Streit um Schuldenregeln, Eurobonds für die Ukraine – und Plan für den Cyber War

Die Watchlist EUropa vom 10. November 2022. – Heute mit dem Streit um die (alten) Schuldenregeln, neuen Schulden für die Ukraine, dem schmalen Grad zwischen Cyber Defense und Cyber War – sowie einer öffentlichen Rüge für Kommissionschefin von der Leyen.

Die EU-Kommission schlägt eine Reform des Stabilitätspakts für den Euro vor. Krisen-Staaten wie Italien oder Griechenland sollen künftig mehr Zeit für den Schuldenabbau bekommen, müssen aber früher mit Sanktionen rechnen.

Der Vorschlag bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Denn von der versprochenen “großen” Reform ist nichts übrig geblieben. Die alten, anachronistischen Kriterien zur Neuverschuldung (3 Prozent) und zum Schuldenstand (60 Prozent) bleiben unverändert.

Neu ist, dass eine Regel zum Schuldenabbau wegfällt. Sie sah vor, dass klamme Länder ihren Schuldenstand binnen zwanzig Jahren auf 60 Prozent senken müssen. Dies wäre allerdings nur mit harten Kürzungen und utopischen Budgetüberschüssen möglich. Die Regel wurde daher nie eingehalten.

An ihre Stelle sollen nun individuelle „Pfade“ zum Abbau der Schulden rücken, die Brüssel mit den Problem-Ländern vereinbart. Sie sollen vier Jahre Zeit erhalten, um den Schuldenabbau einzuleiten. Diese Frist kann auf sieben Jahre verlängert werden, wenn die Regierung sich den Brüsseler Vorgaben fügt.

Die Kommission schlägt zudem vor, Verstöße konsequenter zu ahnden. Schon kleine Abweichungen vom Entschuldungs-Pfad sollen bestraft werden. Allerdings soll es keine übermäßig harten Strafen mehr geben, sondern „smarte Sanktionen“, wie ein EU-Beamter sagte. Man werde sich an den Millionen-Strafen bei Vertragsverletzungen orientieren.

Lindner ist nicht zufrieden

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Kaum Änderungen gibt es bei wirtschaftlichen Ungleichgewichten, wie sie Deutschland wegen seines Leistungsbilanz-Überschusses seit Jahren aufweist. Man plane „keine Revolution“, sagte der EU-Beamte. Allerdings wolle man künftig mehr die Gesamtlage betrachten und weniger einzelne Länder. Deutschland muß also nichts befürchten.

Dennoch ist Berlin unzufrieden. In der Währungsunion müssten einheitliche Fiskalregeln für alle gelten, sagte Finanzminister Lindner. “Das muss konsequent erreicht werden.” Maßgeschneiderte Pläne dürfe es nicht geben. Dabei ist das die einzige echte Innovation…

…und Lindner hat doch gerade selbst ‘mal eben 200 Mrd. Euro an neuen Schulden aufgenommen! Allerdings tauchen diese nicht im laufenden Budget auf, sondern werden in einem Schattenhaushalt versteckt. Da sollte er eigentlich ganz leise sein!

Eurobonds für die Ukraine

Die vorsichtigen Vorschläge aus Brüssel stehen in scharfem Kontrast zu den Tabus, die die EU-Kommission bei der Budgethilfe für die Ukraine bricht. Sie will nicht nur den laufenden Haushalt eines Drittstaats finanzieren, und das mit einer Art Dauerauftrag, was es bisher noch nie gab.

Sie will dafür auch neue Schulden aufnehmen und die Zinsen auf die Mitgliedsstaaten abwälzen. Dies geht es dem Entwurf vor, den Kommissionschefin von der Leyen nach Abstimmung mit Berlin vorgelegt hat. Die Rückzahlung soll erst 2033 beginnen – wenn Kiew dann zahlungsfähig ist.

Der Plan läuft auf Eurobonds für die Ukraine hinaus, trotz Korruptiongefahr und ohne Garantien. Da fragt man sich doch, warum Vergleichbares für Euroländer wie Griechenland oder Zypern abgelehnt wurde. Und warum gibt es eigentlich immer noch keinen Schuldentilgungsfonds?

Den brauchen wir doch mehr denn je – angesichts all der alten und neuen Schulden…

Siehe auch “Leyen prescht schon wieder vor”

Watchlist

Zieht die EU in den “Cyber War”? Diese Frage stellt sich die “FAZ”, nachdem sie einen Entwurf der EU-Kommission zur “Cyber Defense” gelesen hat. Demnach soll die EU zu allen verfügbaren Mitteln greifen und sogar digitale Gegenangriffe starten, wenn sie etwa von Russland attackiert wird. Dies könnte jedoch zu einer Eskalation führen; aus dem “Cyber War” würde womöglich ein “echter” Krieg. Man darf deshalb gespannt sein, ob die riskanten Passagen noch auftauchen, wenn der Plan am Donnerstag vorgestellt wird.

Was fehlt

Der offene Streit zwischen den EU-Spitzen. Es geht um die Energiekrise. Ratspräsident Michel macht Druck auf Kommissionschefin von der Leyen. Beim EU-Gipfel Ende Oktober habe man sich auf einen Plan mit neun konkreten Maßnahmen verständigt, so Michel. “Und wir haben die Kommission aufgefordert, dringend konkrete Legislativvorschläge auf den Tisch zu legen.” Es sei nun an der Zeit zu handeln. “Es ist keine Option mehr, die Sache auf die lange Bank zu schieben.” Das nennt man eine Ohrfeige…