Spanien: Rechte gestoppt, EU geschockt
Nach der Wahl in Spanien droht eine Hängepartie. Weder die regierenden Sozialisten noch die Rechten verfügen im neuen Parlament über eine Mehrheit. Für Europa ist das gut, für die EU schlecht.
Entgegen den Prognosen hat die rechtspopulistische Partei Vox bei der Spanien-Wahl nicht zugelegt, sondern 19 Sitze verloren – also fast die Hälfte ihrer Sitze. Damit scheint der Rechtsdrall bei den Wahlen in Europa gebrochen.
In Italien, Schweden und Finnland hatten rechte Parteien in den letzten Monaten zugelegt. Die Wahl in Spanien könnte nun eine Trendwende einleiten, denn die regierenden Sozialisten haben ihre Verluste begrenzt.
Allerdings gibt es in Madrid nun keine regierungsfähige Mehrheit – weder für Noch-Regierungschef Sanchez, noch für seinen konservativen Herausforderer Feijóo. Deshalb droht eine monatelange Hängepartie.
Für die EU wäre dies eine schlechte Nachricht – denn Spanien hat noch bis Dezember den sechsmonatigen EU-Ratsvorsitz inne. Ohne eine handlungsfähige Regierung droht eine Blockade.
In Brüssel sieht man die Wahl daher mit Sorge. Mit den Rechten hat sich die EU längst arrangiert – EU-Chefin von der Leyen folgte noch am Sonntag einer Einladung der Postfaschisin Meloni nach Rom.
Mit einem Patt hingegen kann die EU-Exekutive schlecht leben. Schließlich will sie ihre “grüne”, pro-ukrainische Agenda vorantreiben. Doch schon jetzt bröckelt der Konsens unter den 27 U-Staaten.
Wie soll das erst werden, wenn der spanische EU-Ratsvorsitz handlungsunfähig ist?
Siehe auch “Klima, Krise, Krieg: Der Konsens bröckelt”
Kleopatra
26. Juli 2023 @ 10:38
Die Sozialisten haben nicht „ihre Verluste begrenzt“, sondern leicht hinzugewonnen, allerdings hat die „Volkspartei“ (Partido Popular) sehr stark hinzugewonnen. Die „eindeutig rechten“ (PP und Vox) Parteien sind auch zusammen stärker als die „eindeutig linken“ (PSOE und Sumar). Da die Antipathien zwischen Rechts und Links sehr stark sind, kann eine Mehrheit eigentlich nur mit den Regionalparteien (die im Wesentlichen den Rest der Abgeordneten ausmachen) gebildet werden, und das heißt konkret, dass Sánchez die Unterstützung von Puigdemont bräuchte, um Ministerpräsident bleiben zu können. Wie man spanischen Medien im Netz entnehmen kann, schäumen die Rechten schon bei dem Gedanken an die Konzessionen, die Sánchez Puigdemont anbieten müsste … Aber so macht man eben erfolgreiche Politik für eine autonome Region mit möglicherweise sogar der Perspektive auf staatliche Selbstständigkeit.
ebo
26. Juli 2023 @ 12:40
Danke für die Prazisierung. Am Montag war die Lage noch nicht so klar.
Arthur Dent
25. Juli 2023 @ 23:58
WBD:
„Im Endeffekt haben wir aber dadurch eine massive Einschränkung der Meinungsvielfalt, und die realen Einschränkungen nehmen beständig zu (beispielsweise Auftrittsverbote durch Entzug der Räumlichkeiten für kritische Geister – wie neulich von Gabriele Krone-Schmalz und Ulrike Guerot in Mainz)“
– Die EU hat ja die EMFA auf den Weg gebracht, angeblich zielt er darauf ab, die Medien unabhängiger und transparenter zu machen. Die EU behauptet, sie sei besorgt über Medienmonopole in Ungarn und Polen – allerdings besteht die Gefahr der Medienkonzentration in weiten Teilen der EU. Der Medienpluralismus ist in vielen europäischen Ländern gefährdet und damit auch die Meinungsfreiheit und die Demokratie.
KK
25. Juli 2023 @ 23:17
@ WBD:
“ Da lobe ich ausnahmsweise mal Israel: dort wird um die Demokratie noch gekämpft!“
Gewinnen wird dort dann aber letztlich im Fall einer Verfassungskrise die Seite, auf deren sich die Institutionen mit dem Gewaltmonopol stellen werden, also Armee und Polizei (im weiten Sinne). Ob das dann der Demokratie förderlich ist, halte ich zumindest für fragwürdig.
