“Russischer Einfluss”: Faeser schlägt Alarm
Erst waren es “Fake News” aus Russland. Dann ging es um “Desinformation”. Nun soll “russischer Einfluss” die größte Gefahr sein – und sogar die Europawahl bedrohen.
Rund zwei Monate vor der Europawahl überbieten sich die EU-Staaten, die Kommission, das Europaparlament und europäische Geheimdienste mit schrillen Warnungen vor dem Feind, der angeblich überall ist.
Täglich werden “russische Spione” enttarnt, “russische Netzwerke” entdeckt und “Desinformations-Kampagnen” enthüllt. Bisher taten sich vor allem Polen und Frankreich hervor, dort herrscht fast schon Paranoia.
Nun wird auch Deutschland hysterisch. Erst hieß es, die RKI-Files seien vom Ausland (sprich: Moskau) gesteuert. Dann beschuldigte Agrarminister Özdemir ausgerechnet den Franzosen Macron, Putin-Propaganda zu verbreiten.
Nun schlägt auch noch Innenministerin Faeser Alarm. Eine länderübergreifende Zusammenarbeit der europäischen Sicherheitsbehörden habe „eine russische Einflussoperation gegen das Europäische Parlament aufgedeckt“.
Was ist passiert? Eine dubiose Website namens “Voice of Europe” soll versucht haben, Journalisten und Politiker zu schmieren – darunter angeblich auch Europaabgeordnete der AfD. Beweise wurden nicht vorgelegt.
Die Website wurde mittlerweile stillgelegt, Tschechien hat sogar Sanktionen gegen die mutmasslichen pro-russischen, von der Herkunft aber ukrainischen Drahtzieher verhängt. Die Gefahr scheint also gebannt.
Dennoch fährt Faeser schweres Geschütz auf. Sie begnügt sich nicht mit dem Vorwurf aus Prag, die Website “Voice of Europe” und ihre Hintermänner hätten versucht, der Ukraine mit “Fake News” zu schaden.
Faesers Angst
Sie setzt noch einen drauf und behauptet, dass “die Einflussaktivitäten darauf abzielen, Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und Kompetenz europäischer Institutionen zu untergraben.“
Spätestens hier sollte man hellhörig werden. Ist es jetzt verdächtig, die Arbeit europäischer Institutionen zu hinterfragen? Ist Kritik an der EU eine “russische Einflussaktivität”? Muss die Europawahl wirklich vor Moskau geschützt werden?
Es sieht doch eher so aus, als hätten Faeser & Co. große Angst vor der Abstimmung im Juni und der drohenden Wahl-Klatsche. Die “Voice of Europe” müssen sie jedenfalls nicht fürchten – die liest in Brüssel nämlich niemand…
Siehe auch den Update: “Empörung im Parlament”. Mehr zu Fake News und Desinformation hier
P.S. Im Europaparlament weiß man auch nichts von dem angeblichen Russen-Skandal. Wenn aber doch Geld an EU-Abgeordnete geflossen sein sollte, wäre es bereits die zweite Korruptionsaffäre nach dem “Katargate” – die übrigens immer noch nicht aufgeklärt wurde…
Arthur Dent
29. März 2024 @ 14:35
Politik hat gar nicht die Aufgabe, “Wahrheit” zu vollstrecken, sondern viele Meinungen und Betroffenheiten zu berücksichtigen und miteinander auszutarieren.
Das Gehirn ist auch kein Organ zum Entdecken der “Wahrheit”, sondern dient seinem Besitzer in erster Linie zum Überleben. Natürlich braucht man eine hinreichend genaue Vorstellung von der Wirklichkeit. Eine Fledermaus nimmt die Umwelt auf eine uns unvorstellbare Weise wahr, überlebt aber auch.
