Scholz und Macron auf Abwegen, Alarm in Moldau – und Sperre für Amazon
Die Watchlist EUropa vom 29. Februar 2024 – Heute mit dem Führungsstreit in der EU, einem “Schutzgesuch” aus Transnistrien und einem Machtwort im Europaparlament.
Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sagt Clausewitz. Wer einen Krieg gewinnen will, muß nicht nur über die nötigen Mittel verfügen, sondern auch über die richtige Politik.
Der EU fehlt beides. Sie hatte nie die (militärischen) Mittel, um der Ukraine zum Durchbruch zu verhelfen. Sie hatte aber auch nie eine politische Linie oder Strategie – das hat man Kiew überlassen.
Statt sich das endlich einzugestehen und alles daran zu setzen, den Konflikt zu beenden, rangeln Deutschland und Frankreich, einst Garantiemächte für den Frieden, neuerdings um die Führung im Krieg.
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Kanzler Scholz steckt rote Linien ab, Präsident Macron reißt sie ein. Scholz fordert mehr Waffen, Macron droht mit westlichen Soldaten. Scholz will, dass Russland nicht gewinnt – Macron fordert, dass Moskau verliert.
Dieser deutsch-französische Kleinkrieg um das EU-Kommando ist gefährlich – denn er spaltet EUropa, verunsichert die Bürger und lenkt von den eigentlichen Fragen ab, die sich im neuen Jahr stellen.
Kann die Ukraine noch ihre Kriegsziele erreichen? Ist Selenskyj noch der starke Mann in Kiew? Kann die EU das Land im Ernstfall auch allein verteidigen – ohne Hilfe der USA? Und wie sieht die Nachkriegsordnung in Europa aus?
Macron und Scholz irren, wenn sie glauben, sie könnten diesen Fragen ausweichen. Die Bürger verlangen Antworten – heute mehr denn je. Denn nun geht es nicht mehr nur um ihr Ego und den Führungsanspruch.
Zwei Jahre nach der “Zeitenwende” geht es um eine direkte Kriegsbeteiligung – und das gegen Russland. Clausewitz, der Napoleons Feldzug gegen Russland miterlebt hat, dürfte sich im Grabe umdrehen…
Siehe auch “Wo Scholz Recht hat” und “Zwei Jahre Ukraine-Krieg: Die EU muss sich endlich ehrlich machen”
News & Updates
- Alarm in Moldau. Die pro-russischen Separatisten in Transnistrien haben Russland um “Schutz” gegenüber Moldau gebeten. Zur Begründung wurde unter anderem wirtschaftlicher Druck durch Moldau genannt. – Die Ukraine hatte angekündigt, den Transit von russischem Gas 2025 zu beenden. Dies würde vor allem Transnistrien treffen. Auch Österreich könnte Probleme bekommen – doch die EU schweigt. Sie hat Moldau eine Beitrittsperspektive eröffnet und fürchtet nun ein Szenario wie 2022 im Donbass…
- Patt beim Lieferkettengesetz. Auch im dritten Anlauf hat das Lieferkettengesetz der EU nicht die nötige qualifizierte Mehrheit gefunden. Insgesamt haben sich 13 Staaten enthalten, Deutschland war also nicht allein. Schweden stimmte sogar mit Nein. Dafür gibt es (mhr oder weniger gute) Gründe. – Mehr hier (Blog)
- Von der Leyen fliegt weiter privat. EU-Kommissionschefin von der Leyen ist im vergangenen Jahr 23mal mit einem Privatjet geflogen. Damit liegt sie weit vorn – die Kommission insgesamt kam nur auf 29 solcher Flüge, wie der EU-Politiker und Linkenvorsitzende M. Schirdewan mitteilte. – Wir haben schon im Herbst berichtet, geändert hat sich nichts…
- Mehr als eine Million Asylanträge. 1,1 Millionen Menschen haben 2023 einen Asylantrag in der EU gestellt. Das ist ein Anstieg um 18 Prozent gegenüber 2022, wie die Asylagentur EUAA mitteilte. Deutschland war erneut das wichtigste Zielland für Asylbewerber. – Die Migrationskrise geht weiter, unsere Analyse hier.
Das Letzte
Amazon muß leider draußen bleiben. Das Europaparlament will Amazon-Lobbyisten den Zugang verwehren. 14 Zugangsausweise für Vertreter von Amazon würden widerrufen und bis auf weiteres keine neuen ausgestellt, teilten die Abgeordneten mit. Hintergrund ist, dass sich Amazon keiner Anhörung zu den (miesen) Arbeitsbedingungen im Versandhandel stellen wollte. Das wollten sich die Parlamentarier nicht länger bieten lassen. – Schade nur, dass sie mit EU-Chefin von der Leyen nicht genauso hart umspringen – die weigert sich ja auch, Fragen zu ihren umstrittenen Impfstoffdeals mit Pfizer zu beantworten…
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WBD
29. Februar 2024 @ 16:32
@Alarm in Moldau: Man sollte sich mal die Lage Transnistriens verdeutlichen: ein schmaler landstreifen, eingeklemmt zwischen der Ukraine und Moldawien, und ohne Zugang zum Meer. Solange die ukrainische Schwarzmeerküste um Odessa ukrainisch kontrolliert wird, wäre für Russland kein Landzugang möglich; erst wenn Odessa russisch ist, wäre ein Anschluss von Transnistrien technisch möglich. Also alles eher theoretische Planspiele…
Wenn es aber ernst würde: wie wäre es, wenn beide Seiten aus der jetzigen Situation lernen würden, und sich auf eine Volksabstimmung unter UN-Kontrolle einigen würden?
