Falsches Narrativ, schlechte Politik

Die Bundesregierung hat einen „Abwehrschirm“ gegen die Energiekrise verkündet. Doch das zugrunde liegende Narrativ führt in die Irre. Und die Politik ist auch schlecht – Berlin bläht den Markt auf und verprellt die Partner in der EU.

Natürlich ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass die Ampel-Koalition endlich handelt und die explodierenden Gas- und Strompreise dämpfen will. 200 Mrd. Euro sind eine stolze Summe, hier wird nicht gekleckert.

Doch der „Doppel-Wumms“ beruht auf einer falschen Analyse. Eigentlich ist es gar keine Analyse, sondern nur ein Narrativ, wie man die eilig zurechtgelegten Rechtfertigungs-Erzählungen heutzutage nennt.

Putin ist schuld, heißt diese „Analyse“ kurz zusammengefasst. Putin führe einen „Energiekrieg“ und habe „die Gasversorgung als politische und ökonomische Waffe gegen die Unterstützung der westlichen Welt, insbesondere Europa, eingesetzt.“

Dagegen wehre sich die Bundesregierung nun mit einem „Wirtschaftlichen Abwehrschirm“ – so der Titel des neuen Hilfsprogramms. Dieser soll „gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges helfen.

Kein Wort zur übermäßigen deutschen Abhängigkeit von Gas aus Russland. Kein Wort zu den EU-Sanktionen, die auf Energie aus Russland zielen und die Preise treiben. Und kein Wort zum dysfunktionalen Energiemarkt in der EU.

Das muß man erstmal fertigbringen! Wer ein Hilfsprogramm auf eine derart verkürzte „Analyse“ stützt, kann nicht erwarten, dass es vernünftig wirkt. Das falsche Narrativ führt fast zwangsläufig zur falschen Politik.

Ein erster, großer Fehler führt jetzt schon zu Protesten: Die nationale Ausrichtung des Programms. Weil Deutschland besonders abhängig von russischem Gas war, glaubt es, nun auch besonders viel LNG-Gas zu brauchen – zur Not im Alleingang.

Und so kaufen Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck den Markt leer – auf Kosten nicht nur der armen Länder in Asien oder Afrika, sondern auch der finanzschwachen EU-Mitglieder wie Belgien oder Griechenland.

Statt diesen Fehler zu korrigieren, wird er im „Abwehrschirm“ festgeschrieben. Kein Wunder, dass unsere europäischen Partner protestieren. Nicht nur Belgien und Griechenland sind sauer, auch der Vorzeige-Europäer Draghi mahnt mehr Solidarität an.

Diese Solidarität hat Deutschland eklatant verletzt. Denn nun kommt es nicht nur zu massiven Verzerrungen im Binnenmarkt, sondern auch zu einer Aufblähung des Gasmarkts. 200 Mrd. Euro werden Begehrlichkeiten wecken und die Preise treiben.

Von der Leyen auf deutschem Kurs

Die EU-Kommission könnte dies verhindern, indem sie die 200 Mrd. als nationale Beihilfe wertet und auf einem gemeinsamen Vorgehen beim Gasp- und Stromdeckel pocht. Doch unter deutscher Führung macht sie genau das Gegenteil.

Man werde den Beihilferahmen erneut anpassen, erklärte ein Sprecher der EU-Behörde. Zuvor hatte sich Kommissionschefin von der Leyen gegen einen EU-weiten Gaseckel ausgesprochen – mit genau den Argumenten, die man auch aus Berlin hört.

Ähnlich wie in der Coronakrise erweist sich von der Leyen als zu schwach, um gegenzusteuern. Sie unterstützt eine falsche deutsche Politik – weil sie das zugrunde liegende falsche Narrativ teilt. Diese Krise wird uns noch lange beschäftigen…

Siehe auch „Die deutsche EU-Bremse“. Mehr zur Energiekrise hier

P.S. Berlin und Brüssel haben übrigens viel zu spät reagiert. Die Energiekrise war schon Thema beim EU-Gipfel im Oktober 2021, lange vor dem Ukrainekrieg. Einen Preisdeckel diskutiert die EU seit März. Doch Scholz und Habeck standen auf der Bremse. Nun ist der Schaden kaum noch gut zu machen, in Deutschland brennt die Hütte...