Grün, digital und neoliberal – wie passt das zusammen?
Die neue Leyen-Doktrin für den Aufbau nach Corona bietet für jeden etwas, bald kommt die „europäische digitale Identität“ – und nach Wien soll man nun auch nicht mehr reisen: die Watchlist EUropa vom 17. September 2020
Es ist die neue EU-Doktrin: Grün und digital soll die Zukunft sein. Kommissionschefin von der Leyen hat es in ihrer Grundsatzrede im Europaparlament bekräftigt. Doch passt das überhaupt zusammen?
Zwanzig Prozent für die Digitalisierung, 37 Prozent für den Klimaschutz: So will von der Leyen die Gelder aus dem neuen Corona-Hilfsfonds aufteilen. Damit soll gesichert werden, dass die EU nicht nur Schäden repariert, sondern auch die Zukunft vorbereitet.
Doch so, wie die Digitalisierung bisher läuft, ist sie nicht besonders klimafreundlich. Die neuen Streaming-Dienste verbrauchen enorm viel Strom, automatisierte Systeme sorgen für noch mehr Verkehr und noch größere Produktion.
Zudem tragen beide Schwerpunkte – Digitalisierung und Klimaschutz – zum Verlust von Arbeitsplätzen bei. Der Klimaschutz bedeutet eine Revolution für die Industrie, die Digitalisierung wird die gesamte Wirtschaft umwälzen.
Passt doch, könnte man sagen – wenn man es nur richtig steuert, können sich die beiden Megatrends wunderbar ergänzen und die Krise überwinden helfen. Und wenn die EU hier eine Führungsrolle übernimmt – umso besser!?
Mag sein. Allerdings legt von der Leyen den Akzent immer noch auf Wachstum und Wettbewerb. Der Klimaschutz wird als Konjunkturprogramm präsentiert, die Digitalisierung als Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit.
Die neoliberale Wachstums-Doktrin wird nicht infrage gestellt, das Standort-Denken auch nicht. Mit einer „digitalen Dekade“ soll die EU gegenüber den USA und China aufholen, mit „Industriedaten“ die Führung übernehmen.
Von der Leyen fordert zudem die „guten“ alten Strukturreformen – und will sie mithilfe des Corona-Hilfsfonds noch im letzten Winkel der EU durchsetzen. Und für Freihandel ist sie natürlich auch.
Da stellt sich schon die Frage: Wie passt das alles zusammen?
Siehe auch „Ursulas Mondfahrt: Mit Klimaschutz aus der Krise“
Watchlist
Wie will die EU ihr neues, verschärftes Klimaziel erreichen? Das will Klimakommissar Timmermans am Donnerstag erläutern. Seine Chefin von der Leyen hatte angekündigt, dass die EU bis 2030 nicht nur 40 Prozent, sondern mindestens 55 Prozent der CO2-Emissionen einsparen will. Allerdings greift sie zu einem Rechentrick. – Mehr dazu hier
Was fehlt
Die schöne neue „sichere europäische digitale Identität“. Ja, auch das hat Kommissionschefin von der Leyen am Mittwoch angekündigt – oder sollte man angedroht sagen? Die neue EU-ID soll „vom Steuerzahlen bis zum Fahrrad mieten“ einsetzbar sein – und das in allen 27 Mitgliedsstaaten. Big Brussels is watching you!? – Mehr zum Digitalen hier
Das Letzte
Erst Luxemburg, dann Paris und Brüssel, nun auch noch Wien: Die neue europäische Corona-Regierung in Berlin hat jetzt auch die Hauptstadt Österreichs mit einer Reisewarnung belegt. Damit darf der hygienische Deutsche bald nirgendwohin mehr in Europa reisen. Und was macht die EU? Sie hat das Problem irgendwie vergessen… – Mehr hier
Freiberufler
17. September 2020 @ 22:22
Dass vdL et alii die Wirtschaft von 27 Nationen beplanen wollen, ist reinste Realsatire. Ich habe mir schon eine extragrosse Tüte Popcorn bereit gestellt.
