Nach Bauernprotesten: EU weicht “Green Deal” auf
Der “Green Deal” für den Klimaschutz wird immer mehr aufgeweicht. Zwei Monate vor der Europawahl haben die Agrarminister wichtige Umwelt-Vorgaben für die Landwirtschaft ausgesetzt.
Die EU weicht vor wütenden Bauern zurück und beginnt, wichtige Umweltauflagen für die Landwirtschaft zu lockern. Die 27 EU-Agrarminister sprachen sich mehrheitlich dafür aus, ein ganzes Bündel an Maßnahmen im Eilverfahren umzusetzen. So sollen die Vorgaben für Brachflächen und Fruchtfolgen aufgeweicht werden. Die Bauernproteste gingen dennoch weiter.
Im Brüsseler Europaviertel fuhren bereits am Vormittag rund 250 Traktoren auf. Einige empörte Landwirte errichteten Barrikaden aus Strohballen, die angezündet wurden. Die Polizei setzte daraufhin Wasserwerfer ein. Es war bereits das dritte Mal, dass die Bauern in der belgischen Hauptstadt demonstrieren. Auch in anderen EU-Ländern wie Polen kommt es weiter zu Protesten.
Die Agrarminister reagieren auf die Protestwelle mit weit reichenden Zugeständnissen. Zunächst kündigten sie Bürokratieabbau und den Erhalt von Steuerprivilegien etwa beim Agrardiesel an. Nun – rund zwei Monate vor der Europawahl Anfang Juni – geht es an die Substanz. So sollen die ökologisch wichtigen EU-Regeln für Brachflächen und Fruchtfolgen ausgesetzt werden.
Bisher sind die Bauern dazu verpflichtet, einen kleinen Teil ihrer Ackerfläche brach zu legen, um die Umwelt zu schützen. Die EU-Kommission hat jedoch vorgeschlagen (passenderweise an einem Freitag Nachmittag, wo niemand hinschaut), mehr Flexibilität walten zu lassen. Demnach sollen Bauern künftig selbst entscheiden, ob sie der EU-Vorgabe folgen.
Die Agrarminister wollen dieses erstaunliche Zugeständnis nun schnell umsetzen – möglichst noch vor der Europawahl. Zuvor war bereits ein EU-Plan zur Verringerung von Pestiziden gekippt worden. Auch das umstrittene EU-Gesetz zu Renaturierung liegt auf Eis – es gibt dafür keine Mehrheit unter den 27 EU-Staaten.
Auch im Europaparlament bröckelt die Mehrheit für den “Green Deal” und seine begleitenden Gesetze. Zur Gegen-Reform ruft vor allem die konservative EVP auf – also genau jene Parteienfamilie, die EU-Kommissisonschefin von der Leyen eine zweite Amtszeit bescheren will…
Arthur Dent
27. März 2024 @ 13:05
Am besten sollten die Bauern wieder zwei Ochsen vor den hölzernen Pflug spannen – eine Methode die schon den alten Ägyptern bekannt war. Klee und Alfalfa sodann im Fruchtwechsel mit Getreide?
Der Stickstoffgehalt von Gülle und anderem organischen Material ist so gering, dass der Bauer sehr große Mengen Stroh und Mist ausbringen müsste. Der Ernteertrag betrüge nur noch einen Bruchteil des heutigen Umfangs. Der Mais, Amerikas bedeutendste Getreidepflanze, brachte 1920 Erträge von 2 t/Hektar – heute 11 t/Hektar.
Von 1800 – 2020 konnte der Aufwand menschlicher Arbeit um 1 kg Getreide zu produzieren um 98% gesenkt werden – damals waren fast 70 % der Gesamtbevölkerung in der Landwirtschaft als Mägde und Knechte tätig. Mit den damaligen Methoden ließe sich nicht einmal die Hälfte der heutigen Menschheit ernähren. Aber vielleicht ist das ja auch das Ziel.
Es gab damals auch keine Influencer – oder “ich mache irgendwas mit Medien.”
“Die Natur” war auch kein idyllisches Paradies, im “Schlaraffenland” lebten allenfalls Fürsten und Bischöfe.
