Demokratie und Rechtsstaat am Limit

Die EU steckt wieder in der Krise. Doch diesmal ist alles anders. Die 27 sind vom Kurs abgekommen – sie wissen nicht mehr, wo sie stehen und wohin sie gehen.Heute: Demokratie und Rechtsstaat am Limit.

Wahlen gefährden die Demokratie. Die Europawahl im Juni und die US-Präsidentschaftswahl im Herbst sind besonders gefährlich. Denn dabei könnten Populisten, Nationalisten und Anti-Demokraten gewinnen.

Das ist die Botschaft, die Politik und Medien zu Beginn des “Superwahljahrs” 2024 vermitteln. Wer es nicht glaubt, sollte einen Blick in den “Spiegel”, die “Süddeutsche” oder “Politico” werfen.

“Herausforderung für die Demokratie – 2024 wird das Jahr der neuen deutschen Angst”, heißt es beim “Spiegel”. Hier fürchtet man die AfD. “Demokraten, seid wachsam”, warnt die “Süddeutsche”. Dort geht es um die USA und Trump. Auch die EU muß auf der Hut sein, heißt es bei “Politico”: “Die Demokratie ist in Gefahr”.

Wenn Wahlen die Demokratie gefährden, kann etwas nicht stimmen. Dann ist das demokratische System ans Limit gekommen. Genau das beobachten wir in der EU und, mehr noch, in den USA.

Es ist keine neue Entwicklung. Schon seit den 90ern analysieren Politikwissenschaftler die Krise der westlichen Demokratie, die “Postdemokratie” ist in der Eurokrise zum festen Begriff geworden. Seither ist es nicht besser geworden – im Gegenteil.

Bei der Europawahl 2019 hat das Europaparlament sein demokratisches Waterloo erlebt. Die Staats- und Regierungschefs haben die neu gewählten Abgeordneten übergangen und die ungewählte Frau von der Leyen als Kommissionschefin eingesetzt.

Bei der nächsten EU-weiten Abstimmung im Juni ist leider keine Besserung zu erwarten. Denn die versprochenen demokratischen Reformen sind ausgeblieben. Und die Wähler haben – anders als in den USA – keine echte Wahl mehr.

Keine echte Wahl mehr

Über Krieg und Frieden in der Ukraine dürfen die EUropäer ebenso wenig mitentscheiden wie über das Gemeinschafts-Budget oder die strategische Planung bis 2027. Alles wurde schon vor der Wahl festgezurrt.

Aus Angst vor den Rechten haben die EU-Granden die Europawahl in ein enges Korsett gezwängt. Eigens erlassene Demokratie-Gesetze sollen die EU und ihre Institutionen zusätzlich schützen bzw. immunisieren.

EU-Politiker reden zwar gern von Demokratie – doch nur, wenn sie ihren Kurs bestätigt. Die Wertegemeinschaft höhlt ihre Werte aus. Eine ähnliche Entwicklung beobachten wir beim Rechtsstaat.

Der ist nicht nur in Ungarn oder Polen gefährdet, sondern auch in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und in der gesamten EU. Besonders krass hat sich dies in der Coronakrise gezeigt.

Wo bleibt die Justiz?

“Wo war der Rechtsstaat?”, fragt der Europarechtler Volker Boehme-Neßler im “Cicero”. Die Justiz sei während der Pandemie eine große Enttäuschung gewesen. “Das muss dringend aufgearbeitet werden.”

Wird es aber nicht – weder in Deutschland noch in der EU. Das Europaparlament hat zwar einen Corona-Sonderausschuß eingesetzt. Doch nicht einmal die Pfizer-Affäre wurde aufgeklärt, die Justiz schweigt.

Unverhältnismäßige Lockdowns, unrechtmäßige Reiseverbote, massive Repression selbst in liberalen Staaten wie Belgien – alles folgenlos. Die EU hat ihren Mitgliedern längst Absolution erteilt.

Im Namen der Geopolitik

Dabei ist das Recht auch in Brüssel am Limit, wie der Ukraine-Krieg zeigt. EU-Regeln werden gebrochen oder gedehnt, wenn es um Geld und Waffen für die Ukraine geht. Das Friedensgebot wird ignoriert.

Im Namen der Geopolitik müssen Demokratie und Rechtsstaat zurückstehen. Selbst in Ungarn drückt die EU ein Auge zu, wenn es hilft, Regierungschef Orban auf Pro-Ukraine-Kurs zu bringen.

Der EU-Gipfel im Dezember 2023 hat gezeigt, wie willig Kommissionschefin von der Leyen & Co. ist. Sie hat 10 Mrd. Euro aus EU-Mitteln bewilligt, obwohl der Rechtsstaat in Ungarn weiter gebeugt wird.

So werden die europäischen Werte weiter ausgehöhlt – von denselben EU-Politikern, die sich als Hüter eben dieser Werte gerieren…

Siehe auch Das Vertrauen ist erschüttert und Die AfD und die Aporien der EU