AstraZeneca: Wieder ein deutscher Alleingang?
Warum wurden die Impfungen mit dem Vakzin von AstraZeneca vorläufig ausgesetzt? Weil Deutschland mal wieder einen Alleingang hingelegt hat, heißt es in Frankreich. Auch bei der EU-Arzneimittelbehörde EMA ist man sauer.
Für die Impf-Unterbrechung gebe es keinen dringenden Grund, erklärte EMA-Chefin Emer Cooke.
Bisher habe man keine Belege, dass die Blutgerinnsel von dem Astrazeneca-Vakzin verursacht worden seien, hob Cooke hervor.
Solche Blutgerinnsel „kamen nicht bei den klinischen Tests vor und sie werden nicht als bekannte oder zu erwartende Nebenwirkungen gelistet“, fügte die EMA-Chefin hinzu.
„Wir sind immer noch zutiefst überzeugt, dass die Vorteile des Astrazeneca-Impfstoffs bei der Vorbeugung von Covid-19 mit dem damit verbundenen Risiko eines Krankenhausaufenthalts und dem Tod das Risiko dieser Nebenwirkungen überwiegen“, betonte sie.
Genauso sieht man das auch in Frankreich. Die Regierung in Paris hatte noch am Wochenende erklärt, die Impfungen mit AZ fortzusetzen.
Warum wurden sie dann am Montag trotzdem unterbrochen? Weil die Deutschen ohne Absprache vorgeprescht sind, schreibt „Le Monde“. Zitat:
« Nous nous étions mis d’accord pour attendre l’avis de l’AEM [initialement prévu mardi], mais Berlin a tiré en premier sous la pression interne, soupire un ministre. L’inquiétude était là, la volte-face allemande ne nous permettait pas d’attendre. »
Le Monde
Der deutsche Alleingang habe einen „Dominoeffekt“ ausgelöst, so das Blatt. Dem habe sich auch Frankreich nicht entziehen können.
Es wäre nicht das erste Mal. Bei den Grenzschließungen hat sich Berlin ebensfall wenig um Paris oder Brüssel geschert…
Jürgen Klute
17. März 2021 @ 09:22
Es ist schon seit Merkel EU-Krisenpolitik von vor zehn Jahren meine feste Überzeugung: Sollte die EU scheitern, dann scheitert sie nicht an Ländern wie Ungarn oder Polen, sondern an Berlin. Das bestätigt sich erneut beim Pandemie-Management. Berlin fordert von allen anderen EU-Staaten eine strikte Einhaltung vereinbarter Regeln – vor allem im Bereich Haushalt, hält sich selbst aber nur so lange an gemeinsame Regeln, wie es nützlich erscheint. Das ist zwar ein berechenbares politisches Verhalten, aber eben kein verlässliches.
ebo
17. März 2021 @ 10:08
Ja, der Schlüssel liegt in Berlin. Wobei mich immer wieder fasziniert, wie selbstverständlich die deutsche Politik davon ausgeht, dass sie „für Europa“ agiere und „die EU“ rette. Deutsche und europäische Interessen und Entscheidungen werden als deckungsgleich betrachtet – was sie definitiv nicht sind. Es fehlt jegliche Art von kritische Selbstreflexion, wie sich auch wieder im Fall AstraZeneca zeigt. Hat sich irgend jemand in Berlin gefragt, was die deutsche Entscheidung für die EU bedeutet? Stellt irgend jemand das RKI oder das Paul-Ehrlich-Institut infrage?
Kleopatra
17. März 2021 @ 06:43
Jeder Mitgliedstaat hat das Recht, in dieser Frage seine Entscheidung eigenständig zu treffen. Warum aber Frankreich sich verpflichtet fühlt, nicht anders zu entscheiden als Deutschland, erschließt sich nicht. Vernünftig wäre es gewesen, das Gegenteil zu tun. Deutschland demonstriert schließlich ständig, dass es auf andere Mitgliedstaaten keine Rücksicht zu nehmen bereit ist.
ebo
17. März 2021 @ 08:34
Nun, in Frankreich gibt es besonders viele Impfgegner. Die hätten ntürlich sofort mit dem Finger auf Macron gezeigt und auf das „vorbildliche“ Deutschland verwiesen…
Kleopatra
17. März 2021 @ 09:58
Bis jetzt gibt es weniger Stoff als potenzielle Abnehmer, so dass man ja genausogut diejenigen versorgen könnte, die keine Angst davor haben. Im Übrigen hat Macron vor einiger Zeit doch ohne vernünftige Grundlage behauptet, die Ware von AZ sei so gut wie unwirksam. Hätte er das ernst gemeint, hätte konsequenterweise Frankreich nichts davon kaufen sollen.