Der Schuldenschnitt kommt
Nach Griechenland braucht nun offenbar auch Zypern einen Schuldenschnitt. Die Insel steht am Rand der Pleite und kann sich nur durch einen Griff in Pensionskassen über die Feiertage retten. 2013 wird ein Haircut fällig, fordert der IWF nach Angaben der „Süddeutschen“ – es dürfte nicht der letzte sein.
Der EU-Vorsitz schützt vor Unheil nicht. Nach Spanien muss dies nun auch Zypern erleben. Sechs Monate lang führten die Zyprioten die Geschäfte im Brüsseler Ratsgebäude. Gedankt hat es ihnen keiner, im Gegenteil: Obwohl seit Monaten bekannt war, dass Zypern klamm ist, wurde eine Hilfszusage von den EU-Kollegen immer wieder hinausgezögert.
Vor allem Deutschland stand auf der Bremse, nachdem der BND vor Geldwäsche auf der Insel gewarnt hatte. Schließlich ist es extrem unpopulär, einer Insel zu helfen, die nach Darstellung von “Bild” bis “Spiegel” in den Händen der “Russen-Mafia ist.
Doch trotz des medialen Sperrfeuers aus Berlin lässt es sich nicht länger verdrängen: Zypern benötigt Hilfen in Höhe von rund 17 Milliarden Euro. Dies entspricht rund 100 Prozent der Wirtschaftsleistung – ein neuer Rekord.
Dramatischer als in Griechenland
“Die Lage in Zypern ist wesentlich dramatischer als die in Griechenland”, zitierte die “SZ” einen ranghohen EU-Beamten. Auch für Griechenland hatte der IWF einen Schuldenschnitt gefordert, war jedoch am Widerstand von Finanzminister Schäuble gescheitert. Der CDU-Politiker sträubte sich mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst 2013 gegen die mit einem Schuldenschnitt verbundenen Verluste.
Nun könnte sich der Streit zwischen Schäuble und IWF-Chefin Lagarde wiederholen. Zwar soll die Entscheidung über Zypern-Hilfen erst Ende Januar fallen. Doch schon jetzt sind die Fronten verhärtet. Gegner eines Schuldenschnitts erinnern daran, dass die Eurogruppe nach einem ersten „Haircut“ in Griechenland Anfang dieses Jahres versprochen hatte, dies werde ein Einzelfall bleiben.
Bei dem Präzedenzfall in Athen waren die privaten Gläubiger – Banken, Versicherungen und Hedgefonds – zu einem Verzicht in Höhe von 100 Mrd. Euro gezwungen worden. Damals machte vor allem Deutschland Druck. Im Nachhinein hat sich der griechische Schuldenschnitt als Flop erwiesen: Die Entlastung für den griechischen Staat ist verpufft, der Schuldenberg wächst trotzdem weiter.
Auch auf Zypern wäre ein Schuldenschnitt kein Allheilmittel. Die Insel lebt vom Tourismus und vom aufgeblähten Bau- und Finanzsektor, der vor allem von reichen Russen flüssig gehalten wird. Angeblich nutzen viele Russen die Insel zur Geldwäsche; nur so sei es zu erklären, dass meisten Auslandinvestitionen in Russland aus Zypern kommen, heißt es in Brüssel.
Letzte Hoffnung Russland
Ein Schnitt bei den Banken könnte auf den Staat zurückfallen, der die Geldinstitute dann stützen und sich noch mehr verschulden müsste, fürchten einige EU-Experten. Andere verweisen darauf, dass das Parlament in Nikosia – nicht zuletzt auf Druck Deutschlands – bereits harte Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen beschlossen habe. Dennoch zeichne sich keine Besserung der Lage ab.
Die Hoffnung der Euro”retter” konzentriert sich nun auf Russland. Wie schon in der Vergangenheit könnte Moskau der Regierung in Nikosia aus der Patsche helfen – und so den IWF besänftigen. Offiziell will sich zu dieser Notlösung zwar niemand bekennen. Doch die Krise auf Zypern dürfte ein Hauptthema beim EU-Russland-Gipfel sein, der heute in Brüssel zu Ende geht.
So oder so bleibt der Schuldenschnitt auf der Tagesordnung. Neben Griechenland und Zypern braucht nämlich auch Portugal einen Ablass, um wieder auf die Beine zu kommen. Spätestens nach der Bundestagswahl geht die Debatte von vorne los, wetten dass?
photo credit: bsamp via photopin cc
cashca
11. Januar 2013 @ 12:38
Wer die EU zum Selbstbedienungsladen macht, braucht sich nicht wundern, wenn sich alle bedienen.
Alles was da so passiert, ist abseits jeder freien Marktwirtschaft und Selbsverantwortung .
