Schulterschluß mit Nawalny – es geht es nicht nur um Sanktionen

Die Watchlist EUropa vom 22. Februar 2021 –

Seit 17 Jahren berichte ich aus Brüssel über die EU und ihre Außenpolitik. Aber so ungewöhnliche Manöver wie vor dem Treffen der EU-Außenminister am Montag habe ich noch nie erlebt.

Diese Manöver gelten dem Kreml-Kritiker Nawalny, der von russischen Gerichten zu einer Geldstrafe sowie zu Lagerhaft verurteilt worden ist. Beide Urteile wurden am Wochenende bestätigt.

Bereits am Sonntag wollten sich die Außenminister mehrerer EU-Staaten in Brüssel mit dem Nawalny-Mitarbeiter Leonid Wolkow und einem weiteren Vertrauten des Kreml-Kritikers treffen.

Mehr als zwölf Chefdiplomaten würden an dem Gespräch teilnehmen, teilte das litauische Außenministerium mit. Sie wollten über möglichst wirkungsvolle Sanktionen sprechen.

Konzertierte Aktion mit den USA

Schon das ist merkwürdig. Normalerweise koordiniert der portugiesische Ratsvorsitz die EU-Treffen – und nicht Litauen. Und normalerweise gibt es keine Kungelrunden vorab.

Doch in diesem Fall ist nichts normal. Die EU sucht nicht nur den Schulterschluß mit dem prominentesten Oppositionspolitiker Russlands – sie lässt sich auch noch von seinen Vertrauten beraten!

Doch das ist noch nicht alles. Zu dem Außenminister-Treffen am Montag wird auch der neue US-Außenminister Blinken per Video zugeschaltet. Auch dabei dürfte es um Russland gehen.

Wir haben es hier also mit einer konzertierten Aktion gegen die Führung in Russland zu tun. Kein Wunder, dass man in Moskau langsam paranoid wird und mit dem Abbruch der Beziehungen droht!

Geht es um Regimewechsel?

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Die bulgarische Zeitung “Trud” spricht von einer “Aktion Nawalny gegen Russland”. So weit würde ich zwar nicht gehen. Aber es ist klar, dass sich die EU und die USA massiv in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen.

Mit normaler Diplomatie hat das nichts mehr zu tun, mit den mittlerweile üblichen (und wirkungslosen) Sanktionen auch nicht. Vielmehr sieht es zunehmend so aus, als strebe die EU einen Regimewechsel an.

Dementsprechend hoch ist das Risiko, dass diese Manöver nach hinten losgehen. Es droht nicht nur eine Neuauflage des Kalten Krieges – sondern auch eine neue Blockbildung.

US-Präsident Biden hat zwar erklärt, dass er das nicht anstrebe. Doch wenn Brüssel und Washington so weiter machen, werden sie Russland über lang oder kurz in die Arme Chinas treiben…

Siehe auch “Nawalny: Rechtsstaat oder Regimewechsel” und “Schulterschluß mit Biden”

Watchlist

Führt Deutschland wieder Grenzkontrollen zu Frankreich oder Luxemburg ein? Darüber will die Bundesregierung am Montag diskutieren. Von Luxemburgs Außenminister Asselborn kam schon eine deutliche Warnung: Neue Grenzbarrieren würden das Gesundheitssystem gefährden – denn es ist auf Pendler angewiesen… – Mehr hier

Hotlist

  • Den sechsten Tag in Folge hat es in Spanien Unruhen gegeben. Die Protestierenden fühlen sich von der regierenden Koalition der Sozialisten (PSOE) von Ministerpräsident Sánchez und der linksalternativen Unidas Podemos (UP) von Vize Iglesias verraten, schreibt die “taz”. UP hatte einst versprochen: Sollten sie jemals mitregieren, würden sie das Antiterrorgesetz sowie ein umstrittenes „Gesetz zur Sicherheit der Bürger“ reformieren. Beide wurden 2015 von der konservativen Regierung beschlossen – als Mittel gegen die zahlreichen Proteste in Folge der Sparpolitik in der Eurokrise. Diese Sparpolitik war von der EU erzwungen worden. Heute schweigt Brüssel zu den Angriffen auf die Meinungsfreiheit und der Repression durch die Polizei…
  • Die französische Forschungsministerin hat eine Untersuchung zu angeblichen islamistischen Tendenzen an den Hochschulen angekündigt. Die Universitäten bestreiten die Existenz des Phänomens und sehen die Forschungsfreiheit in Gefahr, berichtet die “NZZ“. – Es geht um den Vorwurf des “islamo-gauchisme”, also eine angebliche linke Verschwörung mit Islamisten. Er wird von der Pariser Regierung erhoben, die unter Präsident Macron zunehmend nach rechts abdriftet und nun auch die freie Lehre bedrängt. Auch dazu schweigt Brüssel! Mehr hier
  • The full publication of the European Union’s contract with AstraZeneca reveals that the Commission and EU countries waived the right to sue the drugmaker over any delays in coronavirus vaccine deliveries — a provision that takes any bite out of threats to file a lawsuit against the company over its failure to deliver to the Continent. Dies berichtet “Politico”. Der Artikel bestätigt unsere Analyse vor einigen Tagen – die EU hat die Beschaffungs-Verträge schlecht verhandelt! – Mehr dazu hier