Die vagen Versprechen der neuen Klima-Kommissare
Wopke Hoekstra und Maros Sefcovic fallen bei einer Anhörung im Europaparlament erstmal durch – trotz vollmundiger Bekenntnisse zum „Green Deal“
Beflissen, aber vage: So präsentierte sich der designierte neue EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra bei einer Anhörung im Europaparlament in Straßburg. Er wolle sich für Steuern auf Flugbenzin einsetzen und den Treibhausgas-Ausstoß bis 2040 um mindestens 90 Prozent senken, sagte der Niederländer, der seinen Landsmann Frans Timmermans in Brüssel ersetzen soll.
Timmermans war im Sommer zurück nach Den Haag gegangen, wo er sich um das Amt des Premierministers bewirbt. Hoekstra hatte bisher als Finanzminister unter dem scheidenden Premier Mark Rutte gearbeitet. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) hat dem 48-Jährigen Christdemokraten bereits ihr Placet gegeben, nun muß das Europaparlament zustimmen.
Doch das gestaltet sich schwieriger als erwartet. Nach seiner Anhörung am Montagabend haben die Abgeordneten ihre Entscheidung zunächst verschoben. Während die Christdemokraten und Konservativen im Großen und Ganzen mit Hoekstra zufrieden waren, meldeten Grüne, Sozialdemokraten und Liberale Bedenken an.
Er sei zwar „positiv überrascht“ von einigen Plänen Hoekstras, sagte der grüne deutsche Europaabgeordnete Michael Bloss. Aber die Details, wie er sie umsetzen wolle, seien zu vage geblieben. „Angesichts Ihres Lebenslaufs waren Sie nicht wirklich ein Klima-Champion“, sagte Bas Eickhout aus den Niederlanden. Hoekstra hat drei Jahre für den Ölkonzern Shell gearbeitet.
„Wir müssen fossile Brennstoffe hinter uns lassen – je früher, desto besser“, konterte Hoekstra. „Ich finde es wirklich unethisch, dass einige Ölkonzerne seit langem von ihrer (schädlichen) Rolle beim Klimawandel wissen, diese Erkenntnisse jedoch zurückgehalten haben.“ Als Klimakommissar werde er „rund um die Uhr“ dafür arbeiten, um das Pariser Klimaziel von 1,5 Grad doch noch zu erreichen.
Ähnliche Versprechen machte Maros Sefcovic, der sich künftig als Kommissionsvize um den „European Green Deal“ kümmern soll. Seine Aufgabe sei es, “alle ausstehenden Gesetzesvorschläge zum Green Deal über die Ziellinie zu bringen”, sagte Sefcovic. Er wolle sich unter anderem für die Neuauflage der Chemikalienrichtlinie und der Vorschriften für Tierschutz und Mikroplastik einsetzen.
Parteitaktische Spielchen
Sefcovic sprach sich unter anderem für eine schnelle Verabschiedung des umstrittenen Renaturierungsgesetzes aus. Das Naturschutzgesetz solle in diesem Jahr in Kraft treten, wenn möglich noch vor der UN-Klimakonferenz Anfang Dezember in Dubai. Das EU-Parlament hatte darüber im Sommer heftig gerungen; der Text war nur mit hauchdünner Mehrheit durchgekommen.
Auch nach Sefcovics’ Hearing gab es im Parlament noch Redebedarf. Die Abgeordneten wollen zunächst noch schriftliche Antworten abwarten, die am Mittwoch erwartet werden, und dann entscheiden, ob sie die beiden designierten EU-Kommissare unterstützen. Es könnte allerdings auch noch eine zweite Runde der Anhörungen geben.
Dahinter stehen nicht nur sachliche, sondern auch parteipolitische Erwägungen. Solange Grüne und Sozialdemokraten den Weg für Hoekstra nicht frei machen, wollen Christdemokraten und Konservative auch Sefcovic blockieren.
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P.S. Trotz aller Bedenken haben die EU-Abgeordneten die beiden Kanidaten doch noch durchgewunken. Vorher hatten sie schriftliche Erklärungen abgegeben, in denen sie sich auf den aktuellen Kurs in der Klimapolitik verpflichten…
Arthur Dent
4. Oktober 2023 @ 20:54
Träume, Wünsche, Seifenblase, plöpp….
