Demokratie ist auf dem Rückzug
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Dabei ist die Demokratie seit 2019 auch in der EU auf dem Rückzug. Die Coronakrise und der Krieg haben die Exekutive gestärkt und die Parlamente geschwächt.
Das Demokratie-Defizit ist größer geworden, nicht kleiner. Der deutsch-französische Expertenbericht wird daran nichts ändern…
…denn er blendet die Negativ-Erfahrungen der letzten Jahre einfach aus. Nicht einmal die zahlreichen Rechtsbrüche in der Coronakrise werden thematisiert.
Siehe auch Abfuhr für Berlin und Paris: EU-Reform rückt in weite Ferne
P.S. Was ist eigentlich aus den Volksbefragungen geworden, die Frankreich und Österreich vor der nächsten Erweiterung versprochen haben? Kommt auch hier die Demokratie unter die Räder?
Udo
22. September 2023 @ 16:03
Ich bin vorab für eine Namensänderung in — Deuropa —
1.) Deutschland ist der größte Beitragszahler in Deuropa (vorm. EU)
2.) Deutschland hat seit 2002 Führungsstärke und Weitsicht in allen Bereichen bewiesen
3.) Deutschland hat den größten Niedriglohnsektor Europas
4.) kein anderer EU-Staat hat eine derartige Dichte an qualifizierten Politikern
5.) Baerbock ist feministisch vorangeschritten und hat Russland den Krieg erklärt; China kann nicht mehr lange dauern (als bekannteste deutsche Influencer*in und Trendsetter*in setzt sie praktisch täglich neue Maßstäbe, mit einer Fanbase, die 100.000e km weit weg sind)
6.) Scholz hat beste Connections in die internationale Finanzbranche (leider ist sein Gedächtnis nicht das beste)
7.) Habeck sollte erst Kanzler von Deutschland werden und dann EU-Kanzler (Die anderen Deurpäischen Länder sollten auch was von ihm haben)
8.) Deutschland ist die Heimstadt der Demokratie (praktisch ein neues Athen)
9.) Nur Deutschland hat ein eigenes Bayern (Lederhosen für allleeeeeee)
10.) Kein anderes Land bietet Bildungsfernen solche sozialen Aufstiegschancen (s. 5, 6, 7)
11.) Deutschlands Netze sind die Besten. (Strom, Telefon, Mobil, Straßen, Brücken, Internet. Sogar unsere Einkaufsnetze sind die Besten)
12.) Kein Land gendert so schön wie Deutschland.
13.) Deutschland hat die höchste Dichte an Woke & Apple- People (trotz Ähnlichkeit, nicht verwechseln mit Boatpeople)
14.) Deutschland hat Jan Böhmermann
15.) Deutschland hat Nancy Faeser
16.) Deutschland hat Ricarda Lang
17.) in keinem andren Land, erhalten Konzerne höhere Sozialhilfe, als in Deutschland
18.) Bei weiteren Superlativen einfach „Deutschland“ einsetzten
und immer dran denken „DU bist Deutschland*“
(*Deutschland©® ist eine geschützte Wortmarke der Deutschland AG
Geschäftsführender: O. Scholz
Vorstand; J. Biden
Aufsichtsrat: L.D. Larry Fink)
ebo
22. September 2023 @ 16:20
Mehr dazu unter dem Stichwort “deutsches Europa” 🙂
KK
23. September 2023 @ 12:09
Die Punkte 1-18 verlangen unter Punkt 7 dann aber eigentlich mehr als einen EU-Kanzler… wir erinnern uns!
Und dann braucht es nur noch eine Entscheidung, ob die Hauptstadt der EU, vielleicht mit Verspätung endlich GERMANIA genannt, dann Brüssel oder Berlin sein wird.
Oder einfach weiterhin Washington DC – und wir vergessen die Punkte 1-18 gleich wieder.
ebo
23. September 2023 @ 12:14
Die EU-Hauptstadt der Herzen ist Kiew, bzw. Kyiv 🙂
KK
24. September 2023 @ 14:12
@ ebo: Bis es soweit ist, ist Kiew sicherlich in Banderasja (oder ähnlich) umbenannt worden.
european
23. September 2023 @ 13:11
@Udo
„Deutschland ist der größte Beitragszahler in Deuropa (vorm. EU)“
Fairerweise muss man sagen, dass Deutschland auch mit Abstand der größte Profiteur der EU ist. Dass nicht jeder in Deutschland davon profitiert, ist eine andere Geschichte. Es war Deutschland’s einseitige Entscheidung, die Exportüberschüsse durch kontinuierliche Lohnsenkung – übrigens entgegen der Regeln zum Euro – auf Kosten anderer Länder zu erschwindeln.