WBD
25. Juli 2023 @ 20:36
@KK: Ich glaube, letztlich sind es beide, die sich gegenseitig befeuern: Medien auf der Einen, und Parteien auf der anderen Seite. Ein sehr bedauerlicher Wettlauf, der in seiner Zuspitzung Meinungsfreiheit und letztlich die Demokratie zerstören wird.
Allerdings, die Parteien sind auf die Medien angewiesen, denn nur in einer von den Medien so wie jetzt geschürten Stimmung lässt sich solch eine Politik durchsetzen.
Da lobe ich ausnahmsweise mal Israel: dort wird um die Demokratie noch gekämpft!
KK
25. Juli 2023 @ 19:24
@ WBD:
„Im Endeffekt haben wir aber dadurch eine massive Einschränkung der Meinungsvielfalt, und die realen Einschränkungen nehmen beständig zu (beispielsweise Auftrittsverbote durch Entzug der Räumlichkeiten für kritische Geister – wie neulich von Gabriele Krone-Schmalz und Ulrike Guerot in Mainz)“
Richtig; aber das sind dann eher selten die Medien, sondern Kommunen oder private Vereine. Die Kommunen sind sowieso in Parteienhand, und wer sitzt in privaten Vereinen oder auch den überregionalen Organisationen überwiegend im Vorstand? Richtig, wieder die Parteikader, die sich ja, um Präsenz zu zeigen und dann gewählt zu werden, dort engagieren müssen. Die Medien tun dann das ihrige, um die Ausladungen anzustossen bzw. zu rechtfertigen.
Die Unileitungen, die jetzt unbequeme Professoren vor die Tür setzen, werden übrigens auch von den Parteien auf ihre Posten gesetzt und haben willfährig zu sein, wollen sie nicht ersetzt werden.
Auch die Verbote unbequemer Künstler gehen auf Parteieinmischung zurück – weder der indonesischen Künstlergruppe auf der documenta noch Roger Waters wären ohne massgebliches Zutun der Politik (hier vor allem von Frau Roth, die die Kunstfreiheit eigentlich verteidigen sollte), solche Steine in den Weg gelegt worden.
KK
25. Juli 2023 @ 19:13
@ Katla und ebo:
“Nein, die Wahl in Polen läuft nicht nach normalen Standards. Die PiS Regierung versucht, Oppositionsführer Tusk unter fadenscheinigen Vorwänden zu disqualifizieren.”
Richtig, auch mittels der schon in Teilen “gesäuberten” Justiz. Und die Medien, insbesondere Radio und TV, hat die PiS auch weitgehend unter ihre Kontrolle gebracht. Da kann man, ähnlich wie zB in der TR oder Ungarn, nicht mehr von chancengleichen Bedingungen für die Opposition sprechen. Und damit auch nicht von einer “freien und gleichen”, also demokratischen Wahl.
WBD
25. Juli 2023 @ 18:15
@KK (12.51) “…ob jetzt also rechte oder linke Parteien den Pluralismus … zerstören…”
Ich sehe die Zerstörung des Pluralismus eher in der freiwilligen Gleichschaltung der Medien, die wichtige Themen nur noch aus einem einzigen Blickwinkel vermitteln (Ukraine als Paradebeispiel). Natürlich stehen dahinter grosse Transmissionsriemen wie die Atlantikbrücke, und Medienvervielfacher wie die Presseagenturen. Im Endeffekt haben wir aber dadurch eine massive Einschränkung der Meinungsvielfalt, und die realen Einschränkungen nehmen beständig zu (beispielsweise Auftrittsverbote durch Entzug der Räumlichkeiten für kritische Geister – wie neulich von Gabriele Krone-Schmalz und Ulrike Guerot in Mainz)
Viele Bürger finden sich in diesem einseitigen Meinungsklima nicht mehr vertreten, weil auch in den vielen Talkshows oft nur eine Meinung durchgekaut wird. Mir ist aufgefallen, daß oftmals die einzige abweichende Meing von der AfD stammt, die Linkspartei wird wohl nicht mehr eingeladen. Diese Beobachtung mag allerdings zufällig sein, so oft ‘gönne’ ich mir derlei Sendungen nicht mehr…
Katla
25. Juli 2023 @ 17:05
@ebo: „Wenn es gelänge, die PiS in Polen zu stürzen, hätten wir eine völlig neue Lage in Europa.“
Davon ausgehend, dass Polen ein souveräner Staat ist und die dortigen Wahlen meines Wissens im allgemeinen nach rechtstaatlichen Standards laufen, wird darüber die polnische Bevölkerung entscheiden. Ich finde es selbstverständlich, Wahlergebnisse in souveränen und demokratischen Staaten zu respektieren. Oder wie fänden Sie polnische Überlegungen, wenn Sie so beginnen würden: „Wenn es gelänge, die Scholz-Regierung zu stürzen…“ Vielleicht erscheint ja Deutschland mit polnischen Augen auch nicht so mustergültig demokratisch – war da nicht auch mal was mit Vertragsverletzungsverfahren in Sachen „Stellung der Staatsanwaltschaften in Deutschland“?
