Neues vom Wirtschaftskrieg (142): Deutsche Wirtschaft will Führungsrolle in Ukraine
Nach dem Inkrafttreten des EU-Embargos auf russisches Erdöl wird in diesem Winter mit einem starken Einbruch der Dieselreserven gerechnet. Die Bundesbank sieht Deutschland wegen der Energiekrise unmittelbar vor einer Rezession. Und der Ostausschuss sieht die deutsche Wirtschaft beim Wiederaufbau der Ukraine in einer führenden Rolle.
- Der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft dringt auf zügige Vorbereitungen für einen Wiederaufbau in der Ukraine und sieht die deutsche Wirtschaft in einer führenden Rolle. Es dürfe mit dem Wiederaufbau nicht bis zum Kriegsende gewartet werden, sagte der stellvertretende Vorsitzende Hans-Ulrich Engel. „Heute richten sich die Überlegungen im Sinne einer Hilfe aus der Wirtschaft für die Wirtschaft vor allem auf eine effiziente Organisation der Nothilfe zum Beispiel für die zerstörte Infrastruktur“, sagte Engel. Danach soll es um zielgerichtete Maßnahmen und passende Rahmenbedingungen für Beiträge zu einem Wiederaufbau der Wirtschaft in der Ukraine geben. Die deutsche Wirtschaft stehe bereit, beim Wiederaufbau der Ukraine eine führende Rolle zu übernehmen, hieß es vom Ostausschuss im Vorfeld des Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforums in Berlin (Die Welt). – Früher waren wir in Russland “führend”, nun in der Ukraine. Doch wohin führt ein “Wiederaufbau” mitten im Krieg, ohne Aussicht auf Frieden?
- Die Bundesbank sieht Deutschland wegen der Energiekrise unmittelbar vor einer Rezession. „Die anhaltend hohe Inflation und die Unsicherheit über die Energieversorgung und ihre Kosten belasten die deutsche Wirtschaft deutlich“, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Monatsbericht. Die Wirtschaft dürfte sich aus Sicht der Bundesbank-Volkswirte an der Schwelle zu einer Rezession befinden. Bereits im zurückliegenden Sommerquartal könnte das Bruttoinlandsprodukt schon nicht mehr gewachsen sein, sondern stagniert haben. Im gerade begonnenen Winterhalbjahr werde es dann wohl „deutlich sinken“, betonte die Bundesbank die Gefahr einer Rezession. Sie versteht darunter einen deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgang der Wirtschaftsleistung (Die Welt).
- Nach dem Inkrafttreten des EU-Embargos auf russisches Erdöl und Erdölerzeugnisse wird in diesem Winter mit einem starken Einbruch der Dieselreserven in der Staatengemeinschaft gerechnet. Dies berichtete die US-Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg. Nach Schätzungen von Wood Mackenzie, einem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen für Bereiche wie Bergbau, Energie und Erneuerbare Energien, werden die Dieselreserven in Nordwest-Europa im Februar auf 210,4 Millionen Barrel sinken und damit auf den niedrigsten Stand seit 2011. Zugleich würde das Embargo auf russisches Rohöl die Dieselpreise in die Höhe treiben. Die EU-Staaten hatten sich Mitte Juni auf ein Teil-Embargo gegen Russland geeinigt. Das Embargo auf Einfuhr von Rohöl gilt ab 5. Dezember 2022, während jenes auf Raffinerieprodukte wie Benzin oder Diesel am 5. Februar 2023 in Kraft tritt.
Mehr zum Wirtschaftskrieg hier. Der Live-Blog macht einige Tage Pause – wenn wichtige Entscheidungen fallen, nehmen wir davon aber sicher Notiz!
Stef
25. Oktober 2022 @ 11:35
In der Ukraine sind bis auf weiteres eigentlich nur Belastungen zu erwarten. Erst recht, wenn man wie ich für unrealistisch hält, dass Russland die vier annektierten Regionen und die Krim jemals wieder räumt. Läuft es schlecht, bleibt das Staatsgebiet sogar ohne Anschluss zum schwarzen Meer.
