Neues vom Wirtschaftskrieg (55): Die Einheit bröckelt

Der Wirtschaftskrieg zieht immer weitere Kreise. Asien bezieht erstmals mehr Öl aus Russland als Europa. Kremlchef Putin fordert Abbau der Sanktionen – dann gäbe es auch mehr Weizen. Und Wirtschaftsminister Habeck beklagt den Verlust der Einheit in der EU-Sanktionspolitik.

  • Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat kurz vor dem EU-Sondergipfel einen langsamen Verlust der europäischen Einigkeit ausgemacht. Man habe nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine gesehen, wozu Europa bei starkem Zusammenhalt in der Lage sei, sagte er am Sonntag bei einer Diskussionsveranstaltung zur Hannover Messe. Mit Blick auf das EU-Treffen am Montag mache er sich aber Sorgen: »Es fängt schon wieder an zu bröseln und zu bröckeln.« Bei dem Sondergipfel wird zum einen über das geplante sechste Sanktionspaket gegen Russland verhandelt, das auch ein Öl-Embargo enthalten soll. – Die bröckelnde Einheit hat sich Habeck selbst zuzuschreiben. Schließlich ist er beim Öl-Embargo vorgeprescht – trotz eigener Zweifel an der Machbarkeit. Er hätte besser vorher gefragt, ob Ungarn und andere Länder überhaupt folgen können…
  • Russlands Staatschef Wladimir Putin hat in einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Entgegenkommen beim Export von ukrainischem Getreide in Aussicht gestellt, zugleich aber seine Forderung nach einer Lockerung der westlichen Sanktionen gegen sein Land erneuert. Russland sei “bereit”, Möglichkeiten “für einen Getreide-Export ohne Hemmnisse zu finden”, sagte Putin nach Kreml-Angaben am Samstag in einem Telefonat mit Scholz und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Dies betreffe auch ukrainisches Getreide in Schwarzmeer-Häfen, fügte Putin den Angaben zufolge hinzu. Allerdings müssten zur Beendigung der globalen Versorgungskrise auch westliche Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden. – Die EU lehnt es ab, über die Aufhebung von Sanktionen auch nur zu reden…
  • Asiatische Länder haben Europa zum ersten Mal in Bezug auf die aus Russland bezogenen Ölmengen überholt. Dies berichtete Bloomberg unter Berufung auf Berechnungen der Kpler-Analysten aus Singapur. In der vergangenen Woche transportierten Tanker zwischen 74 und 79 Millionen Barrel russisches Öl, fast dreimal so viel wie vor dem 24. Februar. Nach Europa wird russisches Rohöl hauptsächlich über Pipelines transportiert. Laut der Kpler-Analystin Jane Xie stiegen russische Öltransporte auf dem Seeweg im April auf ein Rekordhoch, was vor allem auf die verstärkten Käufe Indiens und Chinas zurückzuführen ist. – Man nennt das wohl Über-Kompensation – Europa verliert an Bedeutung.

Mehr zum Wirtschaftskrieg hier