ebo
25. Juli 2023 @ 17:50
Nein, die Wahl in Polen läuft nicht nach normalen Standards. Die PiS Regierung versucht, Oppositionsführer Tusk unter fadenscheinigen Vorwänden zu disqualifizieren. Deswegen läuft auch schon ein EU Verfahren gegen Polen. Es wird eine Schicksalswahl, die auch über Krieg und Frieden entschieden kann…
Annette Hauschild
25. Juli 2023 @ 17:01
Seit Jahrzehnten gilt die sozialwissenschftliche Erkenntnis, dass es in bestimmten Ecken des Westteils dieser Republik, z.B. in Nordhessen, aber auch im schönen Rheinland-Pfalz, „braune“ Hochburgen gab. Das war so, als es die NPD in den hessischen Landtag geschafft hatte, und dürfte sich nicht viel verändert haben. damals waren das die sogenannten „strukturschwachen“ Gebiete, während in den Ballungszentren und katholischen Metropolregionen die CDU und SPD dominierten. Neu hinzukommen zu „braunen“ Gebieten könnten die frustierten ehemaligen SPD-Wähler in den abgewirtschafteten Industriegebieten Westdeutschlands sein, da gibt es eine ziemlich charismatische Figut namens Guido Reil, der stammt aus der Arbeiterschaft im Ruhrgebiet (einer der wenigen PolitikerInnen, die noch echt körperlich schwer gearbeitet haben), ehemals rechte SPD jetzt AfD-Mann. Der spricht so wie die arbeitslosen ehemaligen Bergleute denken. Es ist ja kein Wunder, das Ruhrgebiet ist ökologisch grün aber wirtschaftlich kaputt, trotz aller Aufbau- und Hilfsmaßnahmen. Und das gleiche wurde mit Ostdeutschland gemacht. Der Kahlschag, den die Treuhand dort angerichtet hat, fällt uns jetzt allen auf die Füße. Dass die Menschen imOsten sich durch die Bundesregierung nicht vertreten fühlen, wen wundert das?
KK
25. Juli 2023 @ 15:58
@ Thomas Damrau:
“ – nicht mehr erklärt werden, weil sie vermeintlich alternativlos sind“
Nun, „alternativlos“ sind sie ja schon nahezu ausnahmslos spätestens seit der Finanzkrise 2008. Neu ist hingegen, dass die Interessen der eigenen Bevölkerung völlig denen anderer Länder (wie zB der USA und der Ukraine), aber auch denen der internationalen Finanzeliten (um mit dem WEF, Blackrock oder Gates nur einige Akteure zu nennen) nicht nur untergeordnet, sondern grösstenteils völlig ignoriert werden.
Und neu ist auch die zunehmend autoritäre Abwürgung der gesellschaftlichen Debatte, die durchaus als Merkmal eines neuen Faschismus gewertet werden kann.
Thomas Damrau
25. Juli 2023 @ 15:15
@KK
Die Frage, wie viel % der AfD-WählerInnen nur aus Protest AfD wählen, ist fast sekundär im Vergleich zu der Beobachtung, dass viele Aspekte der augenblicklichen Politik in der BRD
– einem größer werdenden Anteil der Bevölkerung nicht mehr vermittelbar sind
– nicht mehr erklärt werden, weil sie vermeintlich alternativlos sind
– im Extremfall bewusst gegen die Interessen der Bevölkerung exekutiert werden.
Das alles bringt die Akzeptanz des politischen Systems in den Keller.
Wer einerseits nur die Interessen der Rüstungsindustrie, von Big Business & Hedge-Fonds auf dem Schirm hat und andererseits die Lebensrealität vieler WählerInnen ausblendet, muss sich nicht wundern, wenn Bauerfänger die Wähler einsammeln.