Das Prinzip der Subsidiarität wurde vollkommen ausgehebelt.
Wir befinden uns längst in der Planwirtschaft mit sorgloser Haftung für Alle, mit sorgloser Misswirtschaft, mit grenzenloser Solidarität für jeden, egal ob er es verdient oder nicht.
Sowas kann nur in die Hose gehen. Überall wo es “Freibier gibt, stehen die Menschen Schlange, so auch bei der EU.
Die Zocker der Welt müssen sich doch biegen vor Lachen. Warum sollten sie nicht mitnehmen, was man ihnen anbietet.
Soviel Dämlichkeit wie in der gesammten EU hätte ich mir noch vor einen Jahrzehnt nicht im Traum vorstellen können.
marty
22. Dezember 2012 @ 03:17
@ebo & melina & Johannes: Im Sinne von Johannes Rau (“Versöhnen statt spalten”) − und weil bald Weihnachten ist 😉 − möchte ich Euch allen recht geben. Das Ganze ist wie in den antiken Tragödien: dort steht nicht Recht gegen Unrecht (wie meist in Hollywood), sondern dummerweise Recht gegen Recht. −
“Da hilft wirklich nur noch eine Radikalkur und die heißt: lasst die Banken einfach pleite gehen!” (melina) − Genau, wieso sollte man dieses dubiose und von russischem Mafia-Geld getränkte Offshore-Paradies (oder besser gesagt: seine Banken) retten? Aber die zypriotische Regierung könnte mit dem gleichen Recht antworten: “Moment mal, die Banken der Spanier und Iren habt ihr doch auch gerettet?” Und in der Tat, warum sollte man ausgerechnet bei Zypern vom Präzedenzfall abweichen? Das Banken(un)wesen ist nun mal deren Geschäftsmodell − was bleibt ihnen sonst noch?
Auch ebo hat recht − in der heutigen hyper-vernetzten und hyper-nervösen Finanzwelt sind krasse Kettenreaktionen möglich. Ja, Zypern ist klein − aber auch Lehmann war (das wird oft übersehen) “nur” eine mittelgroße Bank.
Ja, Zypern ist weit weg − aber auch Wien war 1931 bestimmt nicht im Mittelpunkt des deutschen Wirtschaftsgeschehens, sondern an der Peripherie. Dennoch war es ein “bank run” bei der Wiener Creditanstalt, der 1931 die dramatische Eskalation der deutschen Krise einläutete − keine 2 Jahre später war Hitler Reichskanzler (http://www.foonds.com/article/20558//fullstory ).
Und ich glaube, dass ich evtl. auch Johannes verstehe. Ich denke, Du artikulierst ein in Nordeuropa weitverbreitetes, diffuses Gefühl: warum sollen “wir” Ländern helfen, die sich nicht an die “Regeln” (im weitesten Sinne) gehalten haben?
Irland hat mit seinem laxen Datenschutz Firmen wie “FB” angezogen − und mit seiner laxen Bankenregulierung das Finanz-Gesindel (© Erwin Pelzig); Luxemburg (und schon wieder Irland!) setzte auf Steuer-Dumping; Zypern setzte auf Offshore- und Russland-Banking … etc.
Dies weist auf ein schlimmes Meta-Problem in unserer Familie hin: jeder macht sein Ding und will “auf Teufel komm raus” eine USP entwickeln (http://de.wikipedia.org/wiki/Alleinstellungsmerkmal ). Und wenn’s in die Hose geht, sollen die anderen helfen. Allerdings fehlt es dann oft am Verbundenheitsgefühl (@Johannes: Du scheinst allerdings zu übersehen, dass auch DE ständig die Regeln missachtet, wenn auch subtiler [oder perfider?]).
Johannes
23. Dezember 2012 @ 18:17
Wo war der Dominoeffekt bei dem ersten GR-Schnitt? Der sollte ja den ganzen Euro zerstören. Wo war der, ach, der kam nicht. Aber sonst ist überall ein Dominoeffekt *gähn.
Versicherungen und Banken haben in Zypern weit weniger investiert als in Griechenland und Co. Selbst die Franzosen, die am stärksten im Süden involviert sind, brauchen Zypern nicht retten. Zypern ist nicht systemrelevant.
Demnächst gibt es doch die böse Bankenunion, die hier auf dem Blog sogar gefeiert wird. Der Süden hatte den Norden damals erpresst. Banken können an der Kontrolle der Parlamente und Politker vorbei sich aus dem ESM bedienen. Nicht gewählte Vertreter entscheiden, wer wieviel Geld bekommt. Ein Alptraum für uns Bürger, ein Supergau der Demokratie.
