Merkel und Michel hofieren Erdogan

Am Donnerstag findet in Brüssel ein Sondergipfel zur Türkei statt. Das Land habe sich zur “größten Gefahr für die EU” entwickelt, warnt der frühere britische Europaminister McShane. Kanzlerin Merkel sieht dies anders – sie hofiert Sultan Erdogan.

Gemeinsam mit Ratspräsident Michel will Merkel am Dienstagmittag eine Videokonferenz mit dem türkischen Präsidenten abhalten, wie es aus EU-Kreisen hieß. 

Die EU hatte der Türkei wegen der Gasbohrungen vor Griechenland und Zypern Ende August ein Ultimatum gesetzt und mit zusätzlichen Sanktionen gedroht.

Wenn es keine Fortschritte gebe, könne auf dem Sondergipfel eine Liste weiterer Strafmaßnahmen diskutiert werden, sagte der EU-Außenbeauftragte Borrell.

Doch das will Merkel verhindern. Sie setzt auf eine “positive Agenda”, die einen “Dialog” mit Griechenland und Zypern, einen neuen Flüchtlingsdeal und sogar ein ausgeweitetes Zollabkommen und Visaliberalisierungen umfasst.

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, teilt mit:


Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, haben in Vorbereitung des bevorstehenden Europäischen Rates eine Videokonferenz mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan abgehalten. Zur Sprache kamen verschiedene Aspekte der bilateralen Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. Gesprächsthema war auch die Wiederaufnahme der direkten Sondierungsgespräche über die Abgrenzung von Seegebieten zwischen Griechenland und der Türkei.

Pressemitteilung nach dem Gespräch Merkel-Erdogan

Statt um Sanktionen soll es also um Anreize gehen, wie auch die Pressemitteilung (oben) bestätigt. Das Wort Sanktionen kommt nicht ein einziges Mal vor.

Stattdessen sprach man über “verschiedene Aspekte der bilateralen Beziehungen”. Man könnte auch sagen: Erdogan soll für seine Provokationen hofiert und belohnt werden.

In anderen Fällen wäre dies undenkbar. Oder hat Merkel dem russischen Zaren Putin eine engere Zusammenarbeit angeboten, um EU-Sanktionen gegen Russland abzuwenden?

Die Türkei ist zu wichtig, um sie zu düpieren, rechtfertigt man sich in Berlin. Man kann es allerdings auch anders sehen – wie der frühere britische Europaminister D. McShane.

Turkey is the biggest threat to Europe today, and the Greeks need our help“, schreibt er im “Independent”. Auch zum deutschen EU-Vorsitz hat er etwas zu sagen.

If the EU’s foreign policy is now vegetarian, German foreign policy is vegan“, heißt es in dem Gastbeitrag. Ein treffendes Bonmot, wie ich finde…

Siehe auch “Die Schlafwandler aus Berlin” und “Spricht Merkel für die EU – oder nur über sie?”

P.S. Die Türkei hat die neuen EU-Sanktionen gegen eine türkische Firma im Zusammenhang mit mutmaßlichen Waffenlieferungen nach Libyen als “wertlos” bezeichnet. Ankara warf der EU Doppelmoral vor und bezeichnete sie als “parteiisch”. Dabei basieren die Sanktionen auf dem Libyen-Gipfel, den Kanzlerin Merkel im Januar in Berlin organisiert hatte. Erdogan war auch dabei… – Zu den Libyen-Sanktionen mehr hier