Blackout vor dem Energie-Gipfel, Biden scheut Putin – und Assange war ein Alibi

Die Watchlist EUropa vom 20. Oktober 2022 –

Heute geht es um den EU-Gipfel, den Streit um Maßnahmen gegen die Energiekrise, die Feindseligkeit zwischen US-Präsident Biden und Kremlchef Putin – sowie um den Sacharow-Preis, der erstmals an ein ganzes Volk verliehen wurde.

Es ist bereits der dritte EU-Gipfel, bei dem die Energiekrise im Mittelpunkt steht. Bei ihrem Treffen am Donnerstag und Freitag in Brüssel müssen die 27 Staats- und Regierungschefs den gordischen Knoten durchschlagen und Maßnahmen gegen die Mondpreise bei Gas und Strom beschließen. Doch schon vor Beginn des Treffens herrschte dicke Luft.

Deutschland und Frankreich konnten sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen und sagten überraschend die für kommende Woche geplanten Regierungsgespräche ab. Sie sollen im Januar nachgeholt werden. Streit gibt es auch über den bis zu 200 Milliarden Euro teuren deutschen „Doppel-Wumms“ zur Entlastung von Bürgern und Unternehmen. Und um den Gaspreisdeckel, den 15 EU-Staaten mit Nachdruck fordern, den Berlin aber ablehnt.

Eigentlich sollten diese Probleme, die zu einem politischen “Blackout” führen könnten, schon im Vorfeld ausgeräumt werden. Mit eigenen Vorschlägen wollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag das monatelange, nervenzehrende Tauziehen beenden und den Weg zu bezahlbaren Gas- und Strompreisen weisen. Doch ihre Vorschläge stellen niemand zufrieden.

“Der wichtigste Gipfel”

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Beim EU-Gipfel werden deshalb lange und hitzige Diskussionen erwartet. „Dies wird der wichtigste Gipfel seit langem“, warnt der belgische Premier Alexander De Croo, der bereits seit dem Frühjahr einen Gaspreisdeckel fordert. Von einer „entscheidenden Etappe“ spricht die belgische Energieministerin Tinne Van der Straeten. Alles hänge jetzt von der schnellen Umsetzung ab.

Ähnlich äußerte sich Spaniens Energieministerin Teresa Ribera. „Obwohl Fortschritte in einem noch nie dagewesenen Tempo erzielt werden, sind wir noch weit davon entfernt, Lösungen zu finden, die auf Dauer Bestand haben können“, sagte sie. Die Vorschläge aus Brüssel reichten nicht aus.

Ganz anders klingt es in Berlin. Man rechne zwar mit intensiven und langen Diskussionen, die sich bis in den Abend ziehen könnten, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Die Vorschläge gingen jedoch in die richtige Richtung. “Wir sind optimistisch, dass wir einen guten Kompromiss finden“, sagte ein Insider in Berlin.

Wirtschafts- und Sozialkrise

Es wird höchste Zeit. Denn über die Energiekrise diskutiert die EU bereits seit einem Jahr, ohne greifbaren Erfolg. Die Preise für Gas und Strom sind regelrecht explodiert – nicht zuletzt, weil sich Deutschland und andere Mitgliedsstaaten bei ihren Kauf-Angeboten auf den Märkten wechselseitig überboten haben, wie von der Leyen am Mittwoch lauthals beklagte.

Wenn die 27 EU-Chefs keine Lösung finden, droht eine schwere Wirtschafts- und Sozialkrise, mit zahlungsunfähigen Bürgern und insolventen Unternehmen. Die von den Energiepreisen getriebene Inflation ist jetzt schon außer Kontrolle: Die EU-Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg meldete am Mittwoch eine EU-weite Teuerungsrate für den September von 10,9 Prozent.

In den baltischen Ländern und in Ungarn liegt sie teilweise schon über 20 Prozent. Die offizielle Zielmarke in der Eurozone liegt dagegen bei zwei Prozent. Sie wurde schon im vergangen Jahr gerissen – lange vor dem Ukraine-Krieg, den die EU nun für ihre akuten Probleme verantwortlich macht…

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Watchlist

Weicht US-Präsident Biden einer Begegnung mit Kremlchef Putin aus? Dies meldet die amerikanische Ausgabe von “Politico”. Beim G-20-Gipfel auf Bali wolle Biden sogar ein gemeinsames Foto vermeiden. Wenn das stimmt, sieht es schlecht aus um direkte Gespräche, wie sie Putins Außenminister Lawrow vorgeschlagen hatte. Dabei wären diese angesichts des laut Biden drohenden “Armageddon” durch Atomwaffen dringend nötig…

Was fehlt

Der Orden für das ukrainische Volk. Wie in diesem Blog richtig vermutet, hat das Europaparlament den Sacharow-Preis an die tapferen Ukrainer vergeben. “Ukrainer verteidigen seit Monaten heldenhaft ihr Leben, ihre Familien und ihre Freiheit. Sie riskieren ihr Leben auch für Europa und die Werte, an die wir alle glauben, für Frieden und Demokratie”, sagte Parlamentspräsidentin Metsola. Der ebenfalls nominierte Wikileaks-Gründer Assange ging leer aus – er war wohl nur ein Alibi…