Wenn dauernd versucht wird, heimatverbundene (lokal statt global orientierte) Menschen mit konservativ-traditionellen Wertvorstellungen als dumpfe Hinterwäldler in rechte Ecken zu bugsieren, dann sind die “Propaganda-Tröten” weniger in Moskau zu suchen. (das “gefährliche” Voice of Europe ist mir bisher völlig unbekannt gewesen und es interessiert mich auch nicht).
Link,Udo
29. März 2024 @ 12:57
Den Fortschritt verdanken die Menschen den Unzufriedenen.
„Macht ist immer korrumpierend, und keinem Menschen und keiner Gruppe darf man zu viel davon und auf lange Zeit anvertrauen.
Aldous Huxley
Die Warnung des französischen Philosophen Benjamin Constant aus dem Jahr 1815, was passiert, wenn ein Volk der Regierung eine so große Macht über die Presse und die öffentliche Wahrnehmung überträgt:
Indem Sie die Regierung ermächtigen, rücksichtslos mit allen möglichen Meinungen umzugehen, geben Sie ihr das Recht, Gedanken zu interpretieren, Induktionen zu machen, kurz gesagt, zu argumentieren und ihre Argumentation an die Stelle der Tatsachen zu setzen, die die einzige Grundlage für staatliche Gegenmaßnahmen sein sollten.
Das bedeutet, Despotismus mit freier Hand zu etablieren. Welche Meinung kann nicht eine Strafe auf ihren Urheber abwälzen? Sie geben der Regierung freie Hand für böse Taten, vorausgesetzt, dass sie darauf achtet, böse Gedanken zu hegen. Diesem Kreislauf werden Sie nie entkommen.
Helmut Höft
29. März 2024 @ 12:20
Business as usual, fette Ostereier: Super Beitrag, Super Kommentare.
Danke dafür.
Schöne Feiertage + schönes Wetter
Karl
29. März 2024 @ 10:05
Ist schon klar, dass Faeser panisch ist. Bei der Landtagswahl in Hessen 2023, bei der sie als Spitzenkandidatin auftrat, erreichte die SPD 15% (-5%).
Landesweit bis über 50% erreichte die SPD 1947 bis in die 1980er auf Basis eines keynesianischen „Hessenplans“. Unvergessen der Ministerpräsident Zinn, einer der Väter des Grundgesetzes, der dafür sorgte, dass Fritz Bauer in Frankfurt am Main den Auschwitz-Prozess führen konnte. Eine immerhin soweit reichende Entnazifizierung gab es in keinem anderen Bundesland. Unvergessen auch Gerhard Jahn, Bundesjustizminister, der als Bundespräsident des Mietervereins wie kein anderer dafür stand, dass jedes Jahr 100.000 Sozialwohnungen in der Alt-BRD gebaut wurden.
Was also hat die neoliberale 15%-Nancy Faeser zu bieten? Nix außer Verschwörung durch Staatseingriffe der Polizei und Geheimdienste in den kommenden Wahlkampf.
Arthur Dent
29. März 2024 @ 09:09
Natürlich, geht es nach Nancy Faeser, kann sich der dumme deutsche Michel ohne (Putins) Einflussnahme gar keine eigene politische Meinung bilden.
Die SPD-Frau ist schlichtweg eine Fehlbesetzung als Innenministerin. Sie ist ideologisch verbohrt und betreibt Politik nach Gutsherrinnenart. Jeder darf sich eine freie Meinung bilden, wenn sie mit der Meinung Frau Faesers übereinstimmt. Ansonsten kann sie als „Delegitimierung des Staates“ gewertet werden. Dann kommen die „Schlapphüte“.
Stef
29. März 2024 @ 08:49
Angeprangert wird ausdrücklich der illegitime Einfluss auf das Europaparlament. Eine interessante Wortwahl. Hat denn Rheinmetall legitimen Einfluss auf das EP? Oder Pfizer?
KK
29. März 2024 @ 12:36
“Nun soll „russischer Einfluss“ die größte Gefahr sein”
Und was ist mit dem real existierenden Einfluss US-amerikanischen Ursprungs? Ist der nicht für EUropa sehr viel bedeutender, weil längst etabliert und bis in die höchsten Spitzen der Nationalstaaten und EU-Kommission fest verankert?
