Waffen statt Vakzine: Brüssel will noch mehr Macht

Die Zeit der „Friedensdividende“ ist vorbei, jetzt kommt die europäische „Kriegswirtschaft“. Dies ist das Ziel eines umstrittenen Aktionsplans, den die EU-Kommission in Brüssel präsentiert hat.

Neben einer „Strategie für die Verteidigungsindustrie“ legte die Kommission auch ein Investitionsprogramm vor, das zunächst 1,5 Milliarden Euro umfassen soll. Langfristig könnte es aber auf 100 Milliarden anwachsen – wie das deutsche Sondervermögen für die Bundeswehr.

Begründet wird der Vorstoß, mit dem sich die EU wohl endgültig vom Ziel einer Friedensunion verabschiedet, mit der russischen Invasion in die Ukraine. Auch die Lage in den USA spielt eine Rolle: Brüssel will sich vor einem möglichen Machtwechsel in Washington unabhängiger machen.

„Russland brutaler Angriff auf die Ukraine hat den Krieg zurück nach Europa gebracht“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. „Nach Jahrzehnten der Unterfinanzierung müssen wir mehr in die Verteidigung investieren – aber wir müssen es besser und gemeinsam tun.“

Konkret schlägt die Behörde vor, neue Rüstungsprojekte künftig gemeinsam anzugehen. Wenn sich mehrere EU-Länder bei der Waffenproduktion zusammentun, sollen sie bei den Mehrkosten entlastet werden. Ziel soll es sein, 40 Prozent der Ausrüstung bis 2030 gemeinsam zu beschaffen.

Brüssel peilt auch ein Ziel bei der Unabhängigkeit an. So sollen bis 2030 mindestens 50 Prozent der Rüstungsgüter auf dem europäischen Binnenmarkt gekauft werden. Derzeit fließen nach Angaben von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager knapp 80 Prozent der Mittel in Länder außerhalb der EU, davon allein 60 Prozent in die USA.

“Das ist nicht mehr tragbar, wenn es überhaupt jemals tragbar war“, sagte Vestager. Besonders viele Waffen kaufen Polen, Deutschland und die Niederlande in den USA. Frankreich hatte gefordert, mehr in Europa zu produzieren und sogar eine „Buy European“-Klausel vorgeschlagen.

Damit konnte sich Paris jedoch ebenso wenig durchsetzen wie mit der Idee, ein neues, schuldenfinanziertes Rüstungsprogramm aufzulegen. Der französische EU-Kommissar Thierry Breton hatte die Zahl von 100 Milliarden Euro ins Spiel gebracht, die über Anleihen („Eurobonds“) finanziert werden könnten.

Hier sagten jedoch Deutschland, die Niederlande und andere „frugale“ (sparsame) EU-Länder Nein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzt auf eine andere Methode: Alle EU-Länder sollen ihre Produktion hochfahren und mehr Waffen in die Ukraine schicken – unabhängig von Brüssel…

P.S. Übrigens ist die Rechtsgrundlage des EU-Plans zweifelhaft. Nach Artikel 41.2 des EU-Vertrags darf das EU-Budget nicht für Verteidigung bzw. Rüstung genutzt werden. Genau das plant die Kommission jedoch. Sie beruft sich dabei auf vier verschiedene Vertrags-Artikel, die drei verschiedene “Säulen” stützen sollen – eine überaus wacklige Konstruktion. In keinem dieser Rechtstexte wird Rüstung auch nur erwähnt…