Peter Nemschak
17. September 2020 @ 12:58
„Der Abgesang auf das Erdöl ist verfrüht“ schreibt Gerald Hosp in der heutigen NZZ. Eine durchaus plausible Analyse, wobei die Bereitschaft bzw. mangelnde Bereitschaft der Konsumenten deutlich höhere Preise zu akzeptieren noch gar nicht angesprochen wurde. Mit grün schmücken sich derzeit Moralisten und Politiker, die ihnen nach dem Mund reden.. Ob sie sich ihre Moral etwas kosten lassen werden, wird die Zukunft erweisen. Skepsis ist angebracht.
European
17. September 2020 @ 09:32
Gar nicht.
Ursula von der Leyen ist der verlängerte Arm Deutschlands und die Lobbyflüsterer wissen das. Auch nach der Krise werden die Deutschen unangefochten ihre Massenüberschüsse zu Lasten der Südländer machen, um „die Schulden zurückzuzahlen“. Es gibt Gegenvorschläge, z.B. von der Hans Böckler Stiftung oder auch von verschiedenen jüngeren Makroökonomen, die die Zusammenhänge der europäischen Schieflage aufzeigen. Aber es ist bezweifelbar, dass sie Gehör finden.
Und so machen wir weiter wie bisher. Wenn Macron in 2022 nicht mehr die benötigte Zustimmung erhält, gibt es nicht nur LePen von rechts, sondern auch Jean-Luc Mélenchon von Links, der Frankreich aus der EU herausführen möchte. Italien hat mittlerweile neben der stärksten Lega Nord auch noch Italexit, eine neue noch kleine Anti-EU-Partei, die ebenfalls den Austritt aus der EU anstrebt. Zustimmung der Italiener bei über 50%. Die Griechen sagen schon gar nichts mehr und vegetieren so dahin in ihrer toten Wirtschaft mit einem toten Gesundheitssystem. In Spanien legt Vox als Rechtsaußen-Partei ordentlich zu. Portugal hat sich aus der Umklammerung selbst befreit. Aber noch 2018 drohte die Kommission mit Defizitverfahren.
Ich hätte von einem Kommissionspräsidenten erwartet, dass das zumindest angesprochen wird in einer State of the Union Rede. Aber UvdL geht es nur um Selbstvermarktung, wie das schon immer der Fall war. Da war selbst Lagarde schon weiter, als sie ankündigte, dass die EZB die Handelsungleichgewichte, die Exportüberschüsse, nicht mehr stützen wird.
Schon aus familiären Gründen liegt mir persönlich sehr viel an diesem Europa und zumindest von französischer Seite können wir keinen besseren als Macron bekommen. Aber wir Deutschen kriegen das schon wieder zerstört.
Zumindest können wir dann hinterher sagen, dass wir gesiegt haben. So, wie wir auch den kalten Krieg gewonnen haben und lässigst die ausgestreckte russische Hand ausgeschlagen haben. Wir waren schließlich wieder wer.
Art Vanderley
18. September 2020 @ 21:27
“ Aber UvdL geht es nur um Selbstvermarktung, wie das schon immer der Fall war. “
In der Tat. Und sie vertritt, was erwartet wird, auch ein Grund, warum das Kandidatenmodell mal eben ad acta gelegt wurde. Weber ist kein Revoluzzer, aber er sagt manchmal Dinge, die der real existierenden EU nicht so recht passen dürften.
Holly01
16. September 2020 @ 23:47
Die Frau ist sich eben für nichts zu schade. Der ist völlig egal was Sie alles anfängt und durcheinander wirft. es muss nur hübsch aussehen und gut klingen.
Ich fand die Kinder gerechten Panzer schön.
Übungsplätze umwandeln zu Bolzplätzen für die Kinder der Soldaten.
Da haben wir noch viel zu wenig gemacht.
Die wird im EU Parlament noch ein Bälleparadis einrichten, das ist extra für den Amthor ^^.
Der dürfte auch bald in Brüssel sein.
vlg