Wir sollten auch nicht vergessen, dass es US-Geheimdienste sind, die in jedes Betriebssystem und in jedwede Hardware amerikanischen Ursprungs, das in EUropa genutzt wird, durch die Hersteller/Entwickler TrapDoors einbauen lässt. Und zB Israel entsprechende Spionagesoftware sogar kommerziell vertreibt und offenbar an jeden liefert, der den jeweils geforderten Preis bezahlt.
Von den US-Digitalkonzernen wie insb. META, die ja ganz gezielt durch ihre unter Verschluß gehaltenen und unkontrollierbaren Algorithmen massigfach manipulieren, noch gar nicht angefangen.
Pjotr
29. März 2024 @ 08:30
Die eigentlich unvermeidliche, endgültige Delegitimierung dieser paranoiden, von jedem Realitätsbezug entkoppelten Politikdarsteller kann man sich sparen, das machen die perfekt selber.
european
29. März 2024 @ 08:07
Ein neues Virus greift um sich. Das galloppierende Hillary Syndrome. 😉
An den schlechten Umfragewerten kann natürlich nicht die schlechte Politik schuld sein. Nein, der Russe ist schuld, bzw. Putin allein. Wer sonst?
Wie armselig.
P. S. Gerade kam übrigens heraus, dass die USA hinter dem Haiti Coup von 2008 stecken. Wer hätte das gedacht?
https://www.democracynow.org/2024/3/11/haiti_update
Thomas Damrau
29. März 2024 @ 08:01
Das Wort “Desinformation” unterstellt, dass es eine korrekte Information gibt, die durch die Desinformation entstellt wird. Ohne jetzt zu philosophisch zu werden: Die moderne Geistesgeschichte beschäftigt zu einem erheblichen Teil damit, die Grenzen der menschlichen Erkenntnis-Fähigkeit auszuloten. Mein Fazit dazu: Es gibt sicher eine Wahrheit – aber die ist schwer einzufangen.
Definitiv vorbei sind die Zeiten, in denen eine Glaubenskongregation die richtige Sicht auf die Welt verkünden konnte. Ein demokratischer Staat kann nur funktionieren, wenn die BürgerInnen in der Lage sind, zwischen “nahe an der Wahrheit” und “vermutlich Unsinn” zu unterscheiden. Deshalb sollte ein demokratischer Staat seine Energie nicht darauf verschwenden, seine BürgerInnen vor Desinformation zu schützen, sondern die BürgerInnen von Kindesbeinen ermuntern, Behauptungen kritisch zu hinterfragen.
Aber das ist natürlich nicht gewollt: Das Leitbild ist nicht der “mündige Bürger”, sondern der “gläubige (konsumfreudige) Bürger”( https://redfirefrog.wordpress.com/2024/03/02/das-glaubensbekenntnis-der-radikalen-mitte/ ), der sein Kreuz alle vier/fünf Jahre an der richtigen Stelle macht und sich ansonsten aus der Politik raushält.
Es hilft auch nicht, wenn unsere PolitikerInnen den Schwurbler-Wahrheiten eigene Halb-Wahrheiten entgegenstellen. Die Halbwahrheiten bewegen sich oft dem geistigen Niveau von “Die Erde ist keine Scheibe, sondern ein Würfel”. Letzteres ist zwar näher an der Wahrheit dran, aber dennoch eine Beleidigung für denkende Menschen. Dass die eigenen Aussagen oft auch grotesker Unsinn sind, ist vielen PolitikerInnen nicht bewusst. Und deshalb wundern sie sich, dass viele BürgerInnen offen für “Desinformation” sind. ( https://redfirefrog.wordpress.com/2024/01/15/warum-wahlen-die-schafe-den-metzger-zum-burgermeister-1-anamnese/ )
Frohe Ostern