INF-Ausstieg: “Nachrüstung” im Osten?
Im Streit um Venezuela konnten sich die EU-Außenminister nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Doch der Ausstieg der USA aus dem INF-Vertrag zur atomaren Abrüstung offenbart noch größere Risse – und neue Gefahren.
Nach außen geben sich die Chefdiplomaten zwar einig. Man sei tief besorgt, der Konflikt dürfe nicht auf dem Rücken der Europäer ausgetragen werden, hieß es bei einem Außenminister-Treffen in Bukarest.
Doch in der Sache gibt es große, kaum überbrückbare Differenzen. Während der Belgier D. Reynders den Ausstieg der USA offen kritisiert (“keine gute Lösung”), zeigen Balten und Polen Verständnis für US-Präsident Trump.
“Es gibt seit Jahren eindeutige Beweise, dass Russland den Vertrag bricht, ich gebe nur einer Seite die Schuld daran”, sagt der litauische Außenminister L. Linkevicius.
Bundesaußenminister Maas bleibt seiner transatlantischen Linie treu. Er gibt Russland die Schuld: Präsident Putin habe den INF-Vertrag durch die Entwicklung eines neuen Raketensystems “faktisch außer Kraft gesetzt”.
Zugleich lehnt der SPD-Politiker es ab, als Reaktion auf den angeblich doch so eindeutigen russischen Vertragsverstoß in eine Diskussion über atomare Aufrüstung in Europa einzusteigen.
“Europa ist nicht mehr geteilt wie in Zeiten des Eisernen Vorhangs und deshalb sind alle Antworten aus dieser Zeit völlig ungeeignet, die Herausforderungen, mit denen wir es jetzt zu tun haben, zu beantworten”, sagte er.
“Der Kalte Krieg ist vorbei. Gott sei Dank.” – Außenminister Maas
Dabei kommt der Kalte Krieg doch gerade wieder – und diesmal stehen die USA nicht eindeutig an der deutschen oder europäischen Seite, wie die Iran-Sanktionen und der Handelsstreit mit der EU zeigen.
Doch Maas hat nicht den Schneid, sich so klar zu äußern wie sein Kollege Reynders. Er wagt es nicht einmal, die Stationierung amerikanischer Atomwaffen in Deutschland anzusprechen oder gar infrage zu stellen.
Dabei wäre das ein kräftiger Hebel, um Trump Paroli zu bieten. Stattdessen erwägen Maas und andere EU-“Strategen” nun, noch mehr konventionelle Waffen in Osteuropa zu stationieren.
Ein Ausweg, so die “Tagesschau”, könne ein neuer “Doppelbeschluss sein”, der eine massive konventionelle Aufrüstung androht, falls Russland seine nuklearen Marschflugkörper nicht verschrottet….
Siehe auch “Maas macht mobil – doch der Gewinner heißt Trump”
Baer
2. Februar 2019 @ 08:00
Glaubt irgend jemand ,dass H.Maas Außenminister auf Grund seiner diplomatischen Fähigkeiten wurde? Mit Nichten.Er wurde von Frau Merkel inthronisiert,weil er das Rückgrat eines Regenwurms hat,und den hegemonialen Befehlen folgt,wie ein gut erzogener Hund seinem Herrchen.Frau Merkel richtet Deutschland,aber auch Europa zu Grunde,und das mit zunehmender Geschwindigkeit, und das auf allen politischen Feldern.
Frau Merkel wird in die Geschichte als das größte jemals stattgefunden Erdbeben eingehen.
Leider wird uns das nicht viel nützen.
