ESM-Kredite ohne Austerität? Von wegen
Keine Troika, kein Austeritätskurs: Mit diesen Versprechen wollen Kanzlerin Merkel und Finanzminister Scholz den Krisenländern die umstrittenen ESM-Kredite schmackhaft machen. Dabei soll es sehr wohl Konditionen geben, wie ein “Nonpaper” aus dem BMF zeigt.
Bevor wir den Text kommentieren, wollen wir ihn erst einmal dokumentieren. Hier die relevante Passage (Hervorhebungen von mir):
Conditionality: In a first stage, ESM support would be conditional on the beneficiary Member committing (in an MoU, which would be based on common terms for all Members requesting this facility) to applying its economic policy toward decisively addressing the corona outbreak as rapidly as possible (see also Annex 1). To ensure that this is done overall in a way that is consistent with sound budgetary policy and appropriate discipline, a Member should in the medium term, address vulnerabilities identified in the European Surveillance Procedures, including country-specific recommendations within the European Semester, thereby committing to ongoing respect of EU fiscal rules. This includes any flexibility applied to these surveillance frameworks by the competent EU institutions in response to an external shock. If the credit line is drawn, ESM support should be used specifically for costs of responding to the corona outbreak including health costs and immediate economic costs.
Non-Paper des BMF vom 3.4.20
Italien, Spanien und andere hilfsbedürftige Länder sollen sich also auf eine solide Budgetpolitik und “Disziplin” verpflichten. Dafür ist ein “Memorandum of Understanding” (MoU) geplant – also genau das, was in der Eurokrise für böses Blut sorgte.
Darin sollen die Kreditnehmer unterschreiben, dass sie die Fiskalregeln der EU künftig wieder einhalten. Dabei sind genau diese Regeln – der Stabilitätspakt, der Six-Pack etc – wegen der Krise ausgesetzt. Denn sie sind für einen massiven externen Schock nicht ausgelegt.
Wenn Italien die Regeln nach dem Abflauen der Coronakrise wieder einhalten sollte, müsste es sein Budgetdefizit von derzeit 130 Prozent – und nach der Krise vielleicht 180 oder 200 Prozent – wieder auf 60 Prozent herunterfahren. So steht es im Stabilitätspakt.
Wenn das keine Austeritätspolitik bedeutet…
Interessant ist auch, dass die Regeleinhaltung von “den zuständigen EU–Institutionen” überwacht werden soll. Das wäre dann wohl der ESM und die EU–Kommission – womöglich auch der IWF, der an anderer Stelle des Non-Papers erwähnt wird.
Damit wäre die “Troika” wiederauferstanden…
Aber selbst wenn es nur ESM und Kommission sein sollten, so stünden Italien und andere Nehmerländer nach dieser “großzügigen” Hilfe unter Kontrolle Deutschlands. Denn beide “zuständigen EU–Institutionen” werden von Deutschen geleitet.
Wundert sich da noch jemand, dass sich Italien und Spanien sträuben, über ESM-Hilfen zu sprechen?
Siehe auch “Solidarität à la Scholz” und “Isch over” (zum Stabilitätspakt). Das Nonpaper ist hier (PDF)
Holly01
9. April 2020 @ 10:08
Wenn ich Salvini wäre, würde ich die UniCredit verstaatlichen und eine feindliche Übernahme der Deutschen Bank betreiben.
Warum?
Damit der italienische Staat Anleihen zu 0% emittieren kann, die die Deutsche Bank dann kauft und an die EZB weiter reicht.
Ende mit Markt Gewäsch.
Die Deutsche Bank würde so etwa 13 Mrd. kosten. Ich könnte mir vorstellen, das eine Übernahme nicht sehr schwierig wäre.
So geht Markt ….. wenn man in einem Boot mit den “Deutschen” sitzt.
vlg
Peter Nemschak
8. April 2020 @ 17:08
Ein Staat, der schwachen Kreditnehmern Kredite ohne Auflagen (Covenants) gibt, macht sich der Untreue gegenüber seinen Bürgern schuldig. Solidarität muss an Bedingungen geknüpft werden, sonst leistet sie der politischen Verantwortungslosigkeit des Kreditnehmers Vorschub. Italien hätte sich längst ein effektives Governance System verpassen können und ist dabei gescheitert. Was ist aus Renzis Verfassungsreformbemühungen geworden ? Der italienische Staat sollte sich zuerst einmal am Vermögen seiner Bürger, das pro Kopf größer ist als in Deutschland, bedienen. Die ordnungspolitischen Vorschläge des Vorsitzenden der deutschen Wirtschaftsweisen Lars Feld klingen vernünftig.
