Ein Kriegsgipfel, eine Kriegserklärung – und ein Deal mit dem Diktator
Die Watchlist EUropa vom 23. März 2024 – heute mit der Wochenchronik.
Die Kriege in der Ukraine und in Gaza setzen die EU zunehmend unter Druck. Bei einem zweitägigen „Kriegsgipfel“ in Brüssel haben die 27 Staats- und Regierungschefs nun zwei wichtige außenpolitische Tabus gebrochen.
Die EU-Chefs sprachen sich erstmals für eine Waffenruhe im Gazastreifen aus. In einer Stellungnahme fordern sie “eine sofortige humanitäre Pause, die zu einem dauerhaften Waffenstillstand, der bedingungslosen Freilassung aller Geiseln und der Bereitstellung humanitärer Hilfe führt“.
Die bisher geübte Zurückhaltung gegenüber Israel gehört damit der Vergangenheit an. Die EU-Position stimme weitgehend mit der neuen Haltung der USA überein, sagte der belgische Premier Alexander De Croo, der derzeit den EU-Vorsitz innehat. Auch Washington ist zuletzt von Jerusalem abgerückt.
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Eine Wende gab es auch im Streit über die Finanzierung der Waffenhilfe für die Ukraine. Die Staats- und Regierungschefs haben die EU-Kommission aufgefordert, einen Plan auszuarbeiten, wie Zinserlöse aus eingefrorenem russischem Vermögen für Waffenkäufe genutzt werden können.
Bisher galt Auslandsvermögen als sakrosankt. Die Europäische Zentralbank hatte vor Turbulenzen gewarnt, falls die EU auf das Geld der russischen Zentralbank zugreifen sollte. Nun soll es nur um die Zinsen gehen, zumindest vorerst.
„Da die (Zinsen) ja verfügbar sind und nicht gesucht werden müssen und man weiß, wo sie sind, geht es wohl schnell”, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Damit sind die Probleme rund um den Ukraine-Krieg allerdings noch längst nicht gelöst.
Es sei „beschämend für Europa“, dass die Mitgliedsländer so wenige Artilleriegeschosse lieferten, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoschalte. Die EU müsse dringend mehr tun.
Die Gipfelteilnehmer gelobten, die “Lieferung der notwendigen militärischen Hilfe (zu) beschleunigen und intensivieren“. Im Grunde gestehen sie damit ein, dass sie ins Hintertreffen geraten sind. Doch niemand wagte, das offen anzusprechen und irgendwelche Konsequenzen zu ziehen…
Siehe auch “Wie der EU-Gipfel in den Kriegsmodus wechselte” und “Ukraine und Gaza: Too little, too late”
Was war noch? Russland hat endlich eingestanden, dass die “militärische Spezialoperation” in der Ukraine ein Krieg ist. Zudem wurde bekannt, dass nochmal 100.000 Soldaten mobilisiert werden sollen. Ob diese Kriegserklärung eine Folge der massiven Aufrüstung im Westen ist?
Durchaus möglich. Auf jeden Fall sagen Putins Anhänger nun das , was sie vor der Präsidentschaftswahl partout nicht sagen wollten. Der jüngste Terroranschlag in Moskau dürfte die Lage nicht entspannen, ganz im Gegenteil. Putin könnte ihn zu einer weiteren Eskalation nutzen.
Zurück zur EU: Ihre rastlose Chefin von der Leyen hat in Ägypten einen Milliarden-Deal mit Diktator Sissi geschlossen. Menschenrechts-Organisationen schreien Verrat (an den europäischen Werten) – doch dem EU-Gipfel war es keine Rede wert.
Auch von Kanzler Scholz habe ich nichts gehört. EU-Diplomaten können nicht einmal erklären, warum das Abkommen jetzt kommt und wozu es gut sein soll. Der Kontext – Krieg in Gaza, humanitäre Katastrophe der Palästinenser – lässt nichts Gutes ahnen…
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Josef Berchtold
24. März 2024 @ 09:15
Freilassung aller Geiseln, Auslieferung der Attentäter und ihre Hintermänner/Hinterfrauen, dann humanitäre Hilfe. Vor Wiederaufbau endlich mal Umsiedelung diskutieren. Afrika hat genug Platz in Trockensteppen, wo niemand wohnt aber fossiles Wasser vorhanden ist. Mit der Agrar-Technik Israels kann man dort blühende Landschaften schaffen. Das viele Geld der UNO wird nicht dauerhaft fließen, die schnell wachsende Bevölkerung der Palästinenser auf ewig zu unterhalten. Europa wird nicht mehr das Geld dafür haben – was zahlt China derzeit dazu?
