Kann der Nein-Euro überleben?
Wenn die Große Koalition zustande kommt, bedeutet dies einen Großen Verlust für die Währungsunion. Denn CDU/CSU und SPD haben eine ganze Reihe wichtiger Reformvorschläge für den Euro auf Eis gelegt. Die Große Frage ist nun: Kann der deutsche Nein-Euro überleben?
Erinnert sich noch jemand? Nicht einmal ein Jahr ist es her, dass vier leibhaftige EU-Präsidenten in Brüssel einen Masterplan für den Euro vorlegten.
EZB-Chef Draghi, EU-Ratspräsident Van Rompuy, EU-Kommissionschef Barroso und Ex-Eurogruppenchef Juncker forderten darin weit reichende Reformen, um eine “vollständige” Währungsunion zu schaffen.
Barroso legte sicherheitshalber noch einen eigenen “Blueprint” nach. Und das Europaparlament forderte, die Liste um Eurobonds bzw. einen Schuldentilgungsfonds zu ergänzen.
Kanzlerin Merkel wischte das alles mit einem Federstrich beiseite. Und nun ist es auch aus dem Koalitionsvertrag verschwunden. Damit verengt sich der Horizont für die “Euroretter” dramatisch.
Hier eine kleine Liste der seit Beginn der Eurokrise gestrichenen Reformvorschläge (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Kein Schuldenerlass (egal, dass ihn der IWF fordert)
- Keine Schuldentilgung (egal, was die Wirtschaftsweisen sagen)
- Keine gemeinsame Schuldenhaftung / keine Eurobonds (egal, was die EU-Kommission nächstes Jahr empfiehlt)
- Keine Finanztransfers / kein Finanzausgleich (auch wenn dies bei uns im Bund ganz anders läuft)
- Kein Eurobudget (selbst wenn dies jede Währungsunion hat)
- Kein europäischer Währungsfonds (Pech gehabt, Schäuble!)
- Keine Banklizenz für den ESM (Pech gehabt, Sarko!)
- Kein Investitionsprogramm (Pech gehabt, Schulz!)
- Keine echte Bankenunion (was scheren uns schon die EU-Beschlüsse vom Juni 2012)
- Keine Bankenstützung aus dem ESM (es sei denn, der Bundestag lässt sich noch erweichen)
Die große Preisfrage lautet nun, ob dieser deutsche Nein-Euro überleben kann.
Vor einem Jahr hieß es noch, jede Währungsunion brauche ein gemeinsames Budget (gegen “asymmetrische Schocks”, für großangelegte Investitionen) und gemeinsame Anleihen (zum Schutz vor Marktwillkür).
Nun möchte Berlin davon nichts mehr wissen. Die Euroländer bleiben damit schutzlos den Launen der Märkte ausgeliefert.
Zwar werden Investoren und Spekulanten derzeit noch von der EZB und ihrer Drohung in Schach gehalten, im Ernstfall massiv im Anleihemarkt zu intervenieren.
Doch was ist, wenn diese Drohung ihre Glaubwürdigkeit verliert (z.B. durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts)?
Und was ist, wenn die Märkte die Entschlossenheit der “Euroretter” testen, z.B. bei den Banken-Stresstests im kommenden Jahr?
Der nächste Crash kommt bestimmt – und dann wird sich zeigen, was von dem Nein-Programm der GroKo zu halten ist…
Siehe zu diesem Thema auch: “Countdown zur Bankenkrise 2.0” und “Die Zeit läuft ab”. Wer sich für die Hintergründe der Eurokrise und Alternativen zum aktuellen Kurs interessiert, könnte in meinem E-Book fündig werden. Einen Blick ins Buch gibt es hier
Peter Nemschak
16. Dezember 2013 @ 16:21
Währungen sind mehr als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel. Sie sind, wie sich gezeigt hat, Ausdruck der Lebens-und politischen Kultur einer Nation. Schon lange vor Einführung des Euro hatten wir in Europa notorische Hartwährungsländer (BRD, Österreich, Holland, Schweiz) und Länder im Süden, deren Währungen periodisch abgewertet wurden. Strukturreformen im Süden, welche die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, sind Voraussetzung eines starken Euros. Auch Deutschland müsste mehr investieren, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Strukturreformen sind politisch allerdings unbeliebt und wirken nur langfristig. Selbst das von außen diszipliniert erscheinende Japan tut sich schwer damit. Die Finanzkrise hat den Blick verstellt, dass die eigentlichen Herausforderungen in der Globalisierung und dem rasanten technischen Fortschritt liegen, welche Einkommens- und Vermögensverteilung nachhaltig verändert haben. Das Internet wirkt in diesem Zusammenhang wie ein Brandbeschleuniger.
