Die deutsche EU-Bremse, der russische Anschluß – und Maltas goldene Pässe

Die Watchlist EUropa vom 30. September 2022 –

In der EU droht neuer Streit über Notmaßnahmen gegen die Energiekrise. 15 EU-Staaten, darunter die Schwergewichte Frankreich und Italien, haben sich für einen europaweiten Gaspreisdeckel ausgesprochen, um die Preisexplosion auf dem Gas- und Strommarkt einzudämmen. Doch ausgerechnet Deutschland, das sich für eine 200 Mrd. Euro teure nationale Preisbremse entschieden hat, steht auf der Bremse. Auch die EU-Kommission hat Bedenken. Beim mit Spannung erwarteten Krisentreffen der EU-Energieminister am Freitag ist Ärger programmiert.

Einige der 15 Staaten, darunter Belgien und Griechenland, fordern bereits seit dem Frühjahr ein Preislimit für Gas. Sie haben zwar bereits kostspielige nationale Preisbremsen eingeführt, kommen jedoch an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Deshalb erhöhen sie nun den Druck.

15 EU-Staaten machen Druck

Das Preislimit könne „so gestaltet werden, dass die Versorgungssicherheit und der freie Fluss von Gas innerhalb Europas gewährleistet sind und gleichzeitig unser gemeinsames Ziel, die Gasnachfrage zu senken, erreicht wird“, heißt es in einem Brief an die EU-Kommission.

Die Brüsseler Behörde wischt dieses Argument jedoch beiseite. Ein Preisdeckel könne dazu führen, dass das Angebot vor allem beim teuren Flüssiggas sinkt und die Versorgungssicherheit abnimmt, sagte ein Kommissionsexperte am Donnerstag in Brüssel. Auch die praktische Umsetzung sei schwierig.

Demgegenüber erklärte ein EU-Diplomat, man müsse nicht sofort ein zentralisiertes System schaffen, um den Großhandel zu ersetzen. Denkbar sei auch die schrittweise Einführung eines Preisdeckels auf Teilmärkten. Entscheidend sei, den Gaspreis schnell zu senken.

Berlin treibt Preise nach oben

Dies liegt jedoch nicht unbedingt im deutschen Interesse. Das größte EU-Land kauft im großen Stil Flüssiggas (LNG) auf dem Markt ein und treibt damit die Preise in die Höhe. Darunter leiden nicht nur Schwellenländer etwa in Asien oder Afrika, sondern auch kleinere EU-Länder.

„Für einige EU-Länder wäre es attraktiv, wenn die Deutschen nicht mehr das Gas wegkaufen können und die Preise nach oben treiben“, sagte der Energieexperte Georg Zachmann von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Allerdings brauche Deutschland die Flexibilität, um seinen Bedarf zu decken.

Der Vorschlag der EU-Kommission, den die Energieminister am Freitag diskutieren wollen, kommt Deutschland weit entgegen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte schon ihren Plan für eine Übergewinn-Abgabe eng mit der Bundesregierung abgestimmt. Auch jetzt nimmt sie wieder Rücksicht auf Berlin. „Wir müssen ein Modell finden, dass für alle funktioniert“, heißt es in Brüssel.

Kehrtwende der EU-Kommission

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Die Kommission schlägt einen Preisdeckel ausschließlich für russisches Gas vor, ergänzt durch Preisverhandlungen mit „vertrauenswürdigen Partnern“ wie Norwegen. Außerdem will sie in den Markt für Flüssiggas eingreifen und die Spekulation eindämmen. „Unser Ziel ist es, den Preisanstieg zu begrenzen“, so der Kommissionsexperte.

Damit vollzieht die Brüsseler Behörde eine Kehrtwende. Noch im Frühjahr hatte sie behauptet, die Energiemärkte arbeiteten tadellos. Nun heißt es, Russland manipuliere die Preise. Allerdings blendet die EU die Wirkung der Sanktionen aus. Auch das europäische „Marktdesign“, das den Strompreis an den Gaspreis koppelt, ist ein Problem.

Beim Treffen der Energieminister wird noch keine Einigung erwartet. Immerhin wollen die Minister grünes Licht für eine Gewinnabschöpfung bei Stromkonzernen geben, die in der Krise übermäßig viel verdienen. Auch diese Übergewinn-Abgabe war lange umstritten. Deutschland war zunächst dagegen, andere Länder wie Italien haben sie längst.

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Watchlist

Wie wird der Westen auf den Anschluß okkupierter ukrainischer Regionen an Russland reagieren? Bei einer Zeremonie im Kreml mit Staatschef Wladimir Putin sollen die Abkommen über die Aufnahme der ostukrainischen Regionen Luhansk und Donezk sowie der südukrainischen Regionen Saporischschja und Cherson in die Russische Föderation unterzeichnet werden. Putin will auch eine Rede halten. Die EU und die Nato haben die Pläne verurteilt – aber offen gelassen, wie sie reagieren werden. – Mehr dazu hier

Was fehlt

Die „Goldenen Pässe“ aus Malta. Die EU-Kommission zieht nun vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Justizkommissar Didier Reynders kündigte eine Klage an, weil Malta weiterhin seine „Staatsbürgerschaft gegen Zahlungen oder Investitionen vergibt“. Mit den Pässen können sich die Begünstigten dann in der gesamten EU niederlassen. Malta ist nach Kommissionsangaben das letzte Mitgliedsland, das die sogenannten goldenen Pässe vergibt. Zypern hatte die Praxis auf Druck der EU im Herbst 2021 eingestellt.