Solange die Banken durch Bankenunion die Steuerzahler noch nicht abzocken können, hilft Russland aus bis wir Bürger dran sind. Problem gelöst 🙂
ebo
24. Dezember 2012 @ 08:33
Der Dominoeffekt führte dazu, dass die Risikoaufschläge rasant hoch gingen, vor allem in Italien und Spanien. Nur deshalb kam es dann zu den Plänen für Bankenunion und Anleihekauf durch die EZB, die vielen so große Kopfschmerzen machen. Hätten Merkel und Schäuble nicht im Alleingang den Haircut bei den Banken durchgeboxt, sähe die Lage heute völlig anders aus…
Johannes
21. Dezember 2012 @ 22:41
Ok Ebo ich verstehe dich, wäre man anders an Griechenland rangegangen, hätte man das Problem jetzt nicht. Gut. JA, natürlich nutze ich solch ein Vorlage aus, wer nicht?
Wer nach Solidarität und Gerechtigkeit schreit, kann jetzt beweisen, dass er es ernst meint damit und Zypern fallen lassen falls das Land sich nicht bewegt. Ansonsten will ich nie wieder was Solidarität und den anderen Mist hören, Zypern wird immer DAS Alibi sein. Will man dem Euro und Brüssel den letzten Funken Glaubwürdigkeit rauben, sollte man Zypern ohne Zugeständnisse retten.
Wir müssen Zypern nicht retten, es bedroht nicht den Euro noch die Stabilität der Währung. Gibt es nicht sogar eine Kausel bei den Rettungsschirmen in Bezug auf genau das Thema???!
Zypern hat sich bisher in der Verhandlungen mit der Euro-Zone störrisch gezeigt, null Einsicht. In Zypern haben auch nicht Versicherungen oder dt. Banken Geld in dem Umfang investiert, wie in Griechenland oder sonst wo. Wir müssen das Land nicht retten, der Euro wird auch ohne Zypern überleben und stark sein. Selbst Frankreich, dessen Banken noch stärker im Süden involviert sind wie die dt. Banken braucht Zypern nicht aus eigenem Interesse retten! Eine komplett andere Lage ergibt sich.
Das Beste an diesem Thema: Bei diesem Land gibt es keine Diskussion, egal ob Euro-Bond Fan oder Euro-Bond Kritiker, du wirst fast nur geschlossene Reihen unter den Bürgern finden …
ebo
21. Dezember 2012 @ 20:34
Bitte nicht vergessen: Noch vor drei Jahren stand Zypern toll da – genau wie Irland und Spanien. Schuld an der Krise auf der Insel sind nicht die bösen Russen, und auch keine undisziplinierten Zyprioten, sondern unsere tollen Euro”retter”, die das Problem Griechenland so lange verschleppt haben, bis es Zypern ansteckt. Das sollte sich auch die SPD hinter die Ohren schreiben, die jetzt mit antirussischen Reflexen spielt.
Johannes
21. Dezember 2012 @ 21:23
Zypern baut auf Steuerdumping und reiche Russen, tolles Geschäftsprinzip, ganz toll. Und ne bissl Tourismus. Das Steuerdumping in dem Land hat unzählige, internationale Konzerne angezogen und zu Briefkastenfirmen geführt. DAS muss man retten.
Zypern ist und bleibt ein Steuerparadis.
Unfassbar und erschreckend, wie du scheinbar auf der Seite Zyperns stehst. Das du Euro-Bonds willst, ist eine Sache, aber jetzt auch noch Steuerparadise verteidigen???
Die Taktik der SPD war längst überfällig, die Kritk der SPD ist zu 100% gut.
ebo
21. Dezember 2012 @ 21:31
@Johannes War klar dass Du darauf abfährst. eine Steilvorlage von SPON, SPD und Schäuble, so was ist selten. Richtig, Zypern ist und bleibt ein Steuerparadies. Finde ich auch nicht schön. Aber in der Steuerpolitik hat die EU nicht viel zu melden. Wenn man Zypern die Daumenschrauben anlegt, muss man es auch in Irland tun, in der Slowakei und – weils so schön ist, auch in den Niederlande, Luxemburg und warum nicht Belgien (siehe Obelix-Affäre). Ich wäre dafür, aber das löst das Problem nicht. Zypern ist abgestürzt, weil es an Griechenland hängt. Es wäre besser gewesen – und das ist mein Punkt – Griechenland schnell und gründlich zu helfen, anstatt es am langen Arm verhungern zu lassen, wie es Merkel & co tun. Nun müssen sie sehen, wie sie den Schaden begrenzen. Es wird nicht leicht…und ohne Schuldenschnitt wird es in beiden Ländern nicht gehen, da hat der IWF recht.
