Varoufakis lag doch nicht so falsch
In der Schuldenkrise 2015 machte der griechische Finanzminister Y. Varoufakis viele Vorschläge, die in Deutschland als abwegig betrachtet wurden. Doch nun, in der Coronakrise, könnten sich einiger seiner Forderungen erfüllen. English version here
Rome now wants €bonds. Madrid perpetual bonds. The ECB a Bad Bank. When I was proposing all 3 in ’15, Frankfurt, Rome & Madrid (following the troika line) were ridiculing me. Is this progress? Not really. Berlin will say NEIN again. Unless we VETO Berlin’s veto, there is no hope
— Yanis Varoufakis (@yanisvaroufakis) April 20, 2020
Eurobonds, “ewige Anleihen”, eine Bad Bank für die Europäische Zentralbank. All das hat Varoufakis auf dem Höhepunkt der Eurokrise 2015 ins Spiel gebracht. Abseitig, undenkbar, unmöglich, hieß es damals in Berlin, Frankfurt und München.
Fünf Jahre später sieht es völlig anders aus:
- Eurobonds werden erneut diskutiert – auch wenn sie diesmal Coronabonds, Revovery Bonds oder EU-Anleihen heißen. Sogar die deutsche Kommissionspräsisentin von der Leyen (CDU) nimmt plötzlich Schulden auf.
- Ewige Anleihen sind auch im Gespräch – Spanien möchte damit einen “Wiederaufbau-Fonds” finanzieren. Und sogar in der FAZ finden sich plötzlich Artikel, die erklären, dass nicht rückzahlbare Anleihen gar nichts Ungewöhnliches sind!
- Eine “Bad Bank” für die EZB fordert nun sogar die Bankenaufsicht der EZB! Angesichts der größten Depression seit 100 Jahren müsse man dort die “faulen Kredite” entsorgen, so die Experten. Auch dies lässt sich in der “FAZ” nachlesen.
Das heißt natürlich nicht, dass die Bundesregierung oder die Bundesbank nun plötzlich zustimmen würden. Es zeigt aber immerhin, dass Voraufakis’ Ideen keineswegs so abwegig waren, wie es 2015 in Berlin und Frankfurt dargestellt wurde.
Heute gehören diese Ideen zum Mainstream – jedenfalls in Italien, Spanien, Frankreich, und in aufgeklärten EU-Kreisen. Manch ein Experte sagt sogar, dass man alle drei Instrumente brauchen werde, um diese Krise durchzustehen.
Und noch in einem weiteren Punkt erfährt Varoufakis späte Genugtuung: In der Frage, ob Griechenland in de Eurokrise von Deutschland “gefoltert” wurde. Das räumt nun – ohne Namen zu nennen – sogar Außenminister H. Maas ein.
“Es ist wichtig, jetzt zu schnellen, auch finanzpolitischen, Lösungen zu kommen”, sagte der SPD-Politiker im “ntv Frühstart”. Der Euro-Rettungsschirm ESM solle rasch helfen – “ohne all die Folterinstrumente, die man dazu kennt”.
Sogar auf Troika und harte Sparauflagen will die Bundesregierungs neuerdings verzichten. Warum war das eigentlich 2015 in Griechenland nicht möglich?
Siehe auch “Plötzlich will sogar die EU Schulden machen (trotz Verbot)”
Peter Nemschak
26. April 2020 @ 15:49
Wenn die Zinsen wieder steigen, werden ewige Anleihen starke Kursabschläge erleiden. Wer wird diese kaufen und eventuelle Verluste tragen wollen ? Es gibt keine Wundermittel.
European
26. April 2020 @ 19:24
Wenn ich das richtig verstanden habe, dann werden die ewigen Anleihen von der EZB gekauft. Da bleiben sie dann bis zum Sankt Nimmerleinstag in den Büchern.
So wie in Japan.
Niemand käme auf die Idee, dass Japan zahlungsunfähig würde.
Holly01
27. April 2020 @ 08:29
Japan hat keine Auslandsverschuldung und hat Exportüberschüsse.
Das sieht bei uns etwas anders aus.
Wir wissen ja nicht wo unsere “Vermögen” stecken, aber die Amis sortieren das so:
” https://www.usdebtclock.org/world-debt-clock.html ”
“external debt to gdp ratio” ist Auslandsverschuldung, meist in Dollar.
Bist Du in Dollar verschuldet, hast Du ein Problem der besonderen Art.
vlg
European
27. April 2020 @ 11:09
@Holly01
Genau so meinte ich das.
Wenn die EZB die Papiere kauft, dann haben wir auch keine Auslandsverschuldung. Die EZB ist die Zentralbank für alle Euroländer. Von daher dürfte es per definition so etwas wie bond spreads auch eigentlich gar nicht geben.
In Japan übernimmt der Staat die Verschuldung. Das passiert in Deutschland nicht. Da übernimmt das Ausland die Verschuldung, weil alle Sektoren Nettosparer sind.