Dem Aufbau wird ein Umschuldungsprogramm epochalen ausmaßes vorangehen müssen, dessen Belastungen die Steuerzahler der EU und die Bürger der Ukraine durch Privatisierungen jedweder noch werthaltieger Assets tragen werden. Und für den Aufbau stellt sich die Frage, wohin sich die “Rest-Ukraine” an der Peripherie der EU überhaupt entwickeln soll, wenn die Brückenfunktion nach Russland keine Option mehr ist. Mein Tipp: Sie hat ohne Donbass und Schwarzmeerzugang dann keine signifikanten Entciwklungsperspektiven mehr. Dies laut zu sagen ist aber unziemlich, auch wenn es im Trend die realistische Perspektive ist.
Zusammenfassend ist mein trauriges Fazit: Wir sind in jeder Hinsicht auf dem Holzweg. Politisch, militärisch und sogar wirtschaftlich.
european
24. Oktober 2022 @ 19:05
Clever.
Die deutsche Wirtschaft weiss, dass bei der aktuellen Zinslage und Inflation nur der deutsche Staat die Investitionen vornehmen wird, also die Schulden macht. Die Ukraine ist zu 100plus Prozent in US Dollar verschuldet und bekommt auch eigentlich nichts mehr.
Es winkt ein zerstörtes Land ohne Mindestlohn und Arbeitnehmerrechte, dafür mit Zero hours Verträgen. Der Osten Deutschlands kann ein Lied davon singen, wie sowas ausgeht.
Und die hatten nicht mal Oligarchen und standen nicht im Korruptionranking auf Latz 122 von 180.
KK
24. Oktober 2022 @ 15:56
Wobei ja auch der Wiederaufbau noch während weiterer Kriegshandlungen unglaublich viel Sinn macht… da hat mal so ein oller Grieche einen Stein immer wieder den Berg hinaufrollen müssen… das Prinzip ist also schon sehr alt.
Arthur Dent
24. Oktober 2022 @ 14:48
Offenbar erwartet der Deutsche Ostausschuss, dass der Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft durch den deutschen Steuerzahler gesponsert wird. “Lieber Deutscher Ostausschuss”, selbst als Deutschland noch der “kranke Mann Europas” war, hat Deutschland Exportüberschüsse verzeichnet. Deutsche Firmen sind also hyperwettbewerbsfähig. Mit Eigenkapital und unternehmerischen Risiko kann man also wiederaufbauen was und wo man will.
Holly01
24. Oktober 2022 @ 15:43
Der deutsche Ostausschuss hat die “Ankünderitis”.
Klar erwarten die das die EU da Geld drauf wirft, Energie im Überfluss da ist, die Leute da für den noch so kleinen Lohn arbeiten und Umweltauflagen nur Paper sind.
Und natürlich wird nichts davon so sein.
Die Ukraine hat ihre eigenen Oligarchen die von der City und der Wall Street mit Geld aufgepumpt werden, dazu kommen jede Menge US Investoren, die ja bereits einkaufen und der leider sehr schlechte Ruf, der den Deutschen jetzt anhaftet.
Also Geld versenken dürfen die dort, mehr mit Sicherheit nicht.
Aber wir können da Bundeswehr stationieren.
Sammelt eigentlich schon jemand Schlafsäcke, warme Decken und Kleidung für die Ukraine?
Hat Klabauterbach schon Impfen dahin geschickt? Ach ne, Corona ist ja in der Ukraine kein Thema, die haben richtige Probleme.
KK
24. Oktober 2022 @ 14:08
In Deutschland gibts auch ohne Krieg genug marode Infrastruktur wie Strassen, Brücken, Schulen, Schienennetz, die dringend sanierungsbedürftig ist. Wie wäre es denn, sich statt der Ukraine mal vorrangig ums eigene Land zu kümmern?