Deutschland ist hier nicht das Opfer, auch wenn das von einigen immer so betont wird.
Arthur Dent
20. September 2023 @ 14:31
Die EU sich in den letzten Jahren zunehmend zu einem liberal-autoritären Regime entwickelt hat. Schließlich werden dort viele Gesetze erlassen, die jeweils in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Es fehlen ein gemeinsamer Diskursraum und gesamteuropäische Parteien. Europa ist nach etlichen Erweiterungsrunden schlichtweg zu heterogen, als dass es eine gemeinsame Identität geben könnte (siehe Flüchtlingspolitik). Es gibt keinen europäischen “demos”. Bei einem Verzicht auf das Einstimmigkeitsprinzip würden die kleineren Länder grundsätzlich überstimmt. Gemessen an nationalstaatlichen Standards kann man dem europäischen Mehrebenensystem keinen “demokratischen” Charakter attestieren.
Stef
20. September 2023 @ 12:50
@ Monika: “Gegen diese Art korrupter Dummheit ist so recht noch kein Kraut gewachsen”
Doch, aber leider könnte uns das Kraut nicht schmecken. Ich glaube persönlich, dass diese Art von Reform keine Chance hat, das Licht der Welt zu erblicken. Die EU hat erkennbar zunehmende zentrifugale Kräfte, die nicht mehr wirksam zusammengehalten werden können. Die Spielwiesen für Politiker, die sich zulasten der EU profilieren wollen, werden mehr und nicht weniger. Die Neigung der Mitgliedstaaten, sich auf Verzicht des Einstimmigkeitsprinzips und zugunsten von Mehrheitsentscheidungen einzulassen, werden in den nächsten Jahren vermutlich größer und nicht kleiner.
Mit anderen Worten werden möglicherweise die Orbans und Höckes dieser Welt diese Reform stoppen, soweit die linke Seite des politischen Spektrums nicht irgendwann einmal selbst eine konsistente und konsequente Gegenposition einnimmt und sie selbst stoppt.
Die spannende Frage ist eher, was danach kommt.
Monika
20. September 2023 @ 12:13
In den Augen der Macht Habenden sind Volksbefragungen mittlerweile viel zu “unsicher”. Sie könnten zu überraschenden, ungewollten Ergebnissen führen. “Das Volk” wird seit langem für dumm verkauft, und mittlerweile sind die Macht Habenden überzeugt davon, dass es dumm genug ist, um die Umwertung der demokratischen Werte nicht mehr mitzukriegen. Nicht das Volk ist jedoch verblödet, die “Macht” Habenden selbst sind es. Sie verlassen sich blind auf die mafiosen Strukturen der Finanz”aristokratie” und die Zusagen ihrer korrupten Freude aus Transatlantien. Die wirtschaftliche Prosperität Europas lassen sie sich von Oncle Sam Biden und seiner Bande (Ex-CIA-McMilley spricht offen von Verbrechern) gepflegt nach den USA umtopfen. Lateinamerika traditionell der Hinterhof, Europa nun der neue Vorgarten.
Gegen diese Art korrupter Dummheit ist so recht noch kein Kraut gewachsen….
KK
20. September 2023 @ 11:58
“Sie wünschen sich ein Gentlemen’s Agreement zwischen Parlament, Kommission und Rat.”
Ganz ohne den Souverän, die Bürger?
Was soll dann das Geschwafel von wegen “Demokratie”? Dass der “Rechtsstaat” nur noch ein auf dem Papier stehender Witz ist, hatten wir ja erst die letzten Tage.
ebo
20. September 2023 @ 12:04
Keine Sorge, das Agreement soll rechtzeitig vor der Wahl bekannt gegeben werden. So wissen Sie an der Wahlurne, wie Ihre Stimme “wirken” wird – oder auch nicht. Eher nicht…
KK
21. September 2023 @ 01:36
Wäre meine Stimme nicht wenigstens für einen Aufklärer wie Martin Sonneborn gut, würde ich das Schmierentheater, das man noch unverfroren Wahlen nennt, das erste Mal in meinem Leben auslassen. Wenigstens kann man in Deutschland diesen Stachel im Fleisch wählen, auch wenn der die allermeissten wohl noch nicht mal juckt…