EU-Vorsitz: Plötzlich ist Jansa ganz zahm
Die EU soll die Coronakrise bis zum Jahresende hinter sich lassen und wieder auf Expansionskurs gehen. Dies versprach Sloweniens Regierungschef Janez Jansa zum Start der sechsmonatigen Ratspräsidentschaft seines Landes.
„Wir hoffen auf eine Normalisierung der Lage“, sagte Jansa im Europaparlament in Straßburg. Außerdem wolle er den Beitritt der Westbalkan-Länder vorantreiben.
Jansas Auftritt wurde von Protesten der slowenischen Zivilgesellschaft und von heftiger Kritik mehrerer Europaabgeordneter überschattet. Dem rechtskonservativen Regierungschef, der Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) ist, werden Angriffe auf die Pressefreiheit vorgeworfen. Zudem versuche er, Richter einzuschüchtern und den Rechtsstaat auszuhebeln.
„Wer die staatliche slowenische Nachrichten Agentur kurz vor der EU-Präsidentschaft als ‚nationale Schande‘ verunglimpft, gefährdet die Pressefreiheit und schafft inakzeptablen Druck gegenüber Journalisten und Bloggern“, kritisierte die stellvertretende Parlamentspräsidentin Nicola Beer (FDP/Renew). „Sie folgen den Anhänger der illiberalen Demokratie“, sagte Ska Keller von den Grünen.
Jansa ließ die Vorwürfe an sich abprallen. Die Presse in Slowenien sie noch nie so frei gewesen wie heute, behauptete der ehemalige Journalist. „Wir haben uns für den europäischen Weg entschieden, damit Europa freier wird“, fügte er hinzu. Allerdings gehöre zu Freiheit auch Vielfalt, und der Rechtsstaat brauche eine „unabhängige Judikative“. Dafür setze er sich ein.
Doch daran sind Zweifel aufgekommen – sogar in der EU-Kommission. Bei einer Arbeitssitzung mit den Brüsseler Kommissaren in Ljubljana hatte sich Jansa in der vergangenen Woche über angeblich kommunistische Richter und Abgeordnete in seinem Land beschwert. Kommissionsvize Frans Timmermans boykottierte daraufhin das Familienfoto mit der slowenischen Regierung – der Eklat war perfekt.
Borrell ging mit Jansa wandern
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Doch kurz darauf ging Jansa mit einem anderen Mitglied der EU-Kommission – dem Außenbeauftragten Josep Borrell – wandern. Borrell gehört genau wie Timmermans der sozialdemokratischen Parteienfamilie S&D an. „Was ist da eigentlich im Hause Berlaymont los“, fragte der linke Europaabgeordnete Martin Schirdewan nun an die Adresse von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das Berlaymont ist das Brüsseler Kommissionsgebäude.
Von der Leyen ging auf den Seitenhieb nicht ein. Wie Europa nach der Corona-Pandemie aus der Krise komme, sei mit der Frage von Vertrauen verbunden, sagte die deutsche CDU-Politikerin in Straßburg. Es gehe dabei um das Vertrauen in eine ordentliche Bekämpfung von Korruption und Betrug, das Vertrauen in freie Medien und unabhängige Gerichte und das Vertrauen von Investoren und Unternehmen in verantwortungsvolle Regierungsführung.
Dieses Vertrauen ist erschüttert – jedenfalls aus Sicht der meisten Europaabgeordneten. Nur Rechtskonservative und Nationalisten verteidigten Jansa bei seinem Auftritt in Straßburg. Der nahm’s gelassen: „Wir haben uns für den europäischen Weg entschieden“, erklärte der bekennende Fan des früheren US-Präsidenten Donald Trump.
Von „kleineren Komplikationen“ werde er sich nicht aufhalten lassen – und die EU aus der Krise führen. Plötzlich ist Jansa ganz zahm…
Siehe auch “Burgfrieden mit Jansa”
Fidas
7. Juli 2021 @ 12:08
Ihr Verständnis von Slowenien scheint klärungsbedürftig. Den EU-Staat als ”kleines Balkanland” zu bezeichnen kann geografisch grenzwertig ( https://www.youtube.com/watch?v=bwDrHqNZ9lo ) stimmen um ihm dadurch einen balkanesisch /orientalisch Beigeschmack anzuhängen. Auch der Vorwurf der guten Beziehung zu den USA über die persönliche Freundschaft Jansas zu Trump leuchtet nicht ein. Politisch und geografisch gehört Slowenien zu Mitteleuropa als südlichstes Kettenglied an der Adria von der Ostsee beginnend über Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn. Somit an äußerst neuralgischer Stelle, auch ist die Route aus Westeuropa zum Südbalkan nicht in Umgehung dieser Staaten möglich . Die geopolitische Entität , die eine wesentliche Rolle schon zwischen dem 1. und 2. WK spielte. Diese Staaten sind sich dessen bewusst und nutzen ihren Vorteil. Die Rechtstaatlichkeitsvorwürfe helfen kaum , genau wie mit der Türkei. Die Befreiungsversuche der EU eine Alternative Nord-Süd Achse weiter östlich zu etablieren scheitern an Weißrussland.
Wer hätte vor einigen Jahren noch gedacht, dass der Bestand der EU durch historisch immanente geopolitische Gegebenheiten scheitern könnte ?