Flüchtlingskrise: 2015 wiederholt sich doch
Die Flüchtlingskrise von 2015 dürfe sich nie wiederholen, schworen deutsche und europäische Politiker noch im letzten Jahr, als der Westen Afghanistan seinem Schicksal überließ. Doch nun wiederholt sie sich doch.
Dies zeigen die jüngsten Zahlen der EU-Asylbehörde. In den 27 EU-Staaten sowie Norwegen und der Schweiz seien etwa 84 500 Asylanträge gestellt worden, teilte die Behörde mit.
Das sei etwa die Hälfte der Ende 2015 pro Monat gemeldeten 170 000 Asylanträge, als Hunderttausende Syrer vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat nach Europa flüchteten.
Zusätzlich zu den Asylanträgen suchten den Angaben zufolge etwa 255 000 Menschen vorübergehenden Schutz. Die meisten von ihnen kamen aus der Ukraine.
Die EU meldet nicht nur die höchste Zahl von Asylanträgen seit 2015, auch die Gesamtzahl der Neuankömmlinge ist höher. Allerdings ist die Lage kaum vergleichbar.
So wollen die meisten Ukrainer zurück in ihre Heimat, sobald der Krieg vorbei ist. Das macht Hoffnung.
Nicht vergleichbar ist aber auch die Reaktion der EU. 2015 reihte sich eine Krisensitzung an die nächste. Sieben Jahre später passiert – nichts.
Dabei sind viele EU-Staaten überfordert. Das gilt nicht nur für Polen, das die meisten Ukrainer aufgenommen hat. Auch in Belgien weiß man nicht mehr, wohin mit den Menschen. Sogar viele deutsche Kommunen sind überfordert.
Derweil bahnt sich eine neue, auch politisch motivierte Krise mit Bootsflüchtlingen in Italien an. Auf Zypern kommen immer mehr Migranten aus der Türkei an, die Sultan Erdogan über die grüne Grenze in die EU schiebt.
Und Frankreich und UK streiten über den Umgang mit zehntausenden Wirtschaftsflüchtlingen aus Albanien – während Deutschland fordert, das Westbalkanland in die EU aufzunehmen!
Von einer gemeinsamen Politik kann keine Rede sein. Offenbar hat man alle Lektionen von 2015 schon wieder vergessen…
KK
11. November 2022 @ 03:37
@ Arthur Dent:
“Nun gut, ob die zwei, drei Wochen auf See warten müssen oder nach Hamburg weiterfahren”
Wobei das “warten müssen” einen rechtswidrigen Zustand darstellt.
Ich weiss ja nicht, wie Sie es fänden, wenn Sie einen Rettungswagen benötigen, der laut gesetzlichen Vorgaben in 8 Minuten bei Ihnen sein soll, dieser aber erst am nächsten Tag oder in der nächsten Woche kommt. Wahrscheinlich finden Sie das dann gar nicht mehr, weil Sie dann tot sind…
KK
10. November 2022 @ 13:08
@ Arthur Dent:
Den nächsten sicheren Hafen – dass zB Libyen für die Geretteten nicht sicher ist, sollte kein Geheimnis mehr sein.
Und wie ein Schiff unter deutscher Flagge voll mit Geretteten erst vom Mittelmeer aus tagelang nach Hamburg oder Bremen soll, sieht das internationale Seerecht auch nicht vor. Deutschland hat ja nun mal keinen Mittelmeerhafen – mehr, werden einige bedauernd sagen. Und Piräus hatte ja China gekauft!
Arthur Dent
10. November 2022 @ 23:17
man findet vielleicht auch noch einen Hafen in Tunesien :-). Nun gut, ob die zwei, drei Wochen auf See warten müssen oder nach Hamburg weiterfahren – würde keine Rolle spielen. Aber nochmal, ein Schiff unter deutscher Flagge kann ganz sicher einen italienischen Hafen anlaufen, wenn mit den italienischen Behörden geklärt ist, dass die Migranten von dort mit dem Bus oder Flieger weiter nach Deutschland gebracht werden, weil die Asyl-Anträge schon gestellt worden sind. Für die Asylverfahren ist dann Deutschland zuständig. Wird Deutschland aber auch nicht wollen, würde ja sonst so praktiziert.
KK
9. November 2022 @ 19:12
“Derweil bahnt sich eine neue, auch politisch motivierte Krise mit Bootsflüchtlingen in Italien an.”
Wäre es nicht mal an der Zeit, Italien vor dem Internationalen Seegerichtshof zu verklagen? Soweit ich weiss sind die jeweils nächsten Häfen nach internationalem Seerecht verpflichtet, Schiffe mit geretteten Schiffbrüchigen anlanden und die Gerettetet an Land zu lassen.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen doch nicht mehr geleugnet oder verharmlost werden. Aber ganz offen derart begangen schon?
Arthur Dent
10. November 2022 @ 10:46
Der nächste Hafen liegt aber nicht zwingend in Europa. Die Frage ist auch, unter welcher Flagge die Seenotrettungsboote fahren. Ein Schiff unter deutscher Flagge kann ohne weiteres jeden deutschen Hafen anlaufen. Migranten auf dem Schiff könnten an Bord beim Kapitän einen Asylantrag stellen, denn sie haben deutsches Hoheitsgebiet erreicht. Die italienischen Behörden hätten sicher kein Problem die Schiffe in ihren Häfen anlanden zu lassen, wenn die Migranten nach Deutschland weitertransportiert würden. Problematisch ist auch der Begriff Notfall. Man versteht darunter i.d.R. ein unvorhergesehenes Ereignis. Wer allerdings auf einem überfüllten Schlauchboot ohne ausreichend Proviant, Trinkwasser, ohne Seekarten und nautische Kenntnisse in See sticht, der handelt mit Vorsatz. In Italien ist man zu recht nicht gewillt den Schlepperbanden die Arbeit zu erleichtern.
european
10. November 2022 @ 12:13
Man wird sehen, wie sich alles entwickelt. Noch ist nicht wirklich Winter, aber bereits jetzt sind 40% der ukrainischen Energieversorgung zerstoert. Grosse Staedte denken bereits ueber Evakuierungen nach und die Frage, die sich Europa stellen muss ist, wo man die Leute alle unterbringen will.
Das heisst, es werden sich noch weitere Millionen Menschen auf den Weg nach Westen machen. Wo sonst sollen sie hin?
Auf in ein Europa der Rezession und der ungeloesten Probleme.
https://www.akademie-bergstrasse.de/deindustrialisierung