Bisher jedenfalls. Nach Corona wird das auch wieder so sein. Man hört das schon wieder zwischen den Zeilen. Die Lohndrückerei geht auch schon los, wie wir gestern in der Familie erfahren haben.
Georg Soltau
26. April 2020 @ 14:55
Hallo Holly, habe versucht nachzudenken, habe jedoch etwas Problem mit “umgekehrt proportional”, meinen Sie damit : viel Vermögen = niedrige Verzinsung und umgekehrt dann geringes Vermögen wird höher verzinst ? wenn ja treten Sie bei mir offene Türen ein!
vlg und bleiben Sie “negativ”
Holly01
27. April 2020 @ 13:18
@ Hr. Soltau:
Entschuldigung für meine schlechte Formulierung.
Wer Guthaben hat, erhält mit steigendem Guthaben sinkende Habenzinsen.
Wer Schulden macht, erhält proportional zur Wirtschaftsmacht schlechtere Schuldzinsen.
Da kann ein Milliardär durchaus 25% Kreditzins haben und gleichzeitig 0,1% Habenzinsen.
Ein H4er bekommt -5% Kreditzins und +10% Habenzins und den Kredit vom Amt.
Wir kehren die Zinswirkung um.
Nirgends steht, das Marktmacht gesellschaftlich erwünscht ist und durch das Geldsystem unterstützt werden müsste.
Das Geldsystem ist wirklich extrem mächtig und gnadenlos effizient 🙂
vlg
Georg Soltau
27. April 2020 @ 18:08
Hallo Holly, danke für die Aufklärung, guter Ansatz.
vlg
Immer locker beliben
24. April 2020 @ 12:48
Ich teile in weiten Teilen den Beitrag des Vorredners insbesondere was Griechenland und Varoufakis angeht. Bei allem Respekt, es wird in diesem Beitrag auch nur aus den nationalen Perspektiven heraus argumentiert. Wenn wir einen freien Binnenmarkt haben, dann kann es kein nationales Überschusslimit geben. (Auch wenn man es sich wünschen mag.) Das gibt es in Deutschland zwischen den Bundesländern auch nicht… Wenn man das auf Deutschland überträgt, dann müsste man ja auch innerdeutsch Überschusslimits einführen und die “Export”-schüsse aus Süddeutschland beschränken, damit sie uns im Westen, Osten und Norden nicht mit den Billigprodukten u.a. von Daimler, Porsche, BMW und Siemens zuwerfen… Nix für ungut.
European
24. April 2020 @ 13:07
@Immer locker beliben
Die Eurozone ist kein freier Binnenmarkt, sondern ein Binnenmarkt mit festen Regeln, z.b. die Defizitgrenze von 3% verbunden mit der Vereinbarung (auf deutschen Druck übrigens), dass jedes Land die Löhne entsprechend der Produktivität so erhöht, dass eine Inflation von 1.9% herauskommt.
Wer sich am wenigsten daran gehalten hat, ist Deutschland – sorry.
In der Eurozone müssen die Konten am Ende ausgeglichen sein. Wir können nicht alle Überschüsse machen, es sei denn die Eurozone entschließt sich, eine Ansammlung von Monopolisten zu sein. Heißt aber widerum, dass jeder Überschuss irgendwo ein Defizit erzeugen muss. Das weiß jeder angehende Buchhalter im ersten Lehrjahr.
Wenn also die Wuchtbrumme Deutschland fast 9% Überschüsse macht, müssen andere Länder entsprechende Defizite haben. Sonst geht das nicht auf. Wenn wir aber nur 3% Defizit pro Land erlauben, darf es auch nur 3% Überschuss geben.
Deutschland wehrt sich dagegen. Sicherlich verständlich. Dieser Überschuss wird aber mit zu geringen Löhnen im Land erkauft, was sich negativ auf die Binnenwirtschaft auswirkt und negativ auf den Import. Heißt nämlich, dass wir den Nachbarn ihre Güter nicht abkaufen. Da lohnt dann ein Blick auf die Einnahmenseite der Haupt-Mitbewerber Frankreich und Italien. Italien liegt noch 25% unter dem Niveau der letzten Finanzkrise. Bei Frankreich ist es nicht ganz so krass.
Mit dem innerdeutschen Markt ist das nicht vergleichbar. Da sind völlig andere Zusammenhänge. Außerdem ist Deutschland eine Republik, die ihren Bürgern Gleichheit vor dem Gesetz garantiert. Da lebt man mit den “Steuerverschwendern” Bremen oder Berlin. Außerdem gibt es einen Länderfinanzausgleich.
Die Eurozone hingegen ist keine Republik. Sie gleicht einer geschlossenen Volkswirtschaft.
Georg Soltau
24. April 2020 @ 13:29
“Das gibt es in Deutschland zwischen den Bundesländern auch nicht…” gibt es doch: wofür haben wir sonst den “Länderfinanzausgleich”
Immer locker bleiben
24. April 2020 @ 19:43
Und genau dieser Finanzausgleich fehlt in Europa.
