Neues vom Wirtschaftskrieg (148): Generalstreik in Belgien
Die USA haben den Gaskrieg gegen Russland gewonnen. Ungarn lehnt neue EU-Hilfen für die Ukraine ab. Und in Belgien gibt es einen Generalstreik gegen explodierende Energiepreise und hohe Inflation.
- Generalstreik in Belgien gegen explodierende Energiepreise und hohe Inflation. Um ihren Forderungen sowohl an die Regierung als auch an die Arbeitgeber Nachdruck zu verleihen, haben die belgischen Gewerkschaften am Mittwoch zu einem landesweiten und sektorübergreifenden Streik- und Aktionstag aufgerufen. Sie fordern mehr Kaufkraft für die Arbeitnehmer und Leistungsempfänger sowie eine Preisobergrenze für Gas und Strom und eine Ausweitung des Sozialtarifs auf die untere Mittelschicht. – Betroffen sind Flughäfen, Fernzüge, der Nahverkehr, aber auch Supermärkte und andere Geschäfte. Die belgische Regierung ruft seit Monaen nach einem EU-weiten Gaspreisdeckel, doch sie kann sich gegen Deutschland und andere Bremser nicht durchsetzen. Dies führt nun zu Protesten gegen die Regierung…
- Ungarn lehnt neue EU-Hilfen für die Ukraine ab. Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó hat erklärt, dass Ungarn die Bemühungen der Europäischen Union (EU), gemeinsam Hilfsgelder für die Ukraine inmitten des Konflikts mit Russland zu organisieren, nicht unterstützen wird. Auf einer Konferenz in der bulgarischen Hauptstadt Sofia sagte Szijjártó, Budapest habe Kiew direkt als Nachbar unterstützt und werde dies auch weiterhin tun. Die gemeinsamen Bemühungen der Union zur Bereitstellung von finanziellen Mitteln lehne man aber ab. Der ungarische Außenminister betonte: “Wir sind bereit, die finanzielle Unterstützung auf bilateraler Basis fortzusetzen, auf der Grundlage eines bilateralen Abkommens zwischen der Ukraine und Ungarn. Aber wir werden sicherlich keine gemeinsame Kreditaufnahme der EU in diesem Bereich unterstützen.”
- “USA haben den Gaskrieg gewonnen – Deutschland und EU haben verloren”. Schon in den nächsten vier Jahren werden die USA die ehemaligen russischen Gaslieferungen nach Mitteleuropa vollständig substituieren. Die gleiche Menge Gas, die bis zu Beginn dieses Jahres aus sibirischen Pipelines geliefert wurde, kommt künftig in verflüssigter Form mit Tankern aus den USA. Auch der Gaskrieg hat nicht erst in diesem Jahr begonnen. Klarer Gewinner dieses Gaskriegs sind die USA, die nur so ihre gewaltigen Überkapazitäten aus dem Fracking-Boom abbauen und damit den heimischen Gaspreis stabilisieren können, um die milliardenschweren Investitionen zu retten und eine Finanzkrise zu verhindern. – Den Preis dafür zahlt vor allem Deutschland. (…) Verlierer sind neben Deutschland und der EU auch die Umwelt und das Klima, meinen die Nachdenkseiten
Mehr zum Wirtschaftskrieg hier (Live-Blog)
Kostas Kipuros
10. November 2022 @ 14:10
Irgendwie hat es der von mir angekündigte Link bezüglich des Interviews mit Condoleezza Rice nicht in den Leserkommentar geschafft. https://www.youtube.com/watch?v=aF0uYIjaTNE
Arthur Dent
10. November 2022 @ 11:15
Es geht hier nicht um die Ukraine, jedenfalls nicht nur. Es geht um Weltherrschaftsansprüche. Als Putin im Deutschen Bundestag von einem Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok sprach, klingelten in den USA sicher alle Alarmglocken. Von Europa über Russland bis nach China – da wären die USA als Weltmacht aber so was von weg vom Fenster. Das hätten die niemals zu gelassen. Die Ukraine ist ein geostrategischer “Schlüsselstaat”. Und Europa darf aus Sicht der USA nicht zu unabhängig werden.
european
10. November 2022 @ 10:41
Fuer die Anhaenger der Marktgesetze
https://www.heise.de/news/Mehr-als-30-LNG-Tanker-warten-vor-Europas-Kueste-auf-hoehere-Gaspreise-7333783.html
“Durch die Bummelfahrt komme es allerdings zu einer künstlichen Verknappung der zur Verfügung stehenden Schiffe. Insgesamt soll es weltweit aktuell knapp 700 LNG-Tanker geben. Deren Mietpreis habe sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. So koste eine Fahrt zwischen der US-Golfküste und Nordwest-Europa inzwischen 468.000 US-Dollar.”