Georg Soltu
2. Februar 2019 @ 20:16
Das ist kein Erbeben, eher doch wohl eine alles verdeckende Nebelwand wie 1980 bei John Carpenter “ The Fog – Nebel des Grauens“ !
hein-tirol
2. Februar 2019 @ 07:23
Pjotr 56 ist in einigen Dingen zuzustimmen. Die Entwicklungen in Russland sind ein Teil der NATO-Einkesselung mit Mittelstrecken-Raketen. Man muss sich nur das nordwestliche Europa vor Augen halten (ein Bild kann ich hier leider nicht posten), um die strategische Aufstellung der Raketenstationen zu sehen. Würde China auch noch die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen erlauben, bliebe Russland nur ein Atomschlag bei den Amis und seinen Nachbarn, um sich aus der Umklammerung zu befreien. Und zu Heiko Maas: Da hat die BRD den größten Trottel als Außenminister ausgewählt. Versucht er etwa, Stoltenberg den Rang abzulaufen?
Peter Nemschak
2. Februar 2019 @ 13:07
Warum sollte China amerikanische Mittelstreckenraketen auf seinem Territorium aufstellen? Südkorea und Japan hätten eher eine Motivation der chinesischen Expansion mit amerikanischer Hilfe Grenzen zu setzen. Japan könnte zu einer Atomnation werden. Europa hat keine Motivation amerikanische Raketen auf seinem Territorium aufzustellen und sollte alles daran setzen, dass sich der amerikanisch-chinesische Konflikt auf Asien konzentriert. Eine starke konventionelle europäische Armee könnte dazu beitragen die politische Kohäsion innerhalb der EU zu stärken.
Pjotr56
1. Februar 2019 @ 17:43
„Für mich ist Auschwitz die immerwährende Mahnung, für die unantastbare Würde des Menschen weltweit einzustehen – persönlich wie politisch … Für mich ist das Wissen um Auschwitz Motivation meines politischen Handelns.“ sagt Heike Maas.
Sehr richtig und ehrenwert, aber für einen Außenminister Deutschlands arg kurz gesprungen.
Insofern halte ich Maas für eine Fehlbesetzung in Zeiten erneuter Konfrontation zwischen West und Ost.
Mit einem Satz wie “Europa ist nicht mehr geteilt wie in Zeiten des Eisernen Vorhangs und deshalb sind alle Antworten aus dieser Zeit völlig ungeeignet, die Herausforderungen, mit denen wir es jetzt zu tun haben, zu beantworten” disqualifiziert Maas sich vollkommen für das Amt, denn Diplomatie ist zu allen Zeiten das probate Mittel der Außenpolitik.
Ebo, mit fehlendem Schneid hat das Totalversagen des Außenministers Maas allerdings rein gar nichts zu tun.
Maas sekundiert die Strategie des Pentagon: “In Polen und Rumänien sind bisher SM-3 Abfangraketen stationiert. In Kürze sollen diese Raketen nun gegen eine neuere und leistungsfähigere Version, die SM-3 Blk IIA ausgewechselt werden, so das aktuelle Strategiepapier. Bemerkenswert an dieser neuen Raketenstrategie ist vor allem, dass das Pentagon nunmehr Russland und China als eigentliche Bedrohungen aufführt (Und nicht mehr Iran, Anm. Pjotr56).
Insbesondere mit Blick auf das Aegis-System hatte die Russische Föderation von Anfang an argumentiert, dass sich das System tatsächlich gegen Russland richte. Diese Annahme erhielt auch deshalb neue Plausibilität, weil die USA im Jahr 2017 auf der anderen Seite der ehemaligen Sowjetunion, beim engen Verbündeten Japan, einen zweiten Teil der Aegis-Landversion stationierten.”
(Quelle: https://www.heise.de/tp/features/INF-Vertrag-Raketenabwehr-klingt-gut-aber-es-gibt-einen-Haken-4295526.html)
Von Egon Bahr ist überliefert, dass es in der internationalen Politik ausschließlich um die Interessen von Staaten geht.
Im Grunde gibt Maas in diesem Horrorstück den europäischen Pompeo =
we are lost in Europe. Oder seh ich das zu realistisch?