Holly01
9. April 2020 @ 07:45
” Ein Staat, der schwachen Kreditnehmern Kredite ohne Auflagen (Covenants) gibt, macht sich der Untreue gegenüber seinen Bürgern schuldig. Solidarität muss an Bedingungen geknüpft werden, sonst leistet sie der politischen Verantwortungslosigkeit des Kreditnehmers Vorschub. ”
Ich ersetze “Ein Staat” durch “eine Bank”.
Bei der Kreditgewährung verlängert eine Bank ihre Bilanz und zahlt Geld aus, welches es vorher nicht gab. “Geldschöpfung aus dem Nichts” lautet der Euphemismus.
Die Bank macht das, weil sie glaubt das der Kreditnehmer das Geld zurück zahlt.
Dieser Weg erzeugt etwa 97% des Buchgeldes aka Giralgeldes (ohne Notenbank Krisenmaßnahmen).
So weit so bekannt.
Die Bank kann das aber nicht aus eigener Herrlichkeit.
Die Notenbank garantiert der Bank den Tausch EINER BELIEBIGEN Sicherheit (Achtung das ist eine Flußgröße) gegen die Gutschrift dieser Geldsumme auf das Konto der Bank bei der Notenbank.
Noch einmal anders, damit es klar ist.
Die Bank ist ein Mittler zwischen Notenbank und Kreditnehmer. Böse Zungen (also ich) sagen das die Bank keine eigene Leistung erbringt.
Die Notenbank garantiert also den Vorgang und eine Notenbank … genau, sie kann in ihrer eigenen Währung keine Verluste machen.
Ein Kredit ist nicht das Geld, das der Handwerker mit unternehmerischem Risiko sauer erarbeitet hat.
Das ist nicht das Geld aus dem Sparstrumpf der schwäbischen Hausfrau.
Ein Kredit ist eine monetäre Lenkung für Konsum und gesellschaftliche Entwicklung.
Ihr Beispiel Hr. Nemschak trifft auf cum ex zu, es trifft auf Immobilienmogule, wie den Hr. Schneider zu, es trifft auf Menschen mit Geldvermögen zu die sich mit Geld als Sicherheit noch mehr Geld leihen und über Hebel Aktien damit erwerben.
Es trifft aber NICHT auf gesellschaftliche bzw staatliche Maßnehmen zu, die existenziell notwendig sind.
DA VERKÜRZT DIE NOTENBANK EINFACH IHRE BILANZ.
Man nennt das landläufig negative Zinsen.
Das reguliert die Geldmenge, begrenzt die Zinsen die der Staat “am Markt” zahlt und dient dem politischen Willen.
Das muss man nur gegen die Wut der Geldinhaber absichern.
Die verlieren bei solchen Aktionen ihre Macht und das mögen die überhaupt nicht.
Ein Staat muss mit seinem Geld die Gesellschaft sinnvoll entwickeln können.
Das hat mit Moral nur am Rande zu tun.
vlg
JSFarinet
9. April 2020 @ 14:56
Wie war das doch gleich mit den Hilfen für Soloselbständige, Freiberufler u.ä. z. B. in Berlin? Steuer-Identnummer und das wars. Risikoberwertung? Pustekuchen … Helikoptergeld!
Und nicht, dass wir uns missverstehen: Ich finde das richtig …
Freiberufler
8. April 2020 @ 12:59
In Spanien, wahrscheinlich in 6 Monaten eines der insolventesten Länder der Eurozone, denkt man gerade über ein bedingungsloses Grundeinkommen nach. Da führt an Eurobonds freichlich kein Weg vorbei… Spaß beiseite: Eine kollektive Schuldenorgie in Höhe von 30 – 50 % des BIPs ist genauso abenteuerlich wie die Idee, das Ganze für rückzahlbar zu erklären und die Schulden von Sparkommissaren eintreiben zu lassen.
Holly01
7. April 2020 @ 13:42
Das ist fast so genial verlogen, wie der Vorschlag den “Partnern” die man offensichtlich für Idioten hält, die target2 Salden zu schenken …..
vlg