Karl
27. März 2024 @ 17:51
Sie wissen nicht, worüber Sie reden! Zwischen den Fruchtfolge-Feldern bin ich noch groß geworden; Fruchtfolge mit Saubohnen, die als Schmetterlingsblütler den Boden wieder gedüngt und aufgewertet haben. Heute stehen da weit und breit Einfamilienhäuser-Siedlungen. Eine bezahlbare Mietwohnung, in der wir damals in Oberbayern wohnten, ist auch nicht mehr zu finden.
Einige Großbauern sind übrig geblieben, denen natürlich die Saubohne so scheißegal ist, wie Sie es in ihrem Kommentar beschreiben.
Was die Kurden für den NATO-Beitritt Schwedens sind, das sind die Frösche, Vögel und Insekten für die EU-Agrarier. Widerlich!
KK
27. März 2024 @ 18:11
„Es gab damals auch keine Influencer – oder „ich mache irgendwas mit Medien.““
Im 19. Jahrhundert gabs auch keine „ich hab von nix wirklich Ahnung und mache deshalb irgendwas mit Politik“…
KK
27. März 2024 @ 12:54
“Demnach sollen Bauern künftig selbst entscheiden, ob sie der EU-Vorgabe folgen.”
OK, das machen wir jetzt überall so… wir entscheiden selbst, woran wir uns halten wollen. Eine vernünftige Möglichkeit, den immer mehr ins private hineinreichenden Vorgaben aus Brüssel zu begegnen (leckeren Rohmilchkäse aus Frankreich bekomm ich hier zB nicht mehr – bitte wieder liefern!).
european
27. März 2024 @ 10:55
Kleine Korrektur: Ich schrieb oben Kfz-Steuer, meinte aber die Sprit-bzw Energiesteuer, die an der Zapfsäule fällig werden und von der die Bauern bisher befreit wurden.
Karl
27. März 2024 @ 20:59
Es geht sowohl um die KFZ- als auch um die Sprit-Steuer. Die KFZ-Steuer wurde 1922 den Bauern erlassen, um die Umstellung von Pferd und Ochse zu erleichtern. Was die Sprit-Steuer betrifft, so weiß jeder, der auf dem Land wohnt, dass die Bauern auch ihre Diesel-PKW mit dem “Agrardiesel” betanken (das “entscheiden” die Bauern schon immer “selber”).
Heute bleibt nicht viel von der KFZ-Steuer für den Straßenbau, denn allein der Kauf von SUVs wird mit 5 Milliarden jährlich bezuschusst. Tatsächlich ist Verkehr der zweithöchste Posten im Bundeshaushalt und wird von allen Steuerzahlern getragen, darunter ganz besonders den Nicht-Autofahrern.
Die Ausnahme für Pferd und Ochse hat sich überlebt. Noch nicht ganz so lange überlebt hat sich der irrationale EU-Klientelismus für konservative Interessengruppen.
european
27. März 2024 @ 07:45
Zumindest in Deutschland dient die Kfz-Steuer dem Erhalt der Straßen. Offiziell ist das die Definition. Berücksichtigt man, dass die Landwirte mit ihren Traktoren nur über ihre Äcker fahren und die öffentlichen Straßen nicht oder so gut wie nie benutzen, ist der Verzicht auf die Besteuerung mE gerechtfertigt und auch nicht wirklich eine Subvention.
Von dem, was ich bisher von den Bauern gehört habe, kann ich viele der Argumente verstehen. Das Sterben der Hoefe, die ständig steigenden Ackerlandpreise durch Spekulationen, die sinkende Versorgungssicherheit, sind nur einige Argumente. Ein ueberbordendes Regelwerk kommt noch obendrauf. Bisher haben sich die Bauern daran gehalten, um jetzt zu erleben, dass der Markt mit Produkten geflutet wird, die nicht ansatzweise europäischen Standards entsprechen, zb durch die Verwendung von Pestiziden, die bei uns seit 20plus Jahren verboten sind. Dahinter stecken amerikanische Konzerne, die im großen Stil ukrainisches Ackerland gekauft haben.
https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/dessau/wittenberg/landwirtschaft-hoefe-sterben-milchpreis-ferkel-preis-104.html
„Inzwischen sind auch die Getreidepreise nach einem kurzen Hoch 2022 wieder gefallen. Landwirte bleiben auf ihrem Getreide sitzen, weil der Markt gerade geflutet wird mit dem Getreide US-amerikanischer Kapitalgesellschaften. Die haben in der Ukraine wertvollen Schwarzboden und Teile der dortigen Landwirtschaft aufgekauft.“