Die Nato tut so, als habe sie mit dem Krieg nichts zu tun
Die Nato will sich nicht in den Krieg Russlands gegen die Ukraine hineinziehen lassen, den sie durch ihre Expansionspolitik selbst mitverursacht hat. Das mächtigste Militärbündnis der Welt ist plötzlich ganz klein mit Hut – und vorsichtiger als die EU.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist kategorisch: “Die Nato wird keine Truppen in die Ukraine entsenden oder Flugzeuge in den ukrainischen Luftraum verlegen”, sagte der Norweger bei einem Besuch auf dem polnischen Luftwaffenstützpunkt Lask. “Die Nato wird sich nicht an dem Konflikt beteiligen.”
Der polnische Präsident Andrzej Duda bekräftigte: “Wir schicken unsere Flugzeuge nicht, denn das würde eine militärische Einmischung in den Konflikt bedeuten, der sich in der Ukraine abspielt, es würde bedeuten, dass sich die Nato in den Konflikt einschaltet, aber die Nato ist keine Partei in dem Konflikt”.
Die Nato ist keine Partei – ein gewagter Satz. Schließlich hat sie sich schon 2008 bereit erklärt, die Ukraine aufzunehmen. Auch wenn der Beitrittsplan auf Eis liegt, wurde die Ukraine aufgerüstet und so weit exponiert, dass Kremlchef Putin ultimativ einen Rückzug der Allianz forderte.
Die Nato war am Ende zwar nicht der Kriegsgrund, aber ihr Rückzug ist weiter ein Kriegsziel. So leicht können sich die Alliierten also nicht aus dem gefährlichen Konflikt herausstehlen. Dennoch agieren sie klug – denn niemand will eine direkte Konfrontation, die schnell eskalieren könnte.
Ganz anders geht die EU vor. Ohne Not hat sie Waffenlieferungen an die Ukraine beschlossen, eine Zeitlang war sogar von Kampfjets die Rede. Das Kriegsgerät soll in Polen gesammelt und von dort aus an die Front geschickt werden. Damit wird sie, wenn auch nicht direkt, zur Kriegspartei.
Zudem geht die EU, genau wie die USA, offensiv mit einem Wirtschaftskrieg gegen Russland vor. Damit wird eine zweite Front eröffnet, die sich am Ende als gefährlicher als der “echte” Krieg erweisen könnte – zumal es ja weitgehend um dieselben Akteure geht wie in der Nato…
FAZIT: Es ist eine verkehrte Welt. Die Nato, die die Ukraine schützen wollte, überlasst sie schutzlos dem russischen Agressor und tut so, als habe sie mit dem Krieg nichts zu tun – um das Risiko zu mindern. Gleichzeitig eröffnet die EU einen Wirtschaftskrieg, um das Versagen der Militärs zu verdecken – und geht dabei voll ins Risiko!
Siehe auch “Wirtschaftskrieg: Moskau droht, Paris relativiert, Berlin legt nach”
P.S. Der Fall von Kiew sei kaum noch zu verhindern, heißt es bei der Nato. Die russischen Truppen seien den ukrainischen Streitkräften drückend überlegen, das Ergebnis der drohenden Schlacht jetzt schon klar.
P.P.S. Wie künstlich die Trennung von EU und Nato ist, zeigt ein neuerliches Treffen der Außenminister der EU-Staaten am Freitagnachmittag. Zu der Sitzung werden auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sowie US-Außenminister Antony Blinken erwartet. Stoltenberg ist mittlerweise Stammgast im Brüsseler Europaviertel…
Kostas Kipuros
2. März 2022 @ 10:08
Nachdem der erste Schock über die nicht für möglich gehaltene russische Invasion in der Ukraine „nachzulassen“ beginnt, macht sich ein noch größeres Unbehagen über den Plot breit, den wir gerade erleben und über den seltsamerweise selbst in ansonsten stringenten Argumentationen kaum reflektiert wird: Das klare Ziel der US-Regierung genau diese Situation herbeizuführen, wie sie derzeit besteht: Russland sein Afghanistan 2.0 zu bereiten. Wenn es stimmt, dass das oberste geostrategische Ziel des Westens seit über 100 Jahren – angefangen von Mackinders „Heartland“-Theorie bis zu Brzezinskis „Chessboard“ darin besteht, den Aufstieg jedes potenziellen globalen Rivalen zu verhindern, respektive auszuschalten, dann steht, nein, nicht Putin, sondern Russland vor einer Entscheidung strategischer Reichweite, die seine Existenz betrifft, nämlich jener, sich entweder selbst zu „entleiben“, das heißt, Ansprüche auf die Gestaltung eigener Sicherheitsinteressen aufzugeben, sich – damals dem britischen Empire, jetzt dem US-Imperium – unterzuordnen oder diese eben gegen die USA durchzusetzen. Diese Frage führt zwangsläufig zu der Problemstellung, wie diese Interessen im Einklang mit den eigenen Sicherheitsinteressen und dem Völkerrecht durchzusetzen sind. Im Fall des russischen Präsidenten lässt sich ohne Zweifel nachzeichnen, dass Russland zwei Jahrzehnte lang fast bis zur Selbstaufgabe versucht hat, Kompromisse herbeizuführen. Wie bekannt, ist er damit gescheitert. Die Feststellung, dass Russland mit der Invasion Völkerrecht bricht, ist deshalb zwar richtig, führt aber eben auch nicht weiter, weil sie die Frage der Alternative unbeantwortet lässt, vor der Russland steht und die ebenso simpel wie nüchtern lautet: entweder mittelfristig eine westliche atomare Bedrohung zu akzeptieren oder diese Gefahr auszuschalten. Die berechtigte Empörung über Putins Vorgehen kann deshalb nur dann uneingeschränkte Zustimmung erfahren, wenn nachgewiesen werden kann, dass 1. Russland über andere ungenutzte friedliche Optionen verfügt, mit denen berechtigte Sicherheitsinteressen zu garantieren sind, 2. ein Nachgeben Russlands in geostrategischen Fragen gegenüber den Akteuren des Westens – also USA, Nato und EU – zu keinen weiteren Ansprüchen selbiger gegenüber Russland führen würde und 3. es alternative politische Figuren in Russland gibt, die in prinzipiellen Fragen diametral entgegengesetzte Positionen zu Putin beziehen. Einfach gefragt, wie realistisch ist die westliche Erwartung, ein anderer Präsident Russlands würde 1. im Gegensatz zu den USA auf jede militärische Option und Drohung bei der Durchsetzung russischer Sicherheitsinteressen verzichten, 2. die Aussicht auf eine atomare Bedrohung in und durch die Ukraine akzeptieren und 3. die Rückgabe der Krim bzw. die Preisgabe des Donbas’ in der russischen Gesellschaft konsensfähig machen und auch durchsetzen. Die Antworten liegen auf der Hand. Da Russland derzeit über keine Option verfügt, dieses Dilemma ohne Selbstaufgabe oder Völkerrechtsverletzung aufzulösen, droht der Krieg fatalerweise bis zum Sieg der einen und damit bis zur Niederlage der anderen Seite (wer auch immer das sein wird) zu eskalieren. Dennoch bleibt zu konstatieren: Der Westen hätte bei einem Kompromiss mit Russland keine existenziellen Nachteile, er würde „lediglich“ den geostrategischen Status quo zementieren ergo immer noch im Vorteil sein. Jede Friedensbewegung, die es Ernst meint, sollte auf dieser Grundlage handeln.
Michael
2. März 2022 @ 09:27
Es war doch von vornherein klar, dass die Ukraine und ihre Bevölkerung die Opfer in den globalen Machtspielen der USA sein würden. Haben die sich je um die Folgen ihrer großartigen Interventionen für die hehren Werte der Greatest Nation on the World geschert? Cuba, Chile, indochina, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Venezuela…die Reihe liesse sich beliebig fortsetzen. Jetzt hat eben die Ukraine Pech, dass sie auf die Versprechungen hereingefallen ist. Und dort scheint es ja auch einige Naivität zu herrschen, wie sonst könnte man ernsthaft glauben, mal eben von heute auf morgen Mitglied in der EU zu werden. Wenn es schon kaum erfolgreich sein wird, die Türkei aufnehmen zu können oder vielleicht in 20 Jahren, …
Und dann sollte man der größenwahnsinnig gewordenen Kommissionspräsidentin mal die Schuman-Erklärung zum Lesen geben. Aber ich habe so meine Zweifel, dass sie das versteht, insbesondere die Absicht, dass jeder Krieg (zwischen Frankreich und Deutschland) nicht nur undenkbar sondern materiell unmöglich ist. Also genau das Gegenteil von dem, was die EU – und die selbst ernannte Anführerin derzeit veranstalten.
ebo
2. März 2022 @ 09:29
Sie sprechen mir aus dem Herzen…
Die EU ist sowas von lost, wieder einmal. Mein Kronzeuge ist Helmut Schmidt, der alles schon kommen sah: https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-krise-helmut-schmidt-wirft-eu-groessenwahn-vor-a-969773.html
european
1. März 2022 @ 20:56
Schon ein wenig scheinheilig.
Genau betrachtet, kann man die Nato-Osterweiterung als eine der Hauptursachen des Ukraine – Konflikts ansehen, dicht gefolgt vom EU Assoziierungsabkommen.
Lange gezuendelt, jetzt brennt es lichterloh und nun reißt man die Hände hoch und will nichts damit zu tun haben.
Was soll man dazu noch sagen?
Jetzt nehmen wir die Ukraine auf, damit es dann wenigstens in ganz Europa brennt.
Was nicht gewählte Menschen so alles anrichten können….
ebo
1. März 2022 @ 22:19
Ja, sehr scheinheilig das Ganze. Es wird der Nato aber noch auf die Füsse fallen, spätestens wenn Kiew brennt. Dann wird man nach der Rolle des “größten und besten Militärbündnisses der Welt” fragen…
Holly01
1. März 2022 @ 18:19
Ich wette meinen fetten Hintern, das die Amis jetzt die Pipeline übernehmen:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/nord-stream-insolvenz-gazrom-gas-pipeline-russland-ukraine-101.html
Und an einer anderen Front gibt Deutschland gerade seine komplette Souveränität an der Garderobe ab.
https://tkp.at/2022/03/01/globaler-pandemievertrag-verhandlungen-haben-begonnen/
Darum also die Zentralisierung der Zuständigkeiten und die Knebelgesetzte für die Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen:
So wächst inhaltlich zusammen, was man immer zusammen haben wollte.
Aber seien Sie nicht beunruhigt, ich bin ein verwirrter Mensch, der die Komplexität der Welt nicht überblickt und durch idiologische Scheuklappen einfach sieht was er sehen möchte.
Alles wird gut.