KK
25. Juli 2023 @ 12:51
@ ebo:
„Was die AfD betrifft:…Der größte Teil dürften frustrierte Protestwähler sein…“
Soweit ich mich an Studien erinnere, sei über die Jahrzehnte konstant rund 10% der Deutschen rechtsextremen Pareien zugeneigt; demzufolge wären derzeit etwa die Hälfte „Protestwähler“. Das sehe ich noch nicht als „grössten Teil“.
Und wenn die anderen, sogenannten „linken“ Parteien so weiter machen, sehe ich auch keinen Unterschied mehr in der Methodik… ob jetzt also rechte oder linke Parteien den Pluralismus und damit die FDGO zerstören, ist im Ergebnis dann am Ende auch irrelevant.
Arthur Dent
25. Juli 2023 @ 10:06
“Damit scheint der Rechtsdrall bei den Wahlen in Europa gebrochen” – dem Sozialisten Sanchez ist es gelungen, die Inflation in Spanien in den Griff zu kriegen und die Wirtschaft auf einen Wachstumspfad zu bringen. Ganz anders sieht die Situation aufgrund der kläglichen Regierungsarbeit der “Ampel” in Deutschland aus. Im trotzigen Aufzwingen einer Heizungstechnologie, die für jeden erkennbar das Weltklima nicht retten, aber zu massiven Wohlstandsverlusten führen wird, verlieren sie jegliche Bindung an die Bürger des Landes. Vor allem die Grünen legen dabei eine Ideologiegetriebenheit an den Tag, als wollten sie Deutschland im Eiltempo zerstören.
(kleiner Exkurs: Kennzeichen der faschistischen Herrschaft während des Nationalsozialismus waren ihr Hang zur Aufrüstung des Militärs und die Militarisierung der Gesellschaft. Die Kosten dafür wurden auf die breiten Massen durch höhere Preise und Reallohnverluste abgewälzt, während die Finanzelite exorbitante Profite einfuhr). Da frag ich mich: Wo steht eigentlich die Ampel politisch, wo die EU-Kommission?
Thomas Damrau
25. Juli 2023 @ 06:26
Ob mit der Wahl in Spanien der Rechtstrend in der EU gestoppt ist, muss sich noch erweisen. Wir sollten nicht aus jedem Einzelereignis einen Trend machen. (Es gilt immer noch die statistische Daumenregel: einmal ist Zufall, zweimal ist verdächtig, dreimal könnte eine Gesetzmäßigkeit anzeigen, …)
In Deutschland ist die AfD nicht nur im Osten auf dem Vormarsch, sondern auch in Hessen (https://dawum.de/Hessen/Wahlkreisprognose_de/2023-07-23/) oder Baden-Württemberg ( https://dawum.de/Baden-Wuerttemberg/Wahlkreisprognose_de/2023-07-24/ ), und es besteht die Gefahr, dass CDU und FDP irgendwann genug davon haben, im 35%-Ghetto (aktuell 28% CDU + 7% FDP) eingesperrt zu sein. Vor allem die FDP argumentiert auf vielen Politikfeldern wie eine AfD-Light.
Deshalb würde ich eher die Frage stellen: Welche EU-Länder sind nicht von einem Rechtsrutsch bedroht? Da sehe ich keine lange Liste.
Zurück zu Spanien: Wenn ich die Berichterstattung aus Spanien richtig verstanden habe, war es vor allem die geschickte Taktik von Sanchez, die den rechten Durchmarsch abgebremst hat. Damit ist er allerdings eine Ausnahme in der EU. In den meisten anderen EU-Ländern haben Sozialdemokraten und Linke alles getan, um sich von ihren potentiellen Wählern entfremden – auch in Deutschland.
Ob ein Patt in Spanien wirklich die EU handlungsunfähig macht, möchte ich bezweifeln. Dazu hättet die EU vor der Wahl handlungsfähig sein müssen. Um’s mal polemisch auszudrücken: Eine Leiche kann man nicht mehr umbringen.
ebo
25. Juli 2023 @ 10:17
Schon klar, ob der Rechtstrend gestoppt ist, muß sich erst noch erweisen. Aber ein Selbstläufer ist er nicht mehr.
Wenn es gelänge, die PiS in Polen zu stürzen, hätten wir eine völlig neue Lage in Europa.
Was die AfD betrifft: Sie profitiert m.E. von der Schwäche der “Ampel” und vom fehlenden Pluralismus in den Medien. Ich würde mich jedoch hüten, alle Wähler der AfD als Rechte zu bezeichnen. Der größte Teil dürften frustrierte Protestwähler sein…