Das wäre doch ein gutes Beispiel für alle imperial handelnden Grossmächte, denn vom Selbstbestimmungsrecht der Völker wird immer nur taktisch geschwafelt. Echte, international anerkannte Volksabstimmungen würden da sehr hilfreich sein!
(Baskenland, Kosovo, Transnistrien, Abchasien, etc.pp. lassen grüssen!)
Stef
29. Februar 2024 @ 13:13
@ Thomas Damrau:
Soweit ich weiß stehen mehr als 1.000 russische Soldaten in Transnistrien und zwar hochoffiziell.
Die EU und Westeuropa sind mal wieder dumm genug, sich von einem Land, das weder EU-Mitglied noch Nato-Mitglied ist, in eine Eskalation treiben zu lassen. Präsidentin Sandu profiliert sich gegen Russland, indem sie den inneren Konflikt mit Transnistrien eskaliert. Das ist für Moldawien genau so töricht wie für die Ukraine. Beide Länder haben von ihrer Geografie her keine Wahl, als ihr Heil in einer Brückenfunktion zwische Ost und West zu suchen. Wer auch immer das aus Gründen des “Selbstbestimmungsrechts der Völker” gerne anders bewertet, wettet auf ein totes Pferd. Kann man machen, man sollte sich nachträglich aber nicht über die absehbare Bruchlandung beschweren.
Doch statt die Gräben zwischen dem Westen und Russland zuzuschütten, werden sie von Sandu nach Kräften vertieft. Der Westen kann und wird sie nicht retten. Und die russische Staatsführung wird über kurz oder lang nicht zuschauen, wenn an Transnistrien die Animositäten gegenüber Russland ausgelebt werden. Und man sollte sich hier vergegenwärtigen, dass wir das an Stelle Russlands vermutlich auch nicht anders halten würden.
Die EU hätte Moldawien (und der Ukraine) schon lange reinen Wein einschenken müssen über die Grenzen der eigenen Fähigkeiten und Kapazitäten, da ist aber die eigene Hybris vor. Uns steht eine harte Landung bevor.
Thomas Damrau
29. Februar 2024 @ 16:53
@Stef
Was Sie sagen, ist richtig.
Mir ging es darum, dass mal wieder neue Säue durchs Dorf gejagt werden, um ein wenig Grusel bei den EU-BürgerInnen zu verbreiten.
Insbesondere bei Transnistrien ist für Putin jetzt nicht der Zeitpunkt, zwei neue Fronten aufzumachen (Moldawien – Transnistrien, Transnistrien – Ukraine).
KK
29. Februar 2024 @ 12:20
Und DIE PARTEI hat heute vor dem Verfassungsgericht bezüglich der Sperrklausel bei EU-Wahlen verloren. Damit wird wohl eine wichtige Stimme aus Brüssel nach der Wahl verstummen.
Monika
29. Februar 2024 @ 20:08
Könnte nicht eine andere Partei Herrn Sonneborn als “Gast” auf ihrer Liste führen oder Herr Sonneborn gar als unabhängiger Kandidat sich um eine -immerhin -Wiederwahl bemühen?
(Träumen wird doch wohl ansatzweise noch erlaubt sein… Nie hätte ich gedacht dass dieser ungewöhnliche Mensch sich so reinhängt und in diesem Parlament eine so hörbare Stimme erringen kann.)
Thomas Damrau
29. Februar 2024 @ 09:36
Klappern gehört nun mal zum Geschäft. Die EU-Unterstützung der Ukraine leidet im Augenblick auf mehreren Feldern:
— Die Mittel, sowohl Geld als auch Waffen, gehen aus.
— Die USA drohen, wie schon in Afghanistan, sich vom Acker zu machen, weil der Krieg große Teile der amerikanischen Bevölkerung nicht begeistert.
— Es fehlen militärische Erfolge.
— Die Aufmerksamkeit (und die Begeisterung) für diesen Krieg innerhalb der EU-Bevölkerung lässt nach.
Da muss man halt mal wieder auf die Pauke hauen:
— über NATO-Bodentruppen in der Ukraine schwurbeln
— die nächste Diskussion über eine game-changing weapon (Taurus) durch die Medien jagen – und wieder mal suggerieren, dass “der Sieg” von dieser Waffengattung abhänge
— eine bevorstehende Invasion Russland in Transnistrien in den Raum stellen (das mag ja sogar irgendwo unten auf Putins Wunschliste stehen, aber im Augenblick steht kein einziger russischer Soldat westlich des Dnepr – was eine Voraussetzung für ein militärisches Eingreifen wäre)
In der Summe: Mal wieder eine Übung in medialem Shock and Awe – nicht gegen Putin, sondern gegen die EU-Bevölkerung.