Lindner eifert Le Maire nach, die Nato verliert die Ukraine – und Polen will führen

Die Watchlist EUropa vom 16. März 2022 –

Die Finanzminister der EU wollen die rasant steigenden Benzin- und Energiepreise und andere negative Folgen des Ukraine-Krieges für Bürger und Unternehmen abfedern. Es gehe um „schnelle, gezielte und befristete Hilfe“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Dienstag in Brüssel. Dazu könne auch der umstrittene Tankrabatt zählen.

Andere Vorschläge wie eine Senkung der Mehrwertsteuer hätten kaum Aussicht auf Erfolg, sagte Lindner nach einem zweitägigen Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen. Dies habe auch Finanzminister Bruno Le Maire im Namen des französischen EU-Vorsitzes bestätigt. Le Maire sei ausdrücklich gegen Steuersenkungen, so Lindner.

In Frankreich wird die Lage mit der Ölkrise 1974 verglichen. Die französische Regierung hatte am Wochenende eine „Remise“ von 15 Cent pro Liter Benzin angekündigt. Diese Stützungsmaßnahme soll am 1. April beginnen und vier Monate dauern. „Wer mit 60 Litern volltankt, spart neun Euro“, erklärte Premierminister Jean Castex.

Viel Lamento, keine Beschlüsse

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Lindner verfolgt ähnliche Pläne. Ein „fixer Krisenrabatt“ könnte 30 oder 40 Cent betragen, sagte er am Montagabend im ZDF-„heute journal“. Er könnte schnell und unbürokratisch gewährt werden und würde auch nicht mit den strikten EU-Regeln zur Besteuerung in Konflikt geraten. Außerdem würde eine Verzerrung des Marktes vermeiden, denn das Preissignal an der Zapfsäule bleibe erhalten.

Die deutsche Debatte über Steuersenkungen stehe „quer“ zu den Diskussionen in der EU, betonte Lindner nach seinen Beratungen in Brüssel. Allerdings ließ der deutsche Minister offen, wann er den „Krisenrabatt“ oder andere Hilfen gewähren will. Auch die EU legte sich nicht fest.

Die Finanzminister billigten zwar einen neuen CO2-Grenzausgleich, der dem Schutz der europäischen Industrie vor klimaschädlichen Importen dient. Doch Beschlüsse zu Finanzhilfen für die europäische Wirtschaft lassen auf sich warten. Das liegt daran, dass die EU-Kommission zögert – und die 27 Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Vorstellungen haben.

Die Spekulation will keiner angehen

Während Deutschland nun Frankreich nacheifern und einen Benzinrabatt einführen könnte, fordert Österreich eine Senkung der Steuern auf Benzin und Diesel. Wieder anders geht Belgien vor. Die Föderalregierung in Brüssel beschloß ein Maßnahmenpaket, das jedem Haushalt Einsparungen von 300 Euro im Jahr sichern soll – unter anderem durch eine niedrigere Mehrwertsteuer auf Gas.

Das eigentliche Problem – die Spekulation am Energiemarkt und das ungeeignete Marktdesign der EU – geht jedoch niemand an. Im Strommarkt richten sich die Preise nach den teuersten genutzten Energieträgern, derzeit Kohle und Gas. Das Problem wird seit Monaten diskutiert, eine Reform ist jedoch nicht auf dem Weg.

Auch an die “Übergewinne” von Energiekonzernen, Kraftwerksbetreibern und Raffinerien wagt sich niemand heran. Da gilt immer noch die Doktrin der freien Marktwirtschaft – oder des “Ordoliberalismus”, wie Lindner sagen würde. Ausgrechnet die Neoliberalen verspüren im Krieg wieder kräftig Rückenwind, jedenfalls in Brüssel…

Siehe auch “Die Neoliberalen sind auch wieder da”

Watchlist

Was plant die Nato? Am Mittwoch treffen sich die Verteidigungsminister, eine Woche danach soll es sogar einen Nato-Sondergipfel in Brüssel geben, vermutlich mit US-Präsident Biden. Die hektische Aktivität ist suspekt, denn offiziell hat das Militärbündnis mit dem Krieg in der Ukraine ja gar nichts zu tun. Die Nato hat den Krieg in gewisser Weise sogar schon verloren – denn der urkainische Präsident Selinskjy hat erneut erklärt, dass er auf einen Beitritt seines Landes verzichten wolle. Zu einer Nato-Mitgliedschaft gebe es keine offene Tür, sagte er. Sein Land brauche aber verlässliche Sicherheitsgarantien.

Was fehlt

Die gefährliche Reise nach Kiew. Die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien sind am Dienstag nach Kiew gereist, um sich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Sie wollen so ihre Unterstützung für den Freiheitskampf der Ukraine signalisieren und ein Paket mit konkreter Hilfe für das von Russland angegriffene Land vorlegen. Angeführt wird die Expedition in den Krieg von Polen, das damit seinen Anspruch auf eine Führungsrolle in der EU bekräftigt. Das letzte polnische Manöver – die Lieferung von Kampfjets – war allerdings in die Hose gegangen…