„Die Umsetzung liegt bei den Mitgliedstaaten – wenn die nicht mitziehen, sind alle schönen Regeln wertlos.“ – ganz egal, ob die mitziehen – unter allerbesten Voraussetzungen schafft die EU 4 – 6 Gigatonnen CO2 einzusparen, es müssen aber jährlich rund 38 Gigatonnen eingespart werden…
„Er wolle sich für Steuern auf Flugbenzin einsetzen und den Treibhausgas-Ausstoß bis 2040 um mindestens 90 Prozent senken“, sagte der Niederländer…
Hat man denn schon die weltweiten Corona-Lockdowns vergessen, die komplette Herunterfahren des öffentlichen Lebens, das Stilllegen des weltweiten Flugverkehrs? Es hat für einen ganz kurzen Moment ein winzig kleine Verbesserung des CO2-Ausstoßes gebracht. Wenn man es wirklich ernst meint, dann muss man praktisch jahrzehntelange Lockdowns verhängen – ohne Garantie, ob das wirklich irgendetwas verbessert. Das kann man denn rein statistisch etwa 100 Jahre später feststellen, oder auch nicht. Und die GANZE WELT muss mitmachen.
Wer sich ein wenig populärwissenschaftlich mit den Prozessen in der Atmosphäre befasst, wird feststellen das Systeme nicht linear funktionieren, sondern in vielen Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Das Klimasystem der Erde funktioniert nicht wie ein Heizungsthermometer – man gibt etwas CO2 hinzu und es wird wärmer, oder man nimmt etwas CO2 weg und es wird kühler. Selbst wenn der CO2-Anteil in der Atmosphäre wieder 280 ppm beträgt, heißt das nicht, dass wir dieselben klimatischen Bedingungen wie zur vorindustriellen Zeit haben. Die „gute alte Zeit“ ist vorbei. Die war übrigens ausgesprochen kühl in Europa mit vielen Missernten und Hungersnöten.
Der Green New Deal ist kein Klimaschutz, sondern allenfalls eine Modernisierung des Kapitalismus. Der gräbt die halbe Welt nach neuen Rohstoffen um.
KK
4. Oktober 2023 @ 10:42
Die EU ist längst ein Patient auf der Palliativstation… will nur keiner der Protagonisten wahrhaben.
Man kann einen Ballon nicht über Gebühr aufblasen… er wird unumgänglich platzen, wenn sich die Punkte auf der Hülle zu weit voneinander entfernt haben und er zu gross wird.
Und hier haben sich nicht nur die Mitgliedsstaaten zu weit voneinander entfernt, sondern auch die Gremien und die in diesen Handelnden von den Interessen der Bürger.
Karl
4. Oktober 2023 @ 08:56
Wann endlich verspricht ein Klima-Politiker bestimmte Ziele, die er bis zum Ende seiner Amtszeit erreicht?
ebo
4. Oktober 2023 @ 09:35
Gute Frage. Das eigentliche Problem in der EU ist, dass man jede Menge Verpsrechen machen und Ziele setzen kann – ohne sich um die Umsetzung zu kümmern. Denn dafür sind die Mitgliedstaaten zuständig. An diesem Problem ist schon die Migrationspolitik gescheitert. Nun ist die Klimapolitik an der Reihe, fürchte ich.
Helmut Höft
4. Oktober 2023 @ 10:18
@ ebo, Ergänzung:
Vorschläge, Verordnungen und Gesetze machen, sich aber nicht um die Umsetzung kümmern – schlimmer noch: die benötigten Ressourcen finanziell, materiell und v. a. auch personell – nicht bereitstellen, ist Kennzeichen aller Politik. Wie immer geht es nur um den besten Platz im Schaufenster.
ebo
4. Oktober 2023 @ 10:34
Das kann man so sehen. Doch in einem normalen Staat arbeiten Leglislative und Exekutive zusammen, die Regierung steuert die Exekutive. In der EU ist dies nicht der Fall. Die Umsetzung liegt bei den Mitgliedstaaten – wenn die nicht mitziehen, sind alle schönen Regeln wertlos. In der Flüchtlingskrise 2015 hat sich dies erstmals in seiner ganzen Tragweite gezeigt…