Milliarden für Polen – so tief greift Brüssel in nationale Kompetenzen ein

Die EU-Kommission hat die Freigabe von rund 137 Milliarden Euro für Polen genehmigt, die wegen Bedenken zur Rechtsstaatlichkeit eingefroren worden waren. Die Begründung ist verräterisch – sie zeigt, wie tief Brüssel in nationale Kompetenzen eingreift.

Bei den nun freigegebenen Geldern geht es um rund 60 Milliarden Euro Corona-Hilfen und rund 76,5 Milliarden Euro aus einem Fonds, mit dem der Lebensstandard unter den EU-Staaten angeglichen werden soll.

Für die Corona-Gelder habe Warschau drei “Super-Milestones” erfüllt, teilt die EU-Kommission mit. Dabei geht es um Reformen am Rechtsstaat, die Brüssel gefordert hatte.

  • the Disciplinary Chamber of the Supreme Court is abolished and replaced by another Supreme Court Chamber meeting the EU law requirements of an independent and impartial court established by law;
  • the disciplinary regime is reformed, and safeguards are in place so that judges no longer face a risk of disciplinary liability for the content of their judgments or for applying EU law; and
  • all judges affected by the rulings of the Disciplinary Chamber have the right to have their case reviewed by a new Supreme Court Chamber within a clear timeframe and on the basis of the new regime.

Für die zweite Tranche hatte Brüssel eine “horizontal enabling condition” gestellt, bei der es (auf dem Papier) um die Grundrechte geht. In der Praxis drehte es sich aber erneut um den Rechtsstaat:

  • Poland has established effective institutional and procedural arrangements to ensure compliance with the Charter in all stages of programming and implementation of the Cohesion Policy, European Maritime, Fisheries and Aquaculture, and Home Affairs funds programmes. Roles and responsibilities are clearly defined for bodies such as the Human Rights Ombudsman and Charter coordinators. An effective complaints mechanism and reporting arrangements have also been put in place; and
  • Poland addressed judicial independence issues by reforming the disciplinary regime for judges. In addition, Polish courts can initiate verification procedures to assess whether a judge meets the Article 19 TEU requirements relating to judicial independence.

Festzuhalten bleibt, dass die EU mit dem Rechtsstaats-Argument einen universell einsetzbaren Gummiparagraphen geschaffen hat, der finanzielle Sanktionen in ungeahnter Größenordnung erlaubt.

Damit kann Brüssel nicht nur in die Justiz, sondern auch in Fragen des “Wiederaufbaus” nach Corona, insbesondere den Umweltschutz und die Digitalisierung, sowie in die Agrar-, Sozial- und Asylpolitik eingreifen.

Die nicht gewählte EU-Kommission kann auch Gelder freigeben, obwohl die geforderten Reformen noch nicht abgeschlossen sind, sondern nur eingleitet oder versprochen wurde – wie im Falle Polens.

Offenbar geht es darum, eine “pro-europäische” Regierung zu belohnen. EU-Chefin von der Leyen ist letzte Woche extra nach Warschau gereist, um die frohe Botschaft zu verkünden, bevor sie offiziell beschlossen war (das geschah erst heute)…