Andres Müller
30. November 2013 @ 12:37
Das kann man auch dahingehend deuten, dass Deutschlands Regierung glaubt möglicherweise aus der EU-Währung austreten zu müssen. Garantien zu übernehmen wird als riskanter interpretiert als der Alleingang.
Wenn man die monetären Verpflichtungen zum Euro lockert, dann könnte sich das deutsche Schiff bei Bedarf schnell vom Festland lösen, könnte die Meinung sein.
Diese Interpretation hat den beunruhigenden Hintergrund, dass die in die Zukunft projizierten Vorteile der Währungsunion offenbar inzwischen als weit geringer gesehen werden als die aufgetürmten Risiken die sich in der Zone gebildet haben.
eine solche Sicht kann nur bedeuten, dass “die Krise” nicht einmal im Ansatz überwunden wurde -im Gegenteil (Herr Schäuble und Co.).
Johannes
30. November 2013 @ 20:44
Berlin wird nie aus dem Euro aussteigen, das wäre ja das Armutszeugnis schlecht hin für unsere politische Elite. Nein, die werden weiter uns zum zahlen zwingen, alleine schon um nicht total dumm dazustehen. Einige Länder werden den Euro abgeben, Deutschland aber nie, wäre zu peinlich für die da in Berlin 😉
ebo
29. November 2013 @ 18:12
@Benno
Nationales Haushaltsrecht? Du hast wohl noch nie was vom Fiskalpakt, vom Sixpack und vom Two Pack gehört? Das sind alles massive Eingriffe. Alle auf deutschen Wunsch beschlossen. Der in meinem Post erwähnte Rest wurde auf deutschen Wunsch gestrichen. Ist ja auch egal, war ja nur von vier EU-Präsidenten, dem Sachverständigenrat und vom IWF angeregt worden…
Benno
30. November 2013 @ 16:52
Fiskalpakt, Sixpack etc sind Papiertiger. Wo bleiben z.B. die Immobiliensteuern in Italien, die Luxussteuer für griechische Reeder auf deren Yachten, die Erhöhung des Renteneintrittalters in Frankreich? Wie die Schuldenbremse sind diese Instrumente vom politischen Willen abhängig und als Selbstverpflichtung zu verstehen.Soviel ich weiß wurde der Fiskalpakt nicht von den 27 EU-Staaten ratifiziert, beruht auf einen väökerrechtlichen Vertrag, außerhalb des EU-Rechtes.
Wenn aber, wie du meinst, durch diese Instrumente in die Haushaltshoheit der Nationalstaaten massiv eingegriffen wird, müssen sich die Euroliebhaber fragen lassen, ob eine falsch konstruierte Währung es wert ist, um diese am Leben zu erhalten, Volkswirtschaften, nationale Parlamente, Bugdetrecht der souveränen Staaten, kurz die Menschen, umzukrempeln. Das ist, nach meiner Meinung, zumindest diskussionswürdig.
ebo
29. November 2013 @ 14:39
@Johannes
Der Vorschlag für einen Schuldentilgungsfonds stammt vom deutschen Sachverständigenrat. Die Idee eines Euro-Bugets hat Merkel selbst ins Spiel gebracht. Investitionsprogramme hat SPD-Schulz vor der Wahl immer wieder gefordert etc. pp
Da scheinen mir mancher doch an Gedächtnisschwund zu leiden. Es geht hier nicht um irgendwelche “französischen” Vorschläge, sondern um das, was Merkel, Barroro, Van Rompuy, Draghi und Juncker noch vor einem Jahr für unabdingbar erklärt haben.
Cherchez l’erreur…
Johannes
29. November 2013 @ 14:34
Die müssen NEIN sagen, ansonsten haben wir einen komplett anderen Euro, und der Bürger ist bei diesem Thema nicht mehr zu Kompromissen bereit. Der Süden und Frankreich wollen heute (oder vllt schon damals, wer weiß!) einen ganz anderen Euro haben als es in den Verträgen festgelegt wurde, das ist wie Tag und Nacht. Ich halte die EU noch immer für sinnvoll, aber kommt der Frankreich-Euro, stelle ich mich komplett gegen die EU. Das ist ein Spiel mit dem Feuer, Merkel konnte noch grade so den Funkenschlag durch die AfD verhindern. Würde der Frankreich-Euro kommen, der Bürger könnte sich entgültig von Europa abwenden, das ist wirklich gefährlich.
In einem alten Google Hangout von LostInEU und Freunden wurde es angesprochen, ca.2 Jahre lebt der Euro in dieser Form weiter und dann werden einige Länder den Euro verlassen weil es für sie nicht mehr anders geht. Der Euro wird nie abgeschafft werden, die Blamage für die Elite in Deutschland wäre zu groß.
Von den Demokratiedefiziten bei Euro-Bonds und Co. ganz zu schweigen.