Asien hat das Nachsehen:
“Die aktuelle Situation am LNG-Markt führe überdies dazu, dass der asiatische Markt teilweise leer ausgehe. Dadurch, dass die Frachtraten in die Höhe gehen und die Verknappung durch langsame Fahrt die Situation weiter zuspitzt, seien die Frachtpreise für die längere Fahrt nach Asien kaum noch bezahlbar.”
Und der Praesident von Uganda meint dazu
https://www.msn.com/en-us/news/world/europes-failure-to-meet-its-climate-goals-should-not-be-africas-problem-opinion/ar-AA13RWzs
“Europe’s failure to meet its climate goals should not be Africa’s problem. But that continent’s determination to write one set of rules for Europeans and a different set for Africans makes it so. It means Europe is complicit in forcing poverty on Africa, and that is not acceptable and will not stand. Should no climate agreement be signed at COP 27 in Egypt this week, we should all recognize who is responsible.”
Aber – WIR sind doch die Guten, oder? 😉
Kleopatra
10. November 2022 @ 08:37
Die “Nachdenkseiten” unterstellen, es gebe einen “Gaskrieg”, den die USA nicht erst dieses Jahr begonnen hätten. Tatsächlich würde ohne die russische Aggression gegen die Ukraine niemand in Westeuropa auf die Idee gekommen sein, lieber amerikanisches LNG als russisches Pipelinegas zu kaufen, und wahrscheinlich wäre Nord Stream 2 längst zertifiziert und in Betrieb. Wenn, wie gesagt, die Russen nicht die Ukraine überfallen hätten.
Da sie es aber getan haben und sogar versucht haben, verweigerte Gaslieferungen als politische Waffe gegen Westeuropa einzusetzen, haben sie sich für die westeuropäischen Staaten auf Jahrzehnte hinaus als Lieferanten unmöglich gemacht. Wer wird heute von Gazprom Gas über Pipelines kaufen wollen? Sie können auf absehbare Zeit nur noch LNG verkaufen (da solches jederzeit flexibel ersetzt werden kann).
Wer hinter dem allem eine amerikanische Strategie sehen will, muss erklären, wie die USA angeblich Putin gezwungen haben, die Ukraine anzugreifen; wie die USA die Russen gezwungen haben, in der Ukraine Kriegsverbrechen in großem Stil zu begehen, die teilweise den Tatbestand des Völkermords erfüllen (und dadurch einen Friedensschluss auf absehbare Zeit unmöglich zu machen) usw. Was dabei herauskommt, ist eine Verschwörungstheorie, mit der man sich bei Orbán als Pressesprecher bewerben kann.
(Ich habe oben von Westeuropa geschrieben, weil verschiedene osteuropäische Staaten – etwa Litauen – aufgrund ihrer Erfahrungen mit den Russen und deren versuchen, osteuropäische Staaten mit Gassperren zu erpressen, schon unabhängig vom Ukrainekrieg begonnen hatten, sich von Russland abzukoppeln. Aber auch hier gilt: Zuerst kamen die russischen Erpressungsversuche, dann der Unwille, auf Russland angewiesen zu sein).
ebo
10. November 2022 @ 09:24
Nunja, die USA haben die EU schon 2018 “überzeugt”, LNG made in USA zu kaufen.
On July 25, President Donald Trump met Jean-Claude Juncker, the European Commission president, to diffuse an escalating trade war. They agreed to work towards zero tariffs, zero non-tariff barriers, and zero subsidies. President Juncker also agreed to buy more liquefied natural gas (LNG) from the United States. President Trump explained: “The European Union wants to import more liquefied natural gas—LNG—from the United States, and they’re going to be a very, very big buyer. We’re going to make it much easier for them, but they’re going to be a massive buyer of LNG, so they’ll be able to diversify their energy supply, which they want very much to do. And we have plenty of it.” https://www.csis.org/analysis/us-lng-europe-after-trump-juncker-agreement
Kleopatra
10. November 2022 @ 09:40
Erstens wurde dies von u.a. deutschen Politikern als “Kompensation” für die gewünschte Eröffnung von NS2 angeboten, zweitens ist die EU groß und umfasst eben auch viele osteuropäische und mitteleuropäische Staaten, die – wie oben erwähnt – ihre Gründe hatten, nicht bei den Russen kaufen zu wollen; so dass eine gewisse europäische Abnahmemenge auch ganz ohne Druck auf Deutschland zustande gekommen wäre.
