Markets, shut up!
Kurz vor der Europawahl geraten die Märkte wieder in Wallung. Anleihen aus Griechenland und anderen Krisenstaaten schwächeln, in Italien bricht die Börse ein. Die Reaktion der Märkte ist verständlich, aber nicht legitim. Wähler und Politiker sollten sie ignorieren.
In Griechenland sorgte das gute Abschneiden der Linken bei der Kommunalwahl am Montag für höhere Yields, in Italien ließ Angst vor einer Wahlschlappe von Premier Renzi die Börse abstürzen.
Diese Reaktion könnte sich noch verstärken, je näher der Wahltag in Europa rückt. Am Donnerstag geht es los, am Sonntag endet die Europawahl, am Montag dürften die Märkte ihr Verdikt abgeben.
Wenn die Regierungen in Griechenland, Italien oder gar Frankreich ihre Mehrheiten verlieren, könnte dies für heftige Schockwellen sorgen. Selbst das Nicht-Euro-Land Großbritannien ist nicht sicher.
Doch wir sollten darauf nicht achten – weder vor, noch nach der Wahl. Jetzt haben die Wähler das Wort, Analysten und Spekulanten sollten wenigstens einmal die Schnauze halten.
Seit Beginn der Finanzkrise 2007 haben sich die Europäer von den Märkten das Gesetz des Handelns diktieren lassen. In der Eurokrise machten die Gläubiger das Wort der Trader zum Gesetz.
Das oberste Ziel sei, “das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen”, hämmerte Finanzminister Schäuble allen ein. EZB und EU-Kommission folgten ihm. Das Vertrauen der Bürger war egal.
Doch nun geht es einzig und allein darum. Es geht um die Meinung der Menschen, nicht um die Märkte. Das EU-Votum ist zu respektieren, selbst wenn es einen Zuwachs für EU-Kritiker und -Gegner bringt.
Das sollten sich auch Kanzlerin Merkel und die anderen EU-Chefs hinter die Ohren schreiben. Sie könnten versucht sein, die Marktreaktion als Alibi zu nutzen, um ihre gescheiterte Politik fortzusetzen…
Siehe auch “Spekulativer Überschwang”
zustimmender leser
20. Mai 2014 @ 12:47
“Die Märkte” sind nicht der Souverän. Sie stellen nur die Interessenlage einer Minderheit der Bevölkerung dar, und entpuppen sich mehr und mehr als selbstgeschaffener Götze und Sachzwang, der Demokratie unterminiert und den Souverän gängeln möchte. Primat der Politik würde bedeuten, ihren politischen Einfluss endlich zurechtzustutzen. Wer aber den Markt über die Demokratie erhebt und “alternativlose”, “marktkonforme Demokratie” postuliert, an dessen demokratischer Gesinnung kommen durchaus Zweifel auf: Demokratie als lästiges Ritual, das man in Sonntagsreden lobt, im Alltag aber soweit wie möglich vermeidet. Wenn diejenigen Bürger/Konsumenten, die diese “Politik” unterstützen, dann aber gar nicht mehr zur Wahl gehen, weil sie so natürlich immer weniger Sinn darin sehen, kann einem diese unpolitische Politik natürlich auch auf die Füße fallen. Denn diejenigen, die Demokratie ernster nehmen und anders verstehen, werden ja vielleicht weiterhin wählen gehen.
ebo
20. Mai 2014 @ 10:49
Das klingt bei Bloomberg aber etwas anders, siehe hier: http://www.bloomberg.com/news/2014-05-19/italian-bonds-drop-with-spanish-peers-before-european-elections.html
Mir geht es vor allem um die Marktreaktionen während und nach der Wahl. Weder die Wähler noch die Politiker sollten sich verrückt machen lassen…
Peter Nemschak
20. Mai 2014 @ 11:26
Die Wähler lassen sich ohnehin davon nicht beeindrucken, und für die Politiker ist es zu kurz vor der Wahl. Politische Börsen haben ohnehin kurze Beine. Nach der Wahl werden die Händler wieder an den Lippen von Draghi hängen und versuchen irgend etwas hinein- oder herauszulesen.
Peter Nemschak
20. Mai 2014 @ 10:39
Die Investoren scheinen von der Europawahl unbeeindruckt zu sein An der Mailänder Börse ist von einem Einbruch nichts zu merken, die griechischen Anleiherenditen werden von den wenigen verbliebenen Spekulanten getrieben, die auf die Entwicklung der griechischen Innenpolitik schauen. Meinungsforscher sagen eine niedrige Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl voraus, was den Rechtspopulisten zusätzlichen Aufwind verschaffen dürfte. Auch wenn der Hype derzeit groß ist, glauben wenige daran, dass sich an der Politik der EU allzu viel ändern wird….am wenigsten die Märkte. Ganz anders Indien….