Ich mag beide Parteien nicht, aber das, was oben beschrieben wird, ist mir lieber als die Wunschliste von der Brüssel – Frankreich – Süd Europa – Wall-Street Connection.
Benno
29. November 2013 @ 13:19
Hier werden einige Tatsachen nicht gesehen, weil man diese nicht sehen will: Warum gibt es z.B.:Kein Schuldenerlass, Keine Schuldentilgung, Keine gemeinsame Schuldenhaftung / keine Eurobonds,Keine Finanztransfers / kein Finanzausgleich? Ganz einfach: weil die Eurozone kein Bundesstaat ist.
Eine Frage habe ich ganz konkret, ebo: “Kein Eurobudget (selbst wenn dies jede Währungsunion hat)”. Von welchen Währungsunionen sprichst du denn überhaupt?
Wieviele Währungsunionen gibt es aktuell? Ich habe kurz recherchiert: es gibt über 160 verschiedene Währungen bei 195 Staaten. Andorra und andere Zwergstaaten und die Eurozonenstaaten haben keine eigene Währung. Und welche anderen Staaten sind derzeit noch in einer Währungsunion?
ebo
29. November 2013 @ 14:10
@Benno
Laut Wikipedia gibt es folgene Währungunionen:
Die Europäische Währungsunion mit der Währung Euro
Die Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion mit der Währung CFA-Franc BCEAO
Die Zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion mit der Währung CFA-Franc BEAC
Die Ostkaribische Währungsunion mit der Währung Ostkaribischer Dollar
Schweiz und Fürstentum Liechtenstein mit der Währung Schweizer Franken
Dass die Eurozone kein Bundesstaat ist, ist keine Antwort. Die EZB ist sehr wohl eine föderale Institution, die EU schreibt gemeinsame Regeln für die Euromitglieder vor. Hier gilt die Gemeinschaftsmethode, die seit Lissabon kein nationales Vetorecht mehr kennt (von wenigen Ausnahmen abgesehen).
Mit scheint, Du argumentierst rein national. Doch genau das, der nationale Blickwinkel, ist der Sargnagel der EU und des Euro.
DerDicke
29. November 2013 @ 15:30
Nun ja – wir leben ja auch national. Und es wäre schön, wenn es uns wieder egal sein dürfte, ob Italien gerade von Berlusconi regiert wird. Wenn die Deutsche Bundesbank die Zinsen anheben würde ehe die staatlich verordnete private Vorsorge uns in ein paar Jahren dank niedriger Zinsen (die ja der Süden braucht) in die Obdachlosigkeit treibt. Wenn wir wieder in Griechenland Urlaub machen könnten ohne dass man als Deutscher gleich als Besatzer wahrgenommen wird. Wenn die EU-Organe in Brüssel aufgelöst würden und wir wieder selbst entscheiden könnten, ob wir im Klo eine Glühbirne einschrauben oder Wassersparende Duschköpfe im Bad wollen (damit hinterher die Kanäle erst teuer mit Trinkwasser gespült und dann noch teurer “downgesized” werden müssen!).
Nein, diese bevormundende, gleichmachende, allwissende, in die Privatsphäre eingreifende, größenwahnsinnige, an die UDSSR erinnernde EU will ich nicht. Und entsprechend wird gewählt (so lange das noch erlaubt ist…).
Benno
29. November 2013 @ 17:14
Danke, ebo für die Auflistung der Währungsunionen. Lichtenstein würde ich zu den von mir erwähnten Zwergstaaten zählen.
Die Eurozone besteht doch aus Nationalstaaten, die sich vorbehalten, ihr nationales Haushaltsrecht wahrzunehmen. Und diese Nationalstaaten wollen ihre eigene Steuerpolitik, Sozialpolitik, Bildungspolitik,etc betreiben.
Ich argumentiere also gemäss den Gegebenheiten/Tatsachen. Alles andere wäre auch traumtänzerisch, eventuell sogar ideologisch.
Peter Nemschak
16. Dezember 2013 @ 15:58
Es ist bedauerlich, aber verständlich, dass den europäischen politischen Eliten das nationale Hemd näher als der europäische Rock ist. Die europäische Einigung ist nach einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes entstanden. Dieses Gefühl der Bedrohung durch agressiven Nationalismus ist verschwunden. Ein Krieg in Europa ist unvorstellbar geworden. Die Annehmlichkeiten der EU für ihre Bürger werden als Selbstverständlichkeit hingenommen. Nationale Politiker der Mitte stehen in Konkurrenz zu rechtsradikalen Parteien, die im Vormarsch sind und wenig mit transnationaler Solidarität am Hut haben. Es wird nach den nächsten Europawahlen interessant, ob es diesen Gruppierungen gelingt länderübergreifende Bündnisse zu schließen, die ihrem Selbstverständnis widersprechen.