Und: solche Verhandlungen mögen vor einigen Jahren als Ergebnis amerikanischen Drucks erschienen sein, heute aber muss man in Deutschland froh sein um jede Möglichkeit, Gas woanders als bei Gazprom kaufen zu können. Erst recht mit einer Regierung, die unbedingt alle Atomkraftwerke abstellen will, und das möglichst nahe zu einem im Jahr 2011 hektisch beschlossenen Zeitpunkt.
ebo
10. November 2022 @ 10:06
Juncker hat den Deal mit Trump gemacht, kein deutscher Politiker. Danach gab es eine Konferenz in der EU-Kommission, bei denen den US-Energiekonzernen der rote Teppich ausgerollt wurde. Im übrigen hat von der Leyen schon vor Kriegsbeginn die Weichen für breit angelegte LNG-Lieferungen nach Europa gestellt.
Kostas Kipuros
10. November 2022 @ 10:06
Mich erstaunt immer wieder die unerschütterliche Ignoranz der Transatlantikversteher, mit der Fakten, dokumentierte Zitate und Zusammenhänge hartnäckig ignoriert oder verdreht werden. Hier der Link zu einem Interview mit der ehemaligen US-Außenministerin Condoleeza Rice, in dem sie frank und frei und für jeden, der gewillt ist, sich auch Tatsachen zu stellen, die einem nicht in den eigenen verengten Gesichtskreis passen, offen äußert: Europa könnte sich mehr auf Energiereserven auf Nordamerika stützen, unabhängig von Pipelines, die nicht durch die Ukraine oder Russland verlaufen und um das durchzusetzen, müsse halt Russland sanktioniert werden, auch wenn das leider – man staunt über so viel Empathie – Deutschland in Schwierigkeiten bringt. Das ganze äußert Rice 2014 – acht Jahre vor der russischen Intervention in der Ukraine – ergo zu einem Zeitpunkt, da Victoria-Fuck-The-EU-Nuland klar gemacht hat, wer in der Ukraine das Sagen hat und die demokratischste aller Regierungen in Kiew nach einem von den USA orchestrierten Putsch einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung, sorry mit einer Anti-Terror-Aktion gegen Separatisten, begann, was 16000 Menschenleben forderte. Was in Anlehnung an einer Aussage ihrer Nachfolgerin Albright ein Preis war, den zu zahlen es wert war. So viel feminine Außenpolitik und Menschenrechte sollten es dann schon sein.
https://www.youtube.com/watch?v=aF0uYIjaTNE&t=9s
Kleopatra
10. November 2022 @ 10:28
Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Wenn ein beachtlicher Marktanteil für amerikanisches Gas schon lange vor (und unabhängig von) dem Krieg zustande
kam, sind die Unterstellungen an die Adresse der USA, sie hätten den Ukrainekrieg provoziert oder angezettelt, um ihr Gas in Europa zu verkaufen, erst recht gegenstandslos.
Und dass das amerikanische Gas in Westeuropa wenig attraktiv war, bei der Feststellung konnte man bis zum Kriegsbeginn bleiben. Da die EU (damals jedenfalls) kein Gas direkt kauft, konnte sie von vornherein nur die Möglichkeiten für Geschäfte schaffen.
Michael Erhard
10. November 2022 @ 10:05
Ohne den Einmarsch Russlands in die Ukraine würde Deutschland kein LNG kaufen. Könnte stimmen. Inwiefern Russland zum Einmarsch “gezwungen” wurde, ist hinlänglich dokumentiert. Man muss einmal die Quellen lesen, die derzeit leider von ‘unseren’ Qualitätsmedien und Entscheidungsträgern ignoriert werden. Z. B. die Rand-Corporation, die in mehreren Berichten darlegt, wie die USA und die Nato Kriegshandlungen Russlands provozieren können. Da geht es um Raketenbasen, die Einengung des russischen Einflussbreichs, Nato-Erweiterung, Destabilierung russlandfreundlicher Regierungen usw. Was die Menschenrechtsverletzungen angeht, kann ich nur sagen: Das ist der Krieg! Egal von wem er geführt wird. Man denke an zerbombte Chemiewerke in Jugoslawien, an Falludscha, an die unzähligen toten Zivilisten in Afghanistan und weiteren Zielen “robuster Einsätze” des freien Westens. Und was ist mit Abu Ghreib und Guantanamo. Wer Menschrechte schützen will, muss vor allem Kriege vermeiden.
