Sündenfall im Internet
Acht Wochen vor der Europawahl hat das EU-Parlament in Straßburg einen Sündenfall begangen. Es hat – mit einer fraktionsübergreifenden Mehrheit – die umstrittene Urheberrechtsreform für das Internet durchgewunken und sich damit über alle Regeln guter Gesetzgebung hinweggesetzt.
Gute Gesetze werden auf transparente Art und Weise gemacht, sie beruhen auf ausgewogenen Kompromissen und lösen reale Probleme. Nichts von alldem lässt sich von der Novelle aus Straßburg sagen.
Sie kam nicht transparent zustande, sondern ist das Ergebnis einer Lobby-Schlacht. Die finale Fassung entstand im so genannten Trilog – einem undurchsichtigen Gekungel in Brüsseler Hinterzimmern. Sogar die Europäische Bewegung kritisiert dieses undemokratische Verfahren.
Die Reform beruht auch nicht auf einem Kompromiss, im Gegenteil: Mit einer ganz knappen Mehrheit wurden alle Anträge abgeblockt, das Gesetz aufzuschnüren und zumindest bei den Uploadfiltern noch einmal nachzubessern. Änderungen waren unerwünscht.
Und sie löst keine Probleme – sondern schafft neue. Wie sonst wäre es zu erklären, dass CDU und CSU in Deutschland jetzt schon ankündigen, das EU-Gesetz in Deutschland anders auszulegen, als es in Straßburg beschlossen wurde?
„Wir brauchen keine Uploadfilter“, heißt es in Berlin. Wieso werden sie dann in der EU beschlossen? „Das deutsche Leistungsschutzrecht hat den Verlagen nicht geholfen“, räumt man in Berlin ein. Wieso sollte das auf EU-Ebene jetzt plötzlich anders sein?
Nein, diese Reform ist nicht hilfreich – sie ist schädlich. Denn sie spaltet die Große Koalition und ihre Minister (bis hin zum schizophrenen Verhalten von Justizministerin Barley) – bringt aber auch kleine Kreative und große Musikproduzenten, freie Journalisten und mächtige Verlage gegeneinander auf.
Dass die Urheber am Ende profitieren, ist alles andere als sicher. Ähnlich wie bei der Datenschutzgrundverordnung könnte es am Ende so sein, dass die US-Internetkonzerne die Regeln umgehen oder für sich ausnutzen, während Start Ups und kleine Selbständige verlieren.
Zudem sendet das EU-Parlament acht Wochen vor der Europawahl ein fatales Signal aus: Die Proteste der Bürger, die zu Zehntausenden auf die Straße gegangen sind, interessieren uns nicht. Die Quittung an der Wahlurne wird nicht auf sich warten lassen.
So verscherzt es sich die EU nicht nur mit Google und YouTube, sondern auch mit ihrer eigenen Jugend…
Siehe auch “Das Klima ist vergiftet” und “Fake News aus dem EP”
Alexander
27. März 2019 @ 15:51
„Mit einer ganz knappen Mehrheit wurden alle Anträge abgeblockt, das Gesetz aufzuschnüren und zumindest bei den Uploadfiltern noch einmal nachzubessern.“
Angeblich haben sich da aber Abgeordnete verwählt:
https://twitter.com/woelken/status/1110657088177487877
https://boingboing.net/2019/03/26/jfc-fml-jfc.html
(Man beachte beim ersten Link auch den Einwand von Julia Reda!)
Sollte es sich hier tatsächlich um Irrtümer handeln, dann stellt sich für mich die Frage, wie oft so etwas an anderer Stelle unbemerkt bleibt.
Holly01
27. März 2019 @ 21:48
Das ist nun nicht persönlich oder Ihnen gegenüber böse gemeint, aber ich schreib das wie ich das sehe:
“Die Abgeordneten lachen die community aus”.
So läuft das wenn man nachher noch mal nach tritt und ausdrückt:
“Ihr seit uns total egal, denn wir machen die Musik”.
Drei Knöpfe. Ja – Nein – vielleicht
Wenn es da ein durch einander gibt, dann fragt man nach und bittet um Eindeutigkeit, ist aber unnötig, weil der Text der zur Abstimmung ansteht vorliegt.
Die suhlen sich in unserer Ohnmacht …. thats it
vlg
Rudi Ehm
27. März 2019 @ 11:23
Die Zensur hat gesiegt und die Kreativen müssen jetzt arbeiten gehen. Wer beim NetzDG leichtfertig dachte, es wäre ein Instrument gegen Hass, müsste eigentlich da schon gewarnt gewesen sein. Nein, man wollte ja zu den Guten gehören. Jetzt ist da Kind endgültig in den Brunnen gefallen. Bei der Zustimmung haben die Parteien gleich den ganzen Sack zugemacht. Eine gute Lehre, aber wahrscheinlich wieder umsonst. Dafür gibt es jetzt 24 Stunden am Tag Tagesschau und Kleber umsonst.Fortschritt.