Holly01
24. April 2020 @ 21:15
Denken Sie einmal über progressive Zinsen nach.
Der Zins verhält sich umgekehrt proportional zur Wirtschaftskraft.
Gezählt wird jegliches Einkommen plus ein Prozentsatz des Bestandvermögens (auch alle Anlageklassen).
Wäre es nicht genial von jedem zu wissen, wie viel Vermögen jeder hat?
Vermögen sind schon wichtig, als Basis für Innovationen und Investitionen. Die bessere Basis ist aber die Gesellschaft, die dann privatisiert.
Denken Sie Mal drüber nach ….
vlg
European
23. April 2020 @ 19:05
Naja, wenn man die Griechenland-Rettung betrachtet, so hat sie sich als Disaster reinster Güte entpuppt. Diese Medizin hat den Patienten umgebracht. Das BIP sank um ein Drittel, das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen, die Arbeitslosigkeit hoch, die Staatsschulden statt 100% nun bei 180% des BIP.
Erfolg liest sich anders und ich denke, dass das mittlerweile auch in der deutschen bzw. europäischen Ökonomie angekommen ist.
Es liegt auch an der einseitigen Betrachtungsweise. In Italien schaut man z.B. immer nur auf die Verschuldung, anstatt zu sehen, dass die Einnahmeseite das Problem ist. Im Vergleich zu vor der Finanzkrise liegt das BIP immer noch ca. 25% zurück. Hätten die Italiener Vorkrisenniveau, wäre auch ihre Staatsverschuldung prozentual gemessen am BIP deutlich geringer.
Warum hapern die Einnahmen in Italien und Frankreich als Hauptmitstreiter Deutschland’s in der Eurozone? Das dürfte an den Defizit-Überschussregeln liegen. Wenn der stärkste Mitstreiter in einer geschlossenen Volkswirtschaft Eurozone fast 9% Überschüsse machen darf, müssen entsprechend viele Mitstreiter mit deutlich geringerem BIP entsprechende Defizite haben, damit die Konten am Ende ausgeglichen sind. Ein Exportüberschuss ist auch ein Importdefizit und deutet auf ein zu geringes Lohnniveau hin. Bedeutet, dass wir unseren Nachbarn ihre Produkte nicht abkaufen. Heißt wiederum, dass sie nicht genügend Einnahmen haben, um ihre Schulden zu bedienen.
Es muss auch ein Überschusslimit geben. Dann kann Deutschland nicht mehr die Eurozone mit seinen Billigprodukten zuwerfen, sondern muss sich entweder andere Märkte suchen oder aber seine Löhne erhöhen und in seine tote Binnenwirtschaft investieren und damit eine ausgeglichene Handelsbilanz anstreben. Aber Deutschland verhindert das bisher sehr erfolgreich und ich habe meine Zweifel, ob Ursula von der Leyen als verlängerter deutscher Arm in Brüssel daran etwas ändern wird.
Zu Varoufakis kann man nur sagen, dass er ganz einfach Recht behalten hat mit seiner Analyse. Das wird niemand zugeben und deshalb wird man stillschweigend andere Maßnahmen treffen, als bei der Griechenland – Katastrophe. Perfide ist, dass die Finanzkrise eine Privatschuldenkrise war, hervorgerufen durch Hochrisiko-Investments. Erst als die Finanzinstitute von den Staaten freigekauft worden waren, haben diese die Krise in eine Staatsschuldenkrise umgemünzt.
Europa hatte keine Probleme mit Staatsschulden.
Holly01
23. April 2020 @ 17:00
” Sogar auf Troika und harte Sparauflagen will die Bundesregierungs neuerdings verzichten. Warum war das eigentlich 2015 in Griechenland nicht möglich? ”
Es gibt einen Unterschied. In Griechenland hatten Investoren Geld angelegt. Die Geldquellen einmal außen vor, bestanden in Griechenland bereits Zinserwartungen.
Die Sondermaßnahmen zur Covid-19 Krise sind aber NEUES Geld. Es gibt KEINE Anleger und es gibt auch KEINE Zinserwartungen.
Das ist Geld, das als Äquivalent nur Geldscheine hätte. Es stammt aus keiner Wertschöpfungskette und kehrt auch in keine zurück.
DAS ist tatsächlich ein elementarer Unterschied.
Es geht bei diesen Maßnahmen NIEMANDEM etwas verloren.
Das zu erwartende Veto der “nördlichen” Egoisten ist nur auf der Angst begründet Vorteile zu verlieren oder mögliche Zinseinnahmen zu verpassen.
Es ist aber gerade der Sinn, diese Kredite per Bilanzverkürzung zu einem festgelegten Zeitpunkt “verschwinden” zu lassen.
Bestehende Staatsanleihen per MMT (magificant money tree) aus der Welt zu schaffen ist eine völlig andere Größenordnung (Geldpolitisch).
Das geht nur, wenn man das hervorragend gegen Investoren Angriffe absichert und echte Marktmacht hat. Das könnten wahrscheinlich zum jetzigen Zeitpunkt nur die USA.
vlg