Johannes
21. Dezember 2012 @ 20:02
Brüssel und der Euro stehen und fallen für mich am Beispiel Zypern. Wird gerettet, ohne dass das Steuerparadis seine anti-europäische Steuerpolitik aufgibt, hat der Euro und erst recht die Menschen und Beamten in Brüssel verloren. Steuerzahler sollen Steuerparadis retten, wow, das sind Schlagzeilen mit denen man Quote machen kann und die Stimmung zum Euro wird noch schlechter.
Zypern bedroht nicht im Ansatz die Stabilität des Euros, Hilfe ist nicht nötig wie in den anderen Ländern. Von Dominoeffekt kann keine Rede sein.
Zypern wird das Paradebeispiel sein, ob der Euro komplett schlecht ist, und damit auch Brüssel, oder ob es noch Anstand gibt.
Zypern ist ein Steuerparadis pur. Wer das rettet, ist gegen Europa und die Bürger PUNKT.
HPSchenk
21. Dezember 2012 @ 14:14
Beide Kommentare gehen an der Wirklichkeit vorbei.
Im Zweifel haben sich die Milliardäre, Zocker und Schwarzgeldbesitzer
schon längst wieder verabschiedet.
Diese trifft man mit einem Schuldenschnitt nicht.
Es geht um die im Bestand befindlichen Anleihen.
Gekauft von Versicherungen , Banken und Pensionsvereinen.
Dahinter stehen viele kleine Leute mit ihren Lebensversicherungen und
Pensionskassen.
Im Endeffekt zahlt wieder der STeuerzahler.
melina
21. Dezember 2012 @ 12:27
@Ebo
Ich würde dir auch gerne zustimmen und Deine Analyse teile ich durchaus. Dennoch müsste irgendwo mal ein radikaler Neuanfang gemacht werden, wenn man den Teufelskreis durchbrechen will. Leider fehlt es am Wollen und nicht am Können. Eine abschreckende Maßnahme könnte einen disziplinierenden Effekt haben. Aber: das Kasino soll ja gar nicht geschlossen werden. Ganz im Gegenteil, es wird weiter ausgebaut.
ebo
21. Dezember 2012 @ 12:13
@melina So gerne ich Dir zustimmen würde – man kann eine Bank nicht einfach pleite gehen lassen, nicht einmal auf Zypern. Denn das würde eine Kettenreaktion auslösen, siehe Lehman. Man kann die Anteilseigner der Banken zu einem Schuldenschnitt zwingen, das wird ja offenbar diskutiert. Oder man sie rekapitalisieren und – das wäre meine Empfehlung – dafür endlich einmal harte Bedingungen stellen. Das Problem ist, dass Zypern nicht allein ist – alles, was man dort macht, wird natürlich auch in Irland und Spanien genau beobachtet, wo es auch um Banken- und nicht um Staatsschuldenkrisen geht. Jetzt rächt es sich, dass man Irland nicht von vorneherein an die Leine genommen hat. Dort haben Briten und Amis gezockt, auf Zypern sind es Russen – das Kasino war im Grunde dasselbe…
melina
21. Dezember 2012 @ 11:03
Am Beispiel Zyperns und den absurden Größenordnungen seiner akuten Finanzkrise wird einem der neoliberale Wahn wieder einmal so richtig verdeutlicht. Es ist vollkommen klar, dass dieser Zwergstaat eine Schuldenlast von 100% seines BIP niemals in einem überschaubaren Zeitraum abtragen kann, auch wenn im Gegenzug für Hilfspakete noch brutalere Austeritätszwänge durchgesetzt werden als in Griechenland.
Da hilft wirklich nur noch eine Radikalkur und die heißt: lasst die Banken einfach pleite gehen! Es geht um Zockerbanken und entzogene Steuergelder aus Russland, Griechenland , England und sonstwo, die für ihre Besitzer auf Kosten der europäischen Bürger gerettet werden sollen. Hier wäre es wirklich an der Zeit, ein „Exempel zu statuieren“ wie das der eine oder andere Politfuzzi ja im Falle Griechenlands gefordert hatte.
Die Forderung des IWF nach einem Haircut durch die privaten Gläubiger ist deshalb nicht unlogisch, auch wenn sie diesmal ein besonderes Geschmäckle hat. Es geht in der Hauptsache um die Anlagen russischer Milliardäre, da ist man auf amerikanischer Seite nicht so zimperlich. Wo doch die amerikanisch-russischen Beziehungen derzeit ohnehin recht frostig sind.
Dass man sich in der EU ziert, die Notwendigkeit eines Haircuts zuzugeben, weil man die scheuen Märkte nicht verschrecken will, ist auch nicht wirklich überraschend. Wenn man eine echte Lösung, nämlich die Insolvenz der für Europa keinesfalls „systemrelevanten“ Banken – nicht anstrebt (und davon gehe ich aus), dann wird der Haircut unvermeidlich, denn im Falle Zyperns versagt auch Schäubles kreative Buchführung.