Kleopatra
27. März 2019 @ 09:51
Die meisten youtube-Filme, die ich ansehe, werden von youtube mit einem Werbefilm als Vorspann ausgestattet. Wer das machen kann, kann sich nicht darauf berufen, dass er mit den Filmen nicht zu tun hätte, und daher ist er für sie verantwortlich wie andere Veröffentlicher oder Verbreiter auch; und zwar sowohl was Verstöße gegen das Urheberrecht betrifft als auch in anderer Hinsicht (Aufrufe zu Straftaten, andere bedenkliche Inhalte). youtube sollte sich auch nicht damit herausreden wollen, dass sie “soviel Material gar nicht überprüfen können”, denn niemand zwingt sie, mehr Material weiterzuverbreiten, als sie überprüfen können – genauso wie keine Zeitung mit der Behauptung durchkäme, dass bei ihnen Texte ohne menschliche Überprüfung vom Webformular direkt in den Druck gehen und sie daher für darin enthaltene Verleumdungen nicht verantwortlich seien.
Holly01
27. März 2019 @ 11:51
Ja und nein.
Ich folge Ihrer Argumentation in der Hinsicht, dass youtube (und andere) eine rechtliche Lücke aufweisen, sonst würden diese Plattformen nicht funktionieren.
Das eigentliche Problem ist die Rechtslage und die ist an industrieller Vermarktung orientiert.
Das Rechteverwerter gegenüber Kreativen (ich weiß kein besseres Wort, also Menschen die Inhalte kreieren) eine massive Machtstellung haben ist (denke ich) unbestritten.
Das deutsche Gerichte klar gestellt haben das diese Kohlschen Verwertungsgesellschaften eigentlich nicht Rechts kompatibel sind setze ich als gegeben.
Die Lobby hat also eine Verzerrung der rechtlichen Situation “gerettet” und auf die EU übertragen und damit maximiert.
Das ist eine Sauerei.
Das die Menschen sich im rechtsfreien Raum bewegen, wenn sie nach belieben alles nutzen was verfügbar ist, ist ebenfalls eine Sauerei.
Ich folge inhaltlich dem Artikel auf Telepolis, das es um Vermarktung und um Einkünfte geht. Nun eine Sauerei hat sich gegen die andere durchgesetzt.
Nun werden Gerichtsverfahren folgen, die erzwingen, das die Verwerter an der Ausschüttung nicht teilhaben DÜRFEN, weil sie keine Leistung erbringen und keine Vertragspartner sind.
Kohl hat das Anfang der ´80er bewusst gemacht, schon damals war klar, wie zweifelhaft das Alles ist. Aber Kohl wollte seine Friedhofsruhe in Deutschland und alle Kreativen abwürgen.
Da war der wirtschaftliche Weg über GEMA und VW effektiv, schnell und nachhaltig.
Das wurde nun expandiert und auf die lange Bank geschoben, läuft also weiter.
Ich hoffe da kommt jemand auf die Idee der Eilverfügung, um die VW zu zwingen Rückstellungen anzulegen.
Nicht das es in 20 Jahren heisst: Ok durften wir nicht, aber sry das Geld ist weg und zurück bekommen wir es nicht.
Wir werden sehen.
Das ist jedenfalls das was Menschen als Rechtsbeugung im Amt bezeichnen würden. Also bewusstes verstoßen gegen die rechtlichen Normen.
Ich halte das für die größere Sauerei als das willkürliche Nutzen von Inhalten ….
Aber richtig ist (natürlich) beides nicht.
vlg
Alexander
27. März 2019 @ 15:55
“Die meisten youtube-Filme, die ich ansehe, werden von youtube mit einem Werbefilm als Vorspann ausgestattet.”
Kleiner Tipp: Mit der richtigen Software (z.B. Firefox und µBlock Origin) kann man das dauerhaft vermeiden!
Holly01
26. März 2019 @ 21:28
Das ist ein geniales Konzept. Ich werde mich direkt für das nächste Wintersemester 20/21 einschreiben, natürlich als Jurist.
Die jungen Menschen haben endlich eine Perspektive: Abmahnanwalt.
Da wird das Rechtswesen in den USA wie ein Kleintierfriedhof aussehen.
Wir holen Millionen Arbeitslose in die Arbeit zurück.
Und Klimafreundlich ist das auch. Arbeiten im home office.
Ich hatte das nur nicht richtig verstanden.
Genial, die EU ist einfach genial.
Wählt CDU, die haben die Antworten !!!!
vlg