Die Europäische Urlauber-Union, der EU-Staatsanwalt – und Macrons Lob für Merkel

Die Watchlist EUropa vom 01. Juni 2021 –

Monatelang stand die Freizügigkeit, die der Binnenmarkt und der Schengenraum den EU-Bürgern garantiert, nur auf dem Papier. Nationale Corona-Maßnahmen standen privaten Reisen im Weg, Belgien verhängte gar ein Ausreiseverbot. Die EU-Kommission moserte zwar ein wenig, tat jedoch nichts. Sie begnügte sich damit, den freien Warenverkehr sicherzustellen – mit “green lanes” für LKW. Hauptsache keine Störung der Lieferketten, so die Devise. Die Bürger waren nicht so wichtig.

Doch nun hat die Brüsseler Behörde ihr Herz für die Urlauber entdeckt. Rechtzeitig zur Feriensaison machte Justizkommissar Reynders große Versprechen.

Vollständig Geimpfte sollten bei Urlaubsreisen nicht mehr in Quarantäne, erklärte der liberale Belgier. Kinder unter sechs Jahren in Begleitung ihrer geimpften oder genesenen Eltern müssten auch keine Beschränkungen fürchten.

Zudem soll es eine Sonderregel für Länder mit einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 25 geben. Reisende, die aus solchen Ländern kommen, sollen gar keinen Einschränkungen mehr unterliegen. 

Klingt gut, ist unrealistisch

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Klingt gut, oder? – Ist aber ziemlich unrealistisch. Denn über Corona-Beschränkungen entscheiden immer noch die Mitgliedsstaaten, jeder für sich allein.

Und die haben erst vor zehn Tagen entschieden, auch weiter Quarantäne-Pflichten und andere Beschränkungen verhängen zu können. Die 27 setzten sich damit über weitergehende Forderungen des Europaparlaments hinweg.

Genauso werden sie sich auch über die Empfehlungen der Kommisison hinwegsetzen. Wie das geht, haben wir schon im Sommer 2020 gesehen. Deutschland hielt sich nicht einmal an die Regeln, die es selbst ausgehandelt hatte.

Leider ohne Rechtsanspruch

Justizkommissar Reynders sollte, ja müsste das wissen. Durchsetzen kann er sich nur, wenn er sich auf die vertraglich verbrieften Grundfreiheiten im Binnenmarkt beruft und mit Vertragsverletzungs-Verfahren droht.

Doch das wagt er nicht, Kommissionschefin von der Leyen will keinen Ärger. Umso lieber präsentieren sich die Kommissare als Freunde der Urlauber und als Retter der Sommerferien.

Willkommen in der Europäischen Urlauber-Union, leider ohne Rechtsanspruch und ohne Haftung! In Wahrheit dienen die Ankündigungen nur dazu, das größte Reise-Chaos abzuwenden und das Ansehen der EU zu mehren…

Siehe auch Nein, der Impfpass garantiert immer noch keine Reisefreiheit und “Lauter Luftnummern aus Brüssel”

Watchlist

Bekommt der Rechtsstaat europäische Zähne? Dies verspricht die Europäische Staatsanwaltschaft, die am Dienstag mit monatelanger Verspätung ihre Arbeit aufnimmt. Die neue Luxemburger Behörde soll Delikte wie Korruption, Bestechung, Geldwäsche oder Veruntreuung im Zusammenhang mit EU-Geldern verfolgen und eng mit der Anti-Betrugsbehörde OLAF zusammenarbeiten. Dummerweise machen Ungarn und Polen nicht mit – bei grenzüberschreitenden Betrugsfällen sollen sie aber auch belangt werden können.

Was fehlt

Macrons Lob für Merkel: “Wir haben Europa im Eilmarsch nach vorne gebracht”, sagte der französische Staatschef nach Abschluss des letzten Deutsch-Französischen Ministerrates mit der Kanzlerin. Macron hob das im vergangenen Jahr vereinbarte Corona-Aufbauprogramm von 750 Milliarden Euro hervor, das auch über EU-Schulden finanziert wird. Es handele sich um eine “historische Vereinbarung”. Dummerweise fließt immer noch kein Geld – was auch daran liegt, dass Merkel die EU-Finanzhilfen an Reformauflagen gebunden hat. – Mehr hier