KK
24. März 2024 @ 15:05
„…endlich mal Umsiedelung diskutieren. Afrika hat genug Platz in Trockensteppen…“
So wie die Nazis das zunächst mit den europäischen Juden auf Madagaskar vorhatten?
Wie menschenverachtend kann man sein?
Bogie
24. März 2024 @ 19:31
Das ist in der Tat, das Menschenverachtenste, was ich bisher hier zu der Thematik lesen musste.
In anderen Foren, auch das gehört zur Wahrheit, sind solche Äußerungen allerdings nichts besonderes: „Sollen sie doch verrecken, die palästinensischen Frauen und Kinder, ist ja dann die Schuld der Hamas“
ebo
24. März 2024 @ 19:36
Sorry, aber wenn Sie nochmal so menschenverachtend kommentieren wollen, müssen Sie sich ein anderes Forum suchen. Danke.
umbhaki
23. März 2024 @ 21:43
Eine kleine Anmerkung sei mir bitte erlaubt zu diesem Absatz:
»Die EU-Chefs sprachen sich erstmals für eine Waffenruhe im Gazastreifen aus. In einer Stellungnahme fordern sie „eine sofortige humanitäre Pause, die zu einem dauerhaften Waffenstillstand, der bedingungslosen Freilassung aller Geiseln und der Bereitstellung humanitärer Hilfe führt“.«
Das liest sich, als sei ein Waffenstillstand die Voraussetzung dafür, dass die Geiseln freigelassen werden könnten. Meiner Kenntnis nach ist es eher anders herum.
ebo
23. März 2024 @ 22:57
Ja, es ist anders herum. Das hat auch Deutschland gefordert.
Spanien und einige andere wollten einen sofortigen, bedingungslosen Waffenstillstand, nun fordert die EU nur eine Pause.
KK
24. März 2024 @ 15:08
Wird nicht nach Freilassung der Geiseln Israel erst so richtig mit der Hamas-Hatz anfangen? Sind nicht die Geiseln der Grund, warum noch keine Massenvernichtungswaffen eingesetzt wurden?
Wer nicht vor Krankenhäusern zurückschreckt und Regierungsmitglieder, die einen Genozid öffentlich ankündigen, in ihren Ämtern belässt, ist alles zuzutrauen.
european
23. März 2024 @ 14:19
„„Da die (Zinsen) ja verfügbar sind und nicht gesucht werden müssen und man weiß, wo sie sind, geht es wohl schnell“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz.“
Die Rechtsgrundlage sollte er dazu benennen. Sie gibt es nämlich nicht. Einfrieren heißt nicht Pfändung und die Zinsen aus dem russischen Vermögen stehen Russland zu und nicht der EU, weil ihr gerade der Sinn danach steht. Banken berechnen Zinsen, um damit ihr Risiko als Geldgeber abzudecken. Guthaben sind auch verliehene Gelder, für die eine solche Riskikoabgabe an den Eigentümer der Guthaben gemäß vorheriger Vereinbarung gezahlt wird. Eine Grundlage für Pfändung ist m.E. hier nicht gegeben.
Scholz ist Jurist und müsste das eigentlich wissen. Was soll dieser Quatsch?
Wie Harald Martenstein jüngst in seinem Podcast erwähnte bewegen wir uns in Richtung „Gesundes Volksempfinden“ und zwar gleich auf mehreren Ebenen. Der mühsam erkämpfte Rechtsstaat, der Rechtssicherheit gewähren soll, wird nach Belieben aufgeweicht und unterhöhlt. Niemand sollte sich darüber freuen. Heute die, morgen wir. Soviel steht fest.
Gerade die Bundesrepublik, die sich bisher nicht als besonders investitionsfreudig gezeigt hat, sollte sich überlegen, wer denn nach solchen Taschenspielertricks noch sein Geld in Deutschland / EU anlegen möchte? Das einzige, was solche Kapriolen ausstrahlen ist, dass hier kein sicherer Anlageort ist.
KK
23. März 2024 @ 15:52
„Die EU-Chefs sprachen sich erstmals für eine Waffenruhe im Gazastreifen aus…Die EU-Position stimme weitgehend mit der neuen Haltung der USA überein…“
Wer eine sofortige Waffenruhe will – und zwar ehrlich und glaubwürdig, der darf keine Waffen an Israel liefern und muss alle Lieferung von Waffen und Rüstungsgütern sofort einstellen. Insbesondere, wenn Israel ausdrücklich dieser Forderung nicht nachzukommen bereit ist.
Wer – wie Deutschland und die USA – einerseits Waffenruhe fordert, aber die eigene Forderung mit immer mehr Nachschub selbst unterläuft, der will doch eigentlich gar keine Waffenruhe…