Europa soll deutscher werden (II)
Eine “gute” Nachricht kommt selten allein: Nachdem Finanzminister Schäuble seinen Landsmann K. Regling für die Haushaltskontrolle vorgeschlagen hat, wird G. Oettinger Haushaltskommissar.
Grund ist der Abgang der bulgarischen Kommissarin K. Georgiewa, die bisher fürs Budget zuständig war. Sie wird Geschäftsführerin der Weltbank und soll bis Jahresende Brüssel verlassen.
Für Oettinger ist der Wechsel ein Aufstieg. Schließlich ist das Internet, für das er zuletzt zuständig war, für den Daad-Tree-Leser immer Neuland geblieben. So richtig ernst hat ihn niemand genommen.
Nun darf er den Berufs-Schwaben spielen und für strenge Budgetdisziplin im EU-Budget kämpfen. Das dürfte wegen des Brexit ohnehin schrumpfen, der Verteilungskampf wird hart.
Bleibt die Frage, warum Kommissionschef Juncker den CDU-Mann auf diesen strategischen Posten gehievt hat. Vielleicht, um Schäuble zu besänftigen, der ja permanent mehr Spardisziplin fordert?
S.B.
29. Oktober 2016 @ 11:08
Ein sehr guter Artikel, der zusammenfasst, wie es um EU und Euro bestellt ist, wo die Ursachen liegen und was die Folgen sind und noch sein werden.
http://www.zeit.de/2016/43/europaeische-union-brexit-italien-spaltung/komplettansicht
Die aus meiner Sicht wichtigsten Textstellen:
“Das britische Austrittsvotum hätte, nach dem Scheitern des Dublin-Regimes und dem Desaster der Währungsunion, als weiterer Beweis dafür genommen werden können, dass mehr Integration im Europa von heute zu mehr Konflikt und deshalb zu weniger Integration führt.”
“Zugleich aber wurde die Gelegenheit ausgelassen, die Austrittsverhandlungen zur Schaffung eines neuen, individuell anpassbaren Mitgliedsstatus zu nutzen, der auch für schon beigetretene Länder offen wäre und zur Grundlage eines kooperativen Europas à la carte hätte werden können, eines Europas nicht der “zwei Geschwindigkeiten”, sondern einer “variablen Geometrie”, als Alternative zu der ever closer union des Maastrichter Vertrags mit ihrer Vision eines zentralisierten, supranationalen Superstaats.”
GANZ WICHTIG:
“…der Scheinkonsens zwischen den Mitgliedsstaaten über Sinn und Zweck der europäischen Integration, der nur durch peinliche Vermeidung jeglicher Erwähnung der unterschiedlichen mit ihr verfolgten nationalen Interessen aufrechtzuerhalten ist…”
“Allerdings glaubt niemand, dass eine Rückkehr in die gute alte Zeit der Output-Legitimität ausreichen wird, um “Europa” zusammenzuhalten. Man scheint sich darauf einzustellen, Probleme noch mehr als bisher “flexibel” zu lösen, das heißt durch Umgehung oder Beugung eines Regelwerks, das man nicht ändern oder loswerden kann.”
ZUM EURO:
“Schon Keynes wusste, dass ein Goldstandard nicht mit Demokratie vereinbar ist – und der Euro kommt einem verschärften Goldstandard gleich. Ebenso wenig mit Demokratie vereinbar ist ein zwischenstaatliches Transferregime, wenigstens eins von wirtschaftlich relevanter Größenordnung. Dies gilt für Geber- wie Nehmerländer – für die einen, weil ihre Wähler, zumal wenn sie sich eine Schuldenbremse auferlegt haben, andere Verwendungen für ihre Steuern vorziehen werden, und für die anderen, weil die Auflagen, ohne die es keine Unterstützung geben kann, ihnen als illegitime Eingriffe in ihre Selbstbestimmung erscheinen müssen.”
ZU DEN FOLGEN:
“Eine Transferunion dieses Ausmaßes ist aber völlig undenkbar. So schnappt die Falle zu: keine “Strukturreformen”, keine “Transferunion”, keine Rückkehr zu korrigierbaren Wechselkursen, als Folge wachsende Ungleichheit zwischen Nord und Süd – und Regierungen, denen nichts bleibt als rhetorische Feindseligkeiten.”
“Ohne Wiederherstellung monetärer Handlungsfähigkeit auf nationaler Ebene oder, alternativ, die Einwilligung des Nordens in eine Umverteilung zugunsten des Südens wird die Verwandlung des Mittelmeerraums in ein Armenhaus weitergehen, mit den sich längst abzeichnenden, die europäischen Völker katastrophal spaltenden Folgen.”
EU UND EURO SIND EBEN ECHTE FRIEDENSPROJEKTE. (Ironie aus)
Ein Europäer
29. Oktober 2016 @ 01:52
Ich bin mit Ambrose Evans Pritchard der Daily Telegraph eine Meinung, schuld daran haben auch die Südländer, weil sie reden nicht. Da hört man von denen so gut wie gar nichts. Hollande ist für mich die größte Enttäuschung, er hat absolut nichts beigetragen weder für Europa noch für Frankreich.
ebo
29. Oktober 2016 @ 10:47
Gegen die Nominierung Oettingers können die Südländer nichts machen. Kommissionschef Juncker kann selbst entscheiden, wie er die Aufgaben verteilt. Ich vermute aber, dass er dabei unter Druck aus Berlin stand…
S.B.
28. Oktober 2016 @ 22:52
Wie ist nur zu verstehen, dass aus keinem einzigen EU-Mitgliedsland auch nur eine Gegenstimme zu hören ist? Von Gegenwehr wollen wir gar nicht sprechen. Die (EU-) Schlinge zieht sich immer weiter zu um die Hälse der (insbesondere Süd-) Länder – und nichts passiert. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.