Wie die EU in der Coronakrise den Anschluß verlor (und die Orientierung)
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die bisher führende Europapartei CDU verliert Wahlen und Vertrauen. EU-Kommissionschefin von der Leyen droht Großbritannien wegen AstraZeneca. Und die dritte Corona-Welle trifft die EU unvorbereitet.
Die EU hat den Halt und die Orientierung verloren. Diesen Eindruck vermitteln die wichtigsten europapolitischen Ereignisse der vergangenen Woche. Erst stürzte die CDU – „die“ deutsche Europapartei – bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ab. Ein wichtiger Grund ist das miserable Managment der Bundesregierung in der Coronakrise. Zum Ende der Ära Merkel müssen sich die Christdemokraten und -Sozialen fragen, ob sie noch den nächsten Kanzler stellen werden. CDU-Chef Laschet jedenfalls steht mit dem Rücken zur Wand. Dann verlor Kommissionschefin von der Leyen die Nerven – und drohte Großbritannien mit einem Exportverbot bei Impfstoffen, womit sie die bisher gültige Freihandels-Dokrin auf den Kopf stellt und von eigenem Versagen, etwa bei der Freigabe eines Produktionsstandorts in den Niederlande, ablenkt. Und dann kam auch noch die dritte Welle der Corona-Pandemie – doch von einer koordinierten Reaktion auf EU-Ebene keine Spur. Während in Großbritannien bereits jeder zweite Erwachsene geimpft ist, verschiebt Deutschland den „richtigen“ Impfstart auf die Zeit nach Ostern. Zum deutschen Staatsversagen gesellt sich das fortgesetzte Fehlen einer EU-weiten Koordinierung; nicht einmal Schnelltests sind ausreichend vorhanden, von gemeinsamen Regeln beim Reisen ganz zu schweigen. Ostern werden wir wohl im Lockdown “feiern” müssen. Nur eine frohe Botschaft hatte die EU-Kommission diese Woche parat: der Impfpass kommt – allerdings nur als „grünes Zertifikat“, und das ohne verbindliche Aussage darüber, was man am Ende damit anfangen kann. Egal – wir klammern uns an das vage Versprechen, dank der EU in den Sommerurlaub fahren zu können, und wünschen ein schönes Wochende!
Zur dritten Welle der Corona–Pandemie schrieben wir:
Jetzt rächt es sich, dass die EU zu zögerlich bestellt, zu wenig produziert und zu langsam geimpft hat. Alle Fehler fallen uns auf die Füße und machen die “dritte Welle” zu einer echten Gefahr. Die aktuelle Impfpause bei AstraZeneca macht es nicht besser. Dabei wäre sie nicht nötig gewesen, wenn man sich an die Absprachen gehalten und auf die Europäische Arzneimittelbehörde EMA gewartet hätte. – Am Ende hat EMA Entwarnung gegeben – und das AZ-Vakzin bekommt einen erweiterten Beipackzettel. Doch von einer konzertierten Aktion gegen die dritte Welle fehlt weiter jede Spur. Die EU fällt immer weiter hinter die USA zurück, mehr dazu hier
Zum Kleinkrieg um AstraZeneca schreibt P. Krugman in der “New York Times”:
All of these problems came to a head this week, when a number of European nations suspended use of the AstraZeneca vaccine based on probably spurious hints that some recipients may experience blood clots. Again, policymakers were obsessed with the wrong risks — even if there are adverse side effects, they surely pale in comparison with the damage to the inoculation drive. And again Europe failed to coordinate: Germany suspended AstraZeneca, and others rushed to follow out of fear that they would be blamed if anything went wrong (other than people dying because they didn’t get their shots). – Wieder spielt Deutschland eine unglücklich Rolle, siehe auch hier
Zur Krise der CDU schreibt der “Express” aus Köln:
Die Führungsschwächen in der Pandemie sind offensichtlich – angefangen bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über Angela Merkel und ihren Kanzleramtschef Helge Braun, Wirtschaftsminister Peter Altmaier bis hin zu Gesundheitsminister Jens Spahn, warum kann die Union kein Krisenmanagement? – Golland: Ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Aber Fakt ist, dass gerade auf der europäischen Ebene gravierende Fehler gemacht wurden. Es ist schlimm, dass dies nun schöngeredet wird, anstatt Verantwortung zu übernehmen. – Dem ist nichts hinzuzufügen…
Und hier noch die drei besten Blogposts der vergangenen Woche:
“Ukraine steuert auf Niederlage zu”
Die Stimmung in Brüssel kippt. Nachdem man lange auf einen “Sieg” der Ukraine gesetzt hatte, redet man nun über eine mögliche Niederlage.
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