Peter Nemschak
1. Februar 2019 @ 14:47
Der INF-Ausstieg kann auch nicht im Sinn der USA sein. Er bindet budgetäre Mittel zur Aufrüstung, die anderswo (Weltraum) fehlen. Außerdem wäre es sinnvoll gewesen, gemeinsam mit Russland China, das bisher nicht inkludiert war, einzubinden. Trump überschätzt sich und die USA. Multilateralismus wäre für die USA jedenfalls effektiver und kostengünstiger als das was Dilettantenpack im Weißen Haus zuwege bringt.
Dixie Chique
2. Februar 2019 @ 11:45
Weltraum??? Wo es sonst noch so hapern könnte im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, darauf kommen Sie nicht???
Und seit wann sind Sie denn auf Multilateralismus umgestiegen?
Bis vorgestern kannte ich Sie noch als den strammsten Transatlantiker ohne Argumente.
Und Sie meinen mit Hillary wäre das Weiße Haus weniger dilettantisch??
Was Sie benötigen, Herr Nemschak, ist ein ordentlicher Putz- und Sortiertag im Oberstübchen. Mary Condo!
Dann weht auch das Fähnchen nicht mehr so unnachvollziehbar hin und her.
Peter Nemschak
2. Februar 2019 @ 18:10
Die USA (nicht der narzisstische Trump) wären angesichts ihrer bloß relativen Stärke gut beraten, sich den Multilateralismus zunutze zu machen. Trump überschätzt die wirtschaftlichen und militärischen Möglichkeiten der USA angesichts der wachsenden Stärke Chinas. Ich habe nie behauptet, dass die Interessen der USA und jene Trumps ident sind. Irgendwann wird Trump Geschichte sein.
Horst Sellge
3. Februar 2019 @ 14:23
Die Aufkündigung des INF Vertrages durch die USA wurde schon unter der Regierung Obama thematisiert. Man mutmaßte schon damals, dass Rußland gegen den Vertrag verstoßen und weiterreichende Raketen entwickelt hätte.
Trump hat die „Mutmaßung“ übernommen, eindeutige Beweise gibt es allerdings bis heute nicht.
Vermutlich bedient man sich der gleichen Qellen, die 2003 zum Irakkrieg geführt haben. Auch damals wurden Massenvernichtungswaffen im Besitz des Irak vermutet; eine Vermutung, die als Rechtfertigung des Krieges diente. Tatsächlich aber gab es keine.
Die Verdachtslage ist heute nicht anders, aber dazumal hat sich Deutschland unter einer SPD Regierung aus diesem Scharmützel herausgehalten.
Heute übernehmen unsere Bundeskanzlerin und mit ihr der Außenminister die „Mutmaßungen“, als wäre der im Raum stehende Vorwurf bereits bewiesen.
Ist es nicht nicht eher so, dass die USA und nicht nur die, den INF Vertrag für nicht mehr zeitgemäß halten. Denn seit 1987 gibt es weltweit mehrere Atommächte, die dem Vertrag nicht beigetreten sind.
Die USA bemerken die Aufrüstungsbestrebungen Chinas sehr wohl und möchte ihren Vorsprung durch vertragsfreie Weiterentwicklung bestimmter Waffensysteme ausbauen.
Was bietet sich daher für die USA und die NATO Staaten an? Natürlich Rußland, den potentiellen Feind, als Vertragsbrüchigen darzustellen.
So sehr die Befürchtungen der baltischen Staaten verständlich sind aber sie sollten sich nicht mit der Aufstellung entsprechender US Waffensysteme in eine noch weit gefährlichere Lage im Falle eines Waffenganges bringen. Ähnlich wie Deutschland, das atomare Waffensysteme der USA stationiert hat und damit ein potentielles Angriffsziel darstellt.
Warum zeigt der Litauische Außenminister Linkevicius nicht die von ihm behaupteten „eindeutigen Beweise des Vertragsbruch“ auf?
Besser wäre es, wenn sich alle Atommächte – zumindest aber die Großmächte USA, Rußland und China über ein neuen INF Vertrag einig werden würden.
Das wäre eine Sache von Verhandlungen und nicht des Wettrüstens.