Kleopatra
10. November 2022 @ 11:56
Der Anspruch Russlands auf eine Einflusszone ist nicht mehr und nicht weniger berechtigt als der Deutschlands auf die im Zweiten Weltkrieg besetzten Territorien. Stalin hat den Krieg benutzt, um eine Einflusszone zu besetzen; zuerst im Bündnis mit Hitler, später – als der ihn überfallen hatte – im Bündnis mit den Westmächten. Die Sowjetunion hat die besetzten Territorien bis ca. 1990 besetzt gehalten und einige annektierte Territorien bis Anfang der 1990er Jahre als eigenes Territorium beansprucht. Dass sie dort, wo sie waren, als Gefahr gefürchtet und verhasst sind, haben sie sich ehrlich über Jahrzehnte erarbeitet. Und daher wollten alle früher von Sowjetrussland besetzten Völker in die NATO, um vor Russland sicher zu sein.
Aber selbst wenn man Ihre (absurde) Argumentation akzeptieren wollte, dass Russland zu dem Krieg gezwungen sei, wäre damit noch keine Rechtfertigung für die genozidale Kriegführung Russlands gegeben.
B. Weber
10. November 2022 @ 10:41
Um Verschwörungsvorwürfen den Boden zu entziehen: Ich habe am 19.05.1973 an der verbotenen (!) Demo gegen den BRD-Besuch des “Sozialimperialisten” Breshnew teilgenommen (siehe https://www.mao-projekt.dew/INT/EUSUSowjetunion_Die_Demonstration_in_Dortmund_gegen_den_Breschnewbesuch_1973.shtml). Wir haben die “Breshnew-Clique” damals als die “Neuen Zaren” angeprangert. Da werden Sie mir nicht unterstellen können, irgendwelche Sympathien für den noch neueren Zaren Putin zu hegen. Ich habe jedoch “Verständnis” für die Situation, die zum Überfall auf die Ukraine geführt hat. Vergleichen Sie doch mal die gegen Absprachen mit dem naiven Gorbi durchgeführte NATO-“Osterweiterung” (tatsächlich eine NATO-Angriffsvorbereitung) mit der Westerweiterung der UdSSR, als Raketen vor der “Haustür” der USA auf Kuba installiert werden sollten. Die Welt stand bekanntlich vor einem Weltkrieg, der nur vermieden wurde, weil die UdSSR ihre Westerweiterung zurückgezogen hat. Gorbis Absprachen mit “dem Westen” haben zur kampflosen Auflösung des Warschauer Paktes geführt. Die NATO dachte überhaupt nicht daran, sich ebenfalls aufzulösen, das Gegenteil ist eingetreten. Als Putin ebenfalls noch naiv an einen Ausgleich mit “dem Westen” glaubte, und Gorbis “Haus Europa” weiterträumte, wollte er sogar der NATO beitreten, wurde aber zurückgetreten mit der schlüssigen Begündung, die NATO sei ja gegen Russland gerichtet, könne Russland also nicht aufnehmen. Als die Ukraine ihrerseits der NATO beitreten wollte, nachdem schon 2014 der US-Maidan-Putsch die Ukraine in ein Sprungbrett nach Russland verwandelt hatte und die Ukraine seit dem einen Krieg gegen die vorwiegend russisch orientierten Ostprovinzen begonnen hatte, wurden offensichtlich die Angriffsvorbereitungen der NATO auf die Spitze getrieben. Das Gleiche passiert parallel mit Taiwan als Sprungbrett der USA gegen China. Übrigens halten die USA bekanntlich bis heute Kuba in Guantanamo besetzt, ganz abgesehen von über 1000 Militärstützpunkten auf dem Globus und im Weltall. Alles zur “Verteidigung” ? Nach unzähligen völkerrechtswidrigen Angriffen auf Länder wie Vietnam bis Afghanistan ? Selbst in Syrien halten die USA die Stellung und rauben täglich Erdöl.
KK
9. November 2022 @ 19:15
Die spinnen ja nicht, die Belgier… hatte Caesar die Belger nicht mal als das tapferstes Volk unter den Galliern bezeichnet? 😉