Wie die EU doch noch helfen könnte

Russland bereitet einen groß angelegten Angriff auf Kiew vor. Der Fall der Stadt sei kaum noch zu verhindern, heißt es bei der Nato. Doch die EU könnte noch helfen und ihr neues Arsenal nutzen – warum tut sie nichts?

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die EU eindringlich zu Hilfe gerufen. „Zeigen Sie, dass Sie an unserer Seite stehen“, sagte Selenskyj vor dem Europäischen Parlament per Videoschalte. „Die Europäische Union wird mit uns stärker sein, so viel ist sicher. Ohne Euch, steht die Ukraine alleine da.“ 

Selenskyj meint vor allem den EU-Beitritt, den er im Eilverfahren herbeiführen will. Doch den Blitz-Beitritt wird es nicht geben, wie die EU-Chefs klarstellten. Auf die Ukraine warte „ein langer Weg“, sagte Kommissionschefin von der Leyen, die noch am Montag vorgeprecht war und falsche Hoffnungen geweckt hatte.

Dabei hätte die EU ganz andere Mittel, um Selenskyj zu helfen und den drohenden Fall von Kiew vielleicht doch noch zu verhindern. Sie könnte sich aktiv in die laufenden Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland einschalten und ihr neues Arsenal einsetzen, das sie in aller Eile und mit großem Risiko aufgebaut hat.

Dazu zählen Wirtschafts- und Finanzsanktionen in nie gesehenem Ausmaß, aber auch Waffen, Flugverbote und andere „restriktive Maßnahmen“. All dies könnte Brüssel in die Waagschale werfen – und anbieten, die Sanktionen schrittweise zurückzunehmen, wenn Kremlchef Putin den Angriff auf Kiew stoppt.

Verhandlungen sind kein Thema

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Doch aus Brüssel kommt – nichts. In der Parlamentsdebatte mit Selenskyj fiel kein einziges Wort über die Gespräche zwischen Kiew und Moskau. Von der Leyen und ihr Außenbeauftragter Borrell heizten die Stimmung nur weiter an, statt endlich eine diplomatische Initiative zu ergreifen.

Offenbar fehlt der politische Wille. Schon im Vorfeld des Krieges glänzte die EU durch Abwesenheit. Nur Deutschland und Frankreich bemühten sich um Deeskalation, von der EU-Kommission kam nichts. Sie konzentrierte sich auf den Aufbau einer Drohkulisse mit Sanktionen.

Diese Drohkulisse hat versagt – Putin hat trotzdem den Krieg begonnen. Die EU hat es auch nicht geschafft, wie angekündigt alle Sanktionen auf einmal zu verhängen. Doch nun ist das Paket so gewaltig, dass es Wirkung entfaltet – und für Druckaufbau und Bargaining genutzt werden kann.

Ist der Druck der USA zu groß?

Dass dieses Pfund nun nicht genutzt wird, um die drohende Entscheidungssschlacht zu verhindern, spricht Bände. Entweder beugt sich die USA dem Willen der USA, die von Anfang an auf Härte setzten. Oder aber sie glaubt nicht mehr daran, dass der Fall von Kiew noch zu verhindern ist.

In diesem Fall würde man gern wissen, wie der Plan für die Zukunft aussieht, wenn Selenskyj gestürzt und die Ukraine verloren ist? Will man einen Eisernen Vorhang um Russland legen und das Land aushungern? Will man so lange warten, bis Putin weg ist? Geht es um Regime Change in Moskau?

Wir wissen es nicht – denn eine strategische Debatte findet nicht statt, der Gebrauch der neuen Sanktionswaffen wird nicht probelmatisiert. Alles dreht sich um Verteidigung und Vergeltung – doch wer Solidarität mit der Ukraine fordert, muß weiter denken, und vor allem: mehr tun!

Siehe auch „Solidarität mit der Ukraine – aber nicht so“

P.S. Eine andere Option wäre, China zu einer Vermittlung zu drängen. Immerhin plant die EU einen China-Gipfel. Man versucht es also noch mit Diplomatie. Aber das Datum – 1. April – macht keine große Hoffnung – nicht